wannen ich hieher kam, noch daß ich etwas bessers bin als Prospero, Herr über eine armselige Celle, und dein nicht grösserer Vater.
Miranda.
Mir fiel niemals ein, mehr wissen zu wollen.
Prospero. Es ist Zeit, daß ich dir mehr entdeke. Lehne mir deine Hand, und ziehe mir dieses magische Gewand ab; so!
(er legt seinen Mantel hin)
lige hier, meine Kunst – Wische du deine Augen, beruhige dich. Dieses fürchterliche Schauspiel des Schiffbruchs, welches ein so zärtliches Mitleiden in deinem Herzen erregt hat, hab ich durch die Mittel, die meine Kunst mir an die Hand giebt, so sicher angeordnet, daß keine Seele zu Grunde gegangen ist, nein, nicht ein Haar von irgend einem dieser Geschöpfe, deren Geschrey du hörtest, die du sinken sahst: Seze dich nieder, denn du must nun noch mehr wissen.
Miranda. Ihr habt oft angefangen mir sagen zu wollen, was ich sey, aber wieder inngehalten, und mich einem eiteln Nachsinnen überlassen, indem ihr allemal damit schlosset, halt! noch nicht —
Prospero. Die Stund' ist nun gekommen, und es ist keine Minute mehr zu verliehren. Höre dann und sey aufmerksam. Erinnerst du dich einer Zeit, eh wir in diese Celle kamen? Ich denke nicht, daß du es kanst; denn du warst damals noch nicht volle drey Jahre alt.
Miranda.
Ja, mein Herr, ich kan.
Prospero. Wobey dann? Bey irgend einem Haus oder einer Person? Sage mir, was es auch seyn mag, dessen Bild in deinem Gedächtniß geblieben ist.
Miranda.
Es ist in einer tiefen Entfernung, und eher einem Traum als einer Gewißheit gleich, was mir die Erinnerung vorstellt. Hatte ich nicht einst vier oder fünf Weiber, die mir aufwarteten?
Prospero. Du hattest, und mehr, Miranda. Aber wie kommt es, daß diß noch in deinem Gemüthe lebt? Was siehst du noch mehr in dem tiefen Abgrund der verflossenen Zeit? Wenn du dich noch an etwas erinnerst, eh du hieher kamst, so wirst du dich auch erinnern, wie du hieher kamst.
Miranda.
Nein, das thue ich nicht.
Prospero.
Es sind nun zwölf Jahre seit dieses geschah, Miranda; zwölf Jahre, seit der Zeit, da dein Vater Herzog von Meiland und ein mächtiger Fürst war.
Miranda.
Mein Herr, seyd ihr dann nicht mein Vater?
Prospero. Deine Mutter war ein Muster der Tugend, und sie sagte, du seyest meine Tochter; und dein Vater war Herzog von Meiland, und du seine einzige Erbin.
Miranda.
O Himmel! Was für ein schlimmer Streich trieb uns von dannen?
Oder war es unser Glük, daß es geschah?
Prospero. Beydes, beydes, mein Mädchen! Durch einen schlimmen Streich, wie du sagst, wurden wir von dort vertrieben, und glüklicher Weise hieher gerettet.
Miranda. O! mein Herz blutet, wenn ich an die Sorgen denke, die ich euch in einer Zeit gemacht haben werde, an die ich mich nicht mehr besinnen kan. Ich bitte euch, fahret fort.
Prospero. Mein Bruder, und dein Oheim, Antonio genannt, (ich bitte dich, merke auf) – daß ein Bruder fähig seyn konnte, so treulos zu seyn! – Er, den ich, nächst dir selbst, über alle Welt liebte, und dem ich die Verwaltung meines Staats anvertraute, der damals unter allen in Italien der erste, so wie es Prospero an Ansehen war, und an Ruhm in den Wissenschaften, die meine einzige Beschäftigung waren. Ich überließ also die Staatsverwaltung meinem Bruder, und wurd' ein Fremdling in meinem eignen Lande, so sehr riß mich die Liebe und der Reiz geheimnißreicher Studien dahin. Dein treuloser Oheim – Aber du giebst nicht Acht!
Miranda.
Höchst aufmerksam, mein Herr.
Prospero. Dein Oheim, sag ich, der in der Kunst ausgelernt war, wie er ein Gesuch bewilligen oder wie er es abschlagen, wen er befördern oder wen er wegen eines allzuüppigen Wuchses abschneiden sollte; schuf alle diejenigen um, die meine Creaturen waren; ich sage, er versezte sie entweder, oder er gab ihnen sonst eine andre Form; und da er den Schlüssel zu dem Amt und zu dem Beamteten hatte, stimmte er alle Herzen in dem Staat, nach dem Ton, der seinem Ohr der angenehmste war. Solchergestalt war er nun der Epheu, der meinen fürstlichen Stamm umwand, und sein Mark an sich sog – du giebst nicht Acht.
Miranda.
Ich thu es, mein werther Herr.
Prospero. Ich bitte dich, merke wohl auf. Da ich nun alle weltlichen Dinge so bey Seite sezte, und mich ganz der Einsamkeit und der Verbesserung meines Gemüths widmete, die in meinen Augen alles überwog was der grosse Hauffe hochschäzt, so erwachte meines Bruders schlimme Gemüthsart, und mein Zutrauen brütete eine Untreue in ihm aus, die so groß war als mein Zutrauen, welches in der That keine Grenzen hatte. Da er sich in dem Besiz meiner Einkünfte und meiner Gewalt sah, so machte ers wie einer, der durch häufiges Erzählen der nemlichen Unwahrheit einen solchen Sünder aus seinem Gedächtniß macht, daß er selbst nicht mehr weiß, daß es eine Unwahrheit ist; er hatte so lange die Rolle des Herzogs mit allen ihren Vorrechten gespielt, daß er sich zulezt einbildete, er sey der Herzog selbst – Hörst du mir zu?
Miranda.
Eure Erzählung, mein Herr, könnte die Taubheit heilen.
Prospero. Damit nun aller Unterschied zwischen der Person die er spielte, und demjenigen, für welchen er sie spielte, aufhören möchte, wollte er schlechterdings selbst Herzog in Meiland seyn. Mir, armen Manne, dachte er, wäre mein Büchersaal Herzogthums genug; zu allen Geschäften eines Fürsten hielt er mich für ganz untüchtig. Er machte also ein Bündniß mit dem König von Neapolis, und verstuhnd sich, (so sehr dürstete ihn nach der Herrschaft), ihm einen jährlichen Tribut zu bezahlen, und ihn als seinen Lehnsherrn zu erkennen, seinen Fürstenhut der Crone dieses Königs zu unterwerffen, und das bisher unabhängige Herzogthum (armes Meiland!) unter ein schimpfliches Joch zu beugen.
Miranda.
O Himmel!
Prospero. Höre nun die Bedingung die er ihm dagegen machte, und den Ausgang; dann sage mir, ob das ein Bruder war?
Miranda.
Es wäre Sünde, von meiner Großmutter etwas unedels zu denken; gute Eltern können schlimme Kinder haben.
Prospero. Nun die Bedingung: Dieser König von Neapel, der mein alter Feind war, willigte mit Freuden in meines Bruders Begehren, welches dahin gieng, daß er, gegen die ihm zugestandne Abhänglichkeit, und ich weiß nicht wie viel jährlichen Tribut, ungesäumt mich und die meinigen aus dem Herzogthum vertreiben, und das schöne Meiland mit allen seinen Regalien meinem Bruder zu Lehen geben sollte. Nachdem sie nun zu Ausführung dieses Vorhabens eine verrätherische Kriegsschaar zusammen gebracht, öffnete Antonio in einer fatalen Mitternacht die Thore von Meiland, und in der Todesstille der Finsterniß schleppten die Diener seiner bösen That mich und dein schreyendes Selbst hinweg.
Miranda.
O weh! Ich will izt über diese Gewaltthat schreyen, da ich mich nicht mehr erinnere, wie ich damals geschrien habe; eine geheime Nachempfindung preßt diese Thränen aus meinen Augen.
Prospero.
Hör' ein wenig weiter, und dann will ich dich zu der gegenwärtigen Angelegenheit bringen, die wir vor uns haben, und ohne welche diese Erzählung sehr unbesonnen wäre.
Miranda.
Warum nahmen sie uns denn das Leben nicht?
Prospero. Die Frage ist vernünftig, Mädchen; meine Erzählung veranlaset sie. Sie durften es nicht wagen, meine Theureste, so groß war die Liebe die das Volk für mich hatte, sie durften es nicht wagen, ihre Übelthat durch ein blutiges Merkmal der Entdekung auszusezen, sondern strichen ihre boshaftigen Absichten mit schönern Farben an. Kurz, sie schleppten uns auf eine Barke, und führten uns etliche Meilen in die See, wo sie ein ausgeweidetes Gerippe von einem Boot, ohne Thauwerk, ohne Seegel, und ohne Mast zubereiteten, ein so armseliges Ding, das sogar die Razen, vom Instinct gewarnet, es verlassen hatten; und auf diesem elenden Nachen stiessen sie uns in die See, um den Wellen entgegen zu jammern, die