Эрих Мария Ремарк

Liebe deinen Nächsten / Возлюби ближнего своего. Книга для чтения на немецком языке


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ja, halt ein Jud weniger“, sagte der Polizist, der Steiner geschlagen hatte.

      „Verzeihen“, murmelte der Offizier. „So was! Komische Menschen…“

      „Besonders in diesen Zeiten“, sagte Steiner.

      Der Offizier straffte sich. „Halten Sie’s Maul gefälligst, Sie Bolschewist!“ brüllte er. „Ihnen werden wir Ihre Frechheiten schon austreiben!“

      Man brachte die Verhafteten zur Polizeistation an der Elisabethpromenade. Steiner und Kern wurden die Handschellen abgenommen, dann kamen sie zu den andern in einen großen, halbdunklen Raum. Die meisten saßen schweigend herum. Sie waren gewohnt zu warten. Nur die dicke blonde Wirtin lamentierte unentwegt weiter.

      Gegen neun Uhr wurde einer nach dem andern heraufgeholt. Kern wurde in ein Zimmer geführt, in dem sich zwei Polizisten, ein Schreiber in Zivil, der Offizier und ein älterer Polizeioberkommissär befanden. Der Oberkommissar saß in einem hölzernen Sessel und rauchte Zigaretten. „Personalien“, sagte er zu dem Mann am Tisch.

      Der Schreiber war ein schmaler, pickliger Mensch, der an einen Hering erinnerte. „Name?“ fragte er mit einer überraschend tiefen Stimme.

      „Ludwig Kern.“

      „Geboren?“

      „30. November 1914 in Dresden.“

      „Also Deutscher?“

      „Nein. Staatenlos. Ausgebürgert.“

      Der Oberkommissär blickte auf. „Mit einundzwanzig? Was haben’s denn angestellt?“

      „Nichts. Mein Vater ist ausgebürgert worden. Da ich damals minderjährig war, ich auch.“

      „Und weshalb Ihr Vater?“

      Kern schwieg einen Augenblick. Ein Jahr Emigration hatte ihn Vorsicht mit jedem Wort bei Behörden gelehrt. „Er wurde zu Unrecht als politisch unzuverlässig denunziert“, sagte er schließlich.

      „Jude?“ fragte der Schreiber.

      „Mein Vater. Meine Mutter nicht.“

      „Aha!“

      Der Oberkommissär schnippte die Asche seiner Zigarette auf den Boden. „Warum sind Sie denn nicht in Deutschland geblieben?“

      „Man hat uns unsere Pässe abgenommen und uns ausgewiesen. Wir wären eingesperrt worden, wenn wir geblieben wären. Und wenn wir eingesperrt werden mussten, wollten wir es lieber in einem anderen Lande als in Deutschland.“

      Der Oberkommissär lachte trocken. „Kann ich verstehen. Wie sind Sie denn ohne Pass über die Grenze gekommen?“

      „An der tschechischen Grenze genügte damals für den kleinen Grenzverkehr ein einfacher Einwohner-Meldeschein. Den hatten wir noch. Man konnte damit drei Tage in der Tschechoslowakei bleiben.“

      „Und nachher?“

      „Wir bekamen drei Monate Aufenthaltserlaubnis. Dann mussten wir fort.“

      „Wie lange sind Sie schon in Österreich?“

      „Drei Monate.“

      „Warum haben Sie sich nicht bei der Polizei gemeldet?“

      „Weil ich dann sofort ausgewiesen worden wäre.“ „Na, na!“ Der Oberkommissär schlug mit der flachen Hand auf die Sessellehne. „Woher wissen Sie das so genau?“

      Kern verschwieg, dass er und seine Eltern sich das erste Mal, als sie über die österreichische Grenze gegangen waren, sofort bei der Polizei gemeldet hatten. Sie waren am gleichen Tage über die Grenze zurückgeschoben worden. Als sie dann wiederkamen, hatten sie sich nicht mehr gemeldet.

      „Ist es vielleicht nicht wahr?“ fragte er.

      „Sie haben hier nicht zu fragen; Sie haben nur zu antworten“, sagte der Schreiber grob.

      „Wo sind Ihre Eltern jetzt?“ fragte der Oberkommissär.

      „Meine Mutter ist in Ungarn. Sie hat dort eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, weil sie ungarischer Herkunft ist. Mein Vater ist verhaftet und ausgewiesen worden, als ich nicht im Hotel war. Ich weiß nicht, wo er ist!“

      „Was sind Sie von Beruf?“

      „Ich war Student.“

      „Wovon haben Sie gelebt?“

      „Ich habe etwas Geld.“

      „Wieviel?“

      „Ich habe zwölf Schilling hier. Das andere habe ich bei Bekannten.“

      Kern besaß nicht mehr als die zwölf Schilling. Er hatte sie verdient durch Handel mit Seife, Parfüm und Toilettewasser. Hätte er das jedoch zugegeben, wäre er auch wegen verbotener Arbeit strafbar gewesen.

      Der Oberkommissär erhob sich und gähnte. „Sind wir durch?“

      „Es ist noch einer unten“, sagte der Schreiber.

      „Wird auch dasselbe sein. Viel Gescher und wenig Wolle.[9]“ Der Oberkommissär warf einen schiefen Blick auf den Offizier. „Alles Leute, die illegal eingereist sind. Sieht nicht nach kommunistischem Komplott[10] aus, was? Wer hat denn die Anzeige gemacht?“

      „Jemand, der auch so eine Bude hat. Nur mit Wanzen“, sagte der Schreiber. „Geschäftsneid wahrscheinlich.“

      Der Oberkommissär lachte. Dann sah er, dass Kern noch im Zimmer war. „Bringt ihn hinunter. Sie wissen ja, was es gibt: vierzehn Tage Haft und Ausweisung.“ Er gähnte nochmals. „Na, ich geh’ auf ein Gulasch und ein Bier.“

      Man brachte Kern in eine kleinere Zelle als vorher. Außer ihm befanden sich noch fünf der Verhafteten darin; darunter der Pole, der mit im Zimmer geschlafen hatte. Nach einer Viertelstunde brachte man auch Steiner. Er setzte sich neben Kern. „Das erstemal im Kasten, Kleiner?“

      Kern nickte.

      „Und? Fühlst dich wie ein Mörder, was?“

      Kern verzog die Lippen. „Ungefähr. Gefängnis – ich habe da noch so Vorstellungen von früher her.“

      „Das hier ist nicht Gefängnis“, belehrte Steiner ihn. „Es ist Haft. Gefängnis kommt später.“

      „Warst du schon drin?“

      „Ja. Wirst es dir das erstemal zu Herzen nehmen. Dann nicht mehr. Besonders im Winter nicht. Hast wenigstens Ruhe während der Zeit. Ein Mensch ohne Pass ist eine Leiche auf Urlaub. Hat sich eigentlich nur umzubringen, sonst nichts.“

      „Und mit Pass? Mit Pass bekommst du doch auch nirgendwo im Ausland Arbeitserlaubnis.“

      „Natürlich nicht. Du hast damit nur das Recht, in Ruhe zu verhungern. Nicht auf der Flucht. Das ist schon viel.“

      Kern starrte vor sich hin.

      Steiner schlug ihm auf die Schulter.

      „Kopf hoch, Baby! Du hast dafür das Glück, im zwanzigsten Jahrhundert zu leben – im Jahrhundert der Kultur, des Fortschritts und der Menschlichkeit.“

      „Gibt es hier eigentlich nichts zu essen?“ fragte ein kleiner Mann mit einem Glatzkopf, der in der Ecke auf einer Pritsche saß. „Keinen Kaffee wenigstens?“

      „Sie brauchen nur dem Kellner zu klingeln“, erwiderte Steiner. „Er soll die Karte bringen. Es gibt hier vier Menüs zur Auswahl. Kaviar à discretion selbstverständlich.“

      „Essen särr[11]schlecht hierr“, sagte der Pole.

      „Ach, da ist ja unser Jesu Christo!“ Steiner betrachtete ihn interessiert. „Bist du Professional hier?“

      „Särr schlecht“, wiederholte der Pole. „Und so wenig…“

      „O Gott!“ sagte der Glatzkopf in der Ecke. „Und ich habe ein gebratenes Huhn in meinem Koffer. Wann werden sie uns hier bloß ’rauslassen?“

      „In