Marco Lupis

Interviews Aus Dem Kurzen Jahrhundert


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“Eine Heldin”. Le Figaro , “Die Pasionaria der Anden”. Le Nouvel Observateur schrieb «hätte Simon Bolívar, der libertador Lateinamerikas eine Nachfolgerin auswählen können, er hätte Sie gewählt».

       Die Kolumbianischen Zeitungen haben sich dagegen etwas über sie lustig gemacht. Die Semana , das wichtigste Informationsblatt

       des Landes hat sie auf der Titelseite als “Jeanne d’ Arc” abgebildet und auf der Fotomontage sind Sie als Jungfrau von Orleans dargestellt, zu Pferd, mit Rüstung und Lanze, bereit zum Angriff. In Wirklichkeit ist das Buch sehr gemäßigt und nicht so reiße-

       risch wie sein Titel; das gilt auch für die Rezensionen. Ingrid

       verhehlt nicht, dass sie Privilegien genoss. Auf Grund Ihres Status in der Oberschicht hatte sie sich einen gewissen Luxus bewahrt: sie ging beispielsweise einmal die Woche auf einem Gestüt von Freunden zum Reiten.

       Ansonsten fehlt es ihr nicht an Ideen, und sie nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, diese zum Ausdruck zu bringen. «Die farc , die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens, wichtigste Guerillagruppe des Landes konnten vorsichtigen Schätzungen zufolge 1998 mit jährlichen Finanzierungen in Höhe von dreihundert Millionen Dollar rechnen, vorwiegend aus “Finanzmitteln” aus Drogenschmuggel und Lösegeldeinnahmen aus Entführungen und Erpressungen. Heute wissen wir, dass sie jährlich auf Finanzmittel zurückgreifen können, die annähernd eine halbe Milliarde Dollar betragen, während ihre Truppen von fünfzehntausend auf einundzwanzigtausend Mann angewachsen ist. Dies» so erklärt sie, «bringt den kolumbianischen Staat in ein totales Kräfteungleichgewicht gegenüber der Guerilla. Um entscheidende Ergebnisse erzielen zu können müsste nach unserer Kalkulation die Regierung zwischen drei und viertausend gut ausgebildete Militärs pro Kopf eines jeden Guerillas einsetzen, während heute höchstens proportional ein, höchstens zwei Soldaten auf ein FARC-Mitglied kommen. All das zudem verbunden mit wirtschaftlichen Anstrengungen, die für mein Land fast als unmenschlich zu bezeichnen sind. Man kalkuliert, dass sich ab 1990 die Kosten zur Bekämpfung des Terrorismus beinahe verzehnfacht haben. Wenn sie am Anfang noch ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes betrugen, so übersteigt die Quote heute schon zwei Prozent und hat inzwischen bereits die astronomische Summe von einhundert Millionen US-Dollar erreicht».

       Ihre Feinde bezeichnen Sie als Fanatikerin, oder ist sie – nach eigenen Aussagen – eine Frau, die etwas für ihr Land tun will? Politische Kreise in Bogotà boykottieren ihre Kandidatur. Insgeheim fürchten sie sie jedoch. Omar, der Chef ihrer Leibwächter sagt: «Wenn du in diesem Land ehrlich bist, riskierst du dein Leben». Sie kontert: «Ich habe keine Angst zu sterben. Die Angst schärft nur meine Sinne».

       Punkt eins ihrer Wahlcampagne ist der Kampf gegen Korruption. An zweiter Stelle steht der Bürgerkrieg: «Der Staat muss mit den linken Guerillas verhandeln und zwar ohne Wenn und Aber» sagt sie abschließend «und sich vom AUC, den rechtsgerichteten para-militärischen Gruppen distanzieren, die für die meisten Morde in diesem Land verantwortlich sind».

       Aber wie kann man tagtäglich ein Leben unter Bedrohung und in Angst führen?

       «Möglicherweise wird auch das zur Gewohnheit. Eine schreckliche Gewohnheit. Erst kürzlich» sagt sie abschließend mit ruhiger Stimme, «fand ich beim Öffnen der Post das Foto eines abgeschlachteten Kindes. Darunter stand: “Se ñ ora Senatorin, auch Ihr ist schon bezahlt. Für Ihren Sohn haben wir eine Sonderbehandlung reserviert…”»

      

      

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      Aung San Suu Kyi

       Friedensnobelpreisträgerin 1991

       Frei von Angst

      

      

      

      

      

      

      

      

      

      

      

      

       Auf Druck der UNO wurde Aung San Suu Kyi am sechsten März 2002 freigelassen. Die Nachricht ging um die Welt, auch wenn ihre Freiheit nur von kurzer Dauer war. Am dreißigsten Mai 2003 eröffnete eine Gruppe Militärs das Feuer auf ihren Konvoi, in dem sie sich zusammen mit vielen Anhängern befand. Es gab viele Tote und nur den Reflexen ihrer Fahrers Ko Kyaw Soe Lin war es zu verdanken, dass Aung San Suu Kyi sich retten konnte; allerdings wurde sie erneut unter Hausarrest gestellt.

       Am Tag nach ihrer Freilassung im Mai 2002 gelang es mir auf Grund einiger Kontakte zu birmanischen Dissidenten, ihr eine Reihe von Fragen für ein „Ferninterview“ per Mail zukommen zu lassen.

      

      

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       Die Wachen, die vor der Residenz von Aung San Suu Kyi, Leader der demokratischen Opposition von Birma Posten bezogen hatten, waren um zehn Uhr des gestrigen Tages still und heimlich wieder in ihre Kaserne zurückgekehrt. Durch diesen überraschenden Schachzug hatte die Militärjunta von Rangun die Restriktionen aufgehoben, die die Anführerin der Pazifisten oder “die Lady”, wie sie von der birmanischen Bevölkerung genannt wurde, in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkten. Die Friedensnobelpreisträgerin von 1991 stand nämlich bereits seit Juli 1989 unter Hausarrest.

       Seit gestern Morgen zehn Uhr stand es Aung San Suu Kyi nach fast dreizehn Jahren frei, das Haus am See zu verlassen; sie durfte reden, mit wem sie wollte, sich politisch betätigen, sie durfte ihre Kinder sehen.

       Aber ist die schreckliche Isolation der “passionierten Birmanin“ wirklich vorbei? Die im Exil befindliche Opposition glaubt noch nicht an die hochtrabenden Worte der Militärjunta, die erklärt hatte, sie ohne Bedingungen freizulassen.

       Die birmanischen Exilanten warten ungläubig und beten. Seit gestern hat nämlich die birmanische Diaspora in allen buddhistischen Tempeln Thailands und Ostasiens zu Gebetszeremonien aufgerufen.

       Sie, die Lady , hat nach ihrer Freilassung keine Zeit verloren und sich sofort im Auto zu ihrer Parteizentrale begeben, zum

       Hauptquartier der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), die bei den Wahlen von 1990 (mit achtzig Prozent aller Stimmen) eine überwältigende Mehrheit gewinnen konnten, während die Regierungspartei der Nationalen Einheit sich nur zehn der 485 Sitze sichern konnte. Die Militärregierung annullierte das Wahlergebnis, verbot alle Aktivitäten der Opposition, unterdrückte gewaltsam alle Straßendemonstrationen und die Oppositionsführer wurden ins Gefängnis geworfen oder ins Exil verbannt. Das neue Parlament wurde nie einberufen.

      

      

       Die italienische Ausgabe ihrer Autobiographie trägt den Titel “Libera dalla paura”. [frei von Angst] Entspricht das ihren aktuellen Gefühlen?