Marco Lupis

Interviews Aus Dem Kurzen Jahrhundert


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       Haben Sie ein schlechtes Gewissen?

       In welcher Beziehung?

      

      

       Naja, so wie es aussieht, haben Sie alles: Schönheit, Ruhm, Geld…

       Ich fühle mich vom Glück begünstigt, das stimmt, ich danke Gott und meinen Eltern, dass ich in diese Verhältnisse hineingeboren bin. Wenn ich kann, versuche ich daher, etwas Gemeinnütziges, etwas Soziales zu tun.

      

      

       Auf dem Modesektor ist nicht alles Gold was glänzt. Es gibt auch Drogen, Alkohol, Rivalitäten…

       Drogen und Alkohol interessieren mich nicht. Eifersüchteleien dagegen sind schon ein Thema, aber ich verstehe es nicht. Meiner Ansicht nach sind Models vom Physischen, vom Charakter und von der Mentalität her so unterschiedlich, dass Platz für alle ist. Und man braucht auch nicht herausragend schön zu sein. Jede Frau hat etwas Schönes an sich. Man muss es nur würdigen.

      

      

       Was braucht es, um den Durchbruch zu schaffen?

       Vor allem Charakter, denn schöne Mädchen gibt es viele auf der Welt... Dann Bildung, Persönlichkeit und Disziplin.

      

      

       Disziplin auch bei der Ernährung?

       Nicht übermäßig. Ich rauche nicht und ich trinke keinen Alkohol, aber nur, weil es mir keinen Spaß macht. Ich esse nicht viel Fleisch, weil ich glaube, dass es ungesund ist und ich bin vorsichtig mit Fetten. Dafür liebe ich Schokolade... Oh! Ich liebe natürlich auch Fanta! (sie lacht ).

      

      

       Welche Beziehung haben Sie zu Geld?

       Es ist nicht das Wichtigste, aber es wird mir in meiner Zukunft die Möglichkeit geben, das zu tun, was ich möchte. Geld ist Freiheit.

      

      

       Was verbinden Sie mit dem Wort Sex – welche Bedeutung hat es für Sie?

       Für mich? (sie scheint wirklich verblüfft zu sein ).

      

      

       Ja, für Sie

       Was soll ich sagen, etwas, das ganz natürlich zwischen zwei in-einander Verliebten passiert. Mehr nicht.

      

      

       Glauben Sie, dass Sie eine starke erotische oder eine mehr sinnliche Ausstrahlung haben?

       Hundertprozent.

      

      

       Hundertprozentig nein?

       Hundertprozentig ja!

      

      

      

      

       4

      Gong Li

      

      

       Mondsüchtig

      

      

      

      

      

      

      

      

      

      

      

      

      

      

       Anfang 1996, ich arbeitete erst kurz als Korrespondent für den Fernen Osten, besuchte ich häufig zusammen mit einigen befreundeten Journalisten John Colmey, den Kollegen von Time in Hong Kong. John vermittelte den Kontakt zum Manager der wunderschönen chinesischen Schauspielerin Gong Li und es gelang mir, mit ihr am Set des Films, den sie gerade in der Nähe von Shanghai drehte ein Exklusivinterview für die Zeitschrift Panorama zu arrangieren.

       *****

       Chen Kaige drehte gerade eine der letzten Szenen seines sehn-lichst erwarteten Films Verführerischer Monde ( Temptress Moon ) in Suzhou, am Ufer des Tai-Sees, hundert Kilometer westlich von Shanghai, drei Jahre nach dem Welterfolg von Lebewohl meine Konkubine . Die Assistenten bewegen sich im Laufschritt zwischen den über zweihundert Komparsen, gekleidet im Stil der Zwanziger Jahre, die den Hafenkai bevölkern. Die Frauen tragen den typischen cheongsam aus Seide, einige Gentlemen sitzen lesend in einer Sänfte und im Hintergrund siehe man Hafenarbeiter, die ein Dampfschiff beladen. Gedreht wird eine große Abschiedsszene: Gong Li, die im Film Ruyi heißt und die schöne und verwöhnte Erbin einer superreichen Familie aus Shanghai spielt, in der Inzest und Opium-Rituale praktiziert werden und jeder jeden mit dem jeweils anderen Partner betrügt, ist kurz davor, mit ihrem Verlobten, Zhongliang, nach Peking aufzubrechen, gespielt von Leslie Cheung, dem Schauspieler aus Hong Kong, der schon in Lebewohl meine Konkubine an ihrer Seite spielte.

       Am Kai steht ihr Jugendfreund Duanwu (interpretiert von dem künftigen Stern am Kinohimmel, Taiwan Lin Chìen-hwa), der schon immer heimlich in Ruyi verliebt war: «Denk dran: du siehst sie jetzt hier zum letzten Mal! Das muss man auf deinem Gesicht ablesen können, und das will ich von dir sehen!» ermahnt ihn Chen Kaige, sechsundvierzig, Lederjacke, schwarze Jeans. «Gut... Yu-bei ... (Anm . also los, ) ... Action !». Als Lin Chien-hwa sich umschaut und dem ablegenden Dampfschiff nachsieht, kann man den Abschiedsschmerz in seinen Augen lesen. « Okay! » ruft ein zufriedener Kaige. Und die letzte Klappe fällt an diesem Tag.

       Über zwei Jahre sind vergangen, in denen er das Drehbuch umgeschrieben hat. Jetzt arbeitet Kaige wie ein Besessener, damit sein Streifen bis zum Filmfestival von Cannes im Mai im Kasten ist. Er ist die Nummer Eins des chinesischen Kinos der Neunziger und trat in die Fußstapfen seines Vaters (sein Vater, Chen Huai’ai, war ein Monument des Kinofilms der Nachkriegszeit). Chen Kaige ist dafür bekannt, dass er das Maximum aus seinen Darstellern herausholt und ihre Geduld zuweilen auf eine harte Probe stellt. Das gilt gleichermaßen für die chinesische Regierung, die seine Filme jahrelang auf den Index gesetzt-, geschnitten und zensiert hat, bis sie am Ende seine Qualitäten als Meister des zeitgenössischen Kinos anerkennen musste.

       Der neue Film Temptress Moon, der bislang bereits sechs Millionen Dollar gekostet hatte, repräsentiert in gewisser Hinsicht symbolisch die aktuelle Realität des chinesischen Kinos, eine Gratwanderung zwischen Liberalismus und Repression, projiziert auf die Weltmärkte, die Füße fest verwurzelt am Boden des Vaterlandes; Kosmopolit und engstirniger Patriot zugleich. Der Filmset erscheint einem wie ein Mikrokosmos des modernen China.

       Die Protagonisten sind vom Feinsten was aktuell von den «drei Chinas» geboten wird: Hong Kong (Leslie Cheung), Taiwan (Lìn Chien) und die Volksrepublik China