«За вдохновенное творчество, в котором проявились классические идеалы гуманизма, а также за блестящий стиль». Он также лауреат многочисленных литературных премий; был избран Почетным доктором Бернского унивеситета, Почетным гражданином города Кальв, Почетным гражданином Коммуны Коллина-д’Оро.
Герман Гессе умер 9 августа 1962 года в Монтаньоле.
Его произведения неоднократно экранизировались: «Сиддхартха» (1972), «Степной волк» (1974), «Душа ребенка» (телефильм, 1981).
Роман »Gertrud« написан в 1909 году (журнальный вариант) и вышел отдельным изданием в 1910-м году.
«Гертруда» – роман о художественно одаренной личности, музыканте; история его исканий, становления как композитора, непростой личной жизни. Роман, отличающийся глубоким психологизмом, в большой степени отражает собственную судьбу писателя, его переживания.
Работа над этим произведением длилась более двух лет, а когда роман был завершен, Гессе переписал его, изменив повествователя, – наиболее оправданным он посчитал субъективный рассказ от первого лица, способного с наибольшей полнотой и глубиной выразить переживания, душевное состояние героя.
Роман »Gertrud« издается без сокращений; сохранена пунктуация автора.
Erstes Kapitel
Wenn ich, von außen her, über mein Leben weg schaue, sieht es nicht besonders glücklich aus. Doch darf ich es noch weniger unglücklich heißen[3], trotz aller Irrtümer. Es ist am Ende auch ganz töricht, so nach Glück und Unglück zu fragen, denn mir scheint, die unglücklichsten Tage meines Lebens gäbe ich schwerer hin als alle heiteren. Wenn es in einem Menschenleben darauf ankommt, das Unabwendbare mit Bewusstsein hinzunehmen, das Gute und Üble recht auszukosten und sich neben dem äußeren ein inneres, eigentlicheres, nicht zufälliges Schicksal zu erobern, so war mein Leben nicht arm und nicht schlecht. Ist das äußere Schicksal über mich hingegangen wie über alle, unabwendbar und von Göttern verhängt, so ist mein inneres Geschick doch mein eigenes Werk gewesen, dessen Süße oder Bitterkeit mir zukommt und für das ich die Verantwortung allein auf mich zu nehmen denke.
Manchmal in früheren Jahren habe ich gewünscht, ein Dichter zu sein. Wäre ich einer, so widerstünde ich der Lockung nicht, meinem Leben bis in die zarten Schatten der Kinderzeit und bis zu den lieben, zärtlich gehüteten Quellen meiner frühesten Erinnerungen nachzugehen. So aber ist mir dieser Besitz allzu lieb und heilig, als dass ich ihn mir etwas selber verderben möchte. Von meiner Kindheit ist nur zu sagen, dass sie schön und heiter war; man ließ mir die Freiheit, meine Neigungen und Gaben selber zu entdecken, mir meine innigsten Freuden und Schmerzen selber zu schaffen und die Zukunft nicht als fremde Macht von oben, sondern als die Hoffnung und den Erwerb meiner eigenen Kräfte anzusehen. So ging ich unberührt durch die Schulen, als ein unbeliebter und wenig begabter, doch ruhiger Schüler, den man am Ende gewähren ließ, da er keine starken Einflüsse zu dulden schien.
Etwa von meinem sechsten oder siebenten Jahr an begriffich, dass von allen unsichtbaren Mächten die Musik mich am stärksten zu fassen und zu regieren bestimmt sei. Von da an hatte ich meine eigene Welt, meine Zuflucht und meinen Himmel, den mir niemand nehmen oder schmälern konnte und den ich mit niemand zu teilen begehrte. Ich war Musiker, obwohl ich vor meinem zwölften Jahre kein Instrument spielen lernte und nicht daran dachte, später mein Brot mit Musikmachen verdienen zu wollen.
Dabei ist es seither geblieben, ohne dass etwas Wesentliches sich geändert hat, und darum erscheint mir beim Rückblick mein Leben nicht bunt und vielgestaltig, sondern von Anfang an auf einen Grundton gestimmt und auf einen einzigen Stern gestellt. Mochte es sonst wohl oder übel gehen, mein innerstes Leben blieb unverändert. Ich mochte lange Zeiten auf fremden Wassern treiben[4], kein Notenheft und kein Instrument anrühren, eine Melodie lag mir doch zu jeder Stunde im Blut und auf den Lippen, ein Takt und Rhythmus im Atemholen des Lebens. So begierig ich auf manchen anderen Wegen nach Erlösung, nach Vergessen und Befreiung suchte, so sehr ich nach Gott, nach Erkenntnis und Frieden dürstete, gefunden habe ich das alles immer nur in der Musik. Es braucht nicht Beethoven oder Bach zu sein: – dass überhaupt Musik in der Welt ist, dass ein Mensch zuzeiten bis ins Herz von Takten bewegt und von Harmonien durchflutet werden kann, das hat für mich immer wieder einen tiefen Trost und eine Rechtfertigung alles Lebens bedeutet. O Musik! Eine Melodie fällt dir ein, du singst sie ohne Stimme, nur innerlich, durchtränkst dein Wesen mit ihr, sie nimmt von allen deinen Kräften und Bewegungen Besitz[5] – und für die Augenblicke, die sie in dir lebt, löscht sie alles Zufällige, Böse, Rohe, Traurige in dir aus, lässt die Welt mitklingen, macht das Schwere leicht und das Starre beflügelt! Das alles kann die Melodie eines Volksliedes tun! Und erst die Harmonie! Schon jeder wohllautende Zusammenklang rein gestimmter Töne, etwa in einem Geläut, sättigt das Gemüt mit Anmut und Genuss und steigert sich mit jedem hinzuklingenden Ton und kann zuweilen das Herz entzünden und vor Wonne zittern machen, wie keine andere Wollust es vermag.
Von allen Vorstellungen reiner Seligkeit, die sich Völker und Dichter erträumt haben, schien mir immer die höchste und innigste jene vom Erlauschen der Sphärenharmonie. Daran haben meine tiefsten und goldensten Träume gestreift – einen Herzschlag lang den Bau des Weltalls und die Gesamtheit alles Lebens in ihrer geheimen, eingeborenen Harmonie zu hören. Ach, und wie kann denn das Leben so wirr und verstimmt und verlogen sein, wie kann nur Lüge, Bosheit, Neid und Hass unter Menschen sein, da doch jedes kleinste Lied und jede bescheidenste Musik so deutlich predigt, dass Reinheit, Harmonie und brüderliches Spiel klar gestimmter Töne den Himmel öffnet! Und wie mag ich selber schelten und zürnen, da ich selber, mit allem guten Willen, aus meinem Leben kein Lied und keine reine Musik habe machen können! Im Innersten spüre ich wohl den unabweislichen Mahner, das dürstende Verlangen nach einem reinen, wohlgefälligen, in sich seligen Tönen und Verklingen; meine Tage aber sind voll Zufall und Missklang, und wohin ich mich wende, und wo ich poche, er tönt mir nirgends lauter und klar zurück.
Nichts