nicht mehr vom Fleck rühren.
Sie schreit aus Leibeskräften um Hilfe:
„Hilfe, Hilfe, herbei, Adeline, Hofmarschall, Soldaten, Mama, Papa, herbei, helft mir!“
Der ganze Hofstaat kommt gelaufen und drängt sich, fast übereinanderfallend, in Angst und Schrecken versetzt ob dieses markerschütternden Geschreis in das Gemach. König Klumperdeick und Königin Friedolinde stürzen als Letzte, sie sind nicht mehr so gut bei Fuß, keuchend ins Zimmer und müssen sich den Weg durch die Menge erkämpfen, so dicht gedrängt steht das Volk auf das entsetzliche Schauspiel starrend, welches sich seinen Augen bietet.
Von den Versammelten weiß jeder, dass gegen die Zauberin Melawiene nichts auszurichten ist, denn sie ist mächtig. Sie tritt vor das Königspaar und spricht freundlich: „Die Prinzessin kann erlöst werden, wenn jemand kommt und gut für sie spricht. Nur ein einziger Mensch, der etwas Gutes über sie zu berichten weiß, kann sie erlösen.“
Unverzüglich werden die Umstehenden vom königlichen hohen Paar aufgefordert, Gutes zu sagen, aber da leert sich der Raum jählings, ein jeder und jede versucht mit gesenktem Kopf davonzuschleichen. Der König erwischt noch den Koch und Adeline, die Magd, am Schlafittchen und befiehlt:
„Sagt ihr etwas Gutes über mein liebes Kind!“, aber der Koch schüttelt den Kopf und antwortet: „Selbst wenn es meine Stellung kosten sollte, ich kann nichts Gutes sagen, so gerne ich möchte. Eure Tochter ist jähzornig und ungerecht.“
Die Magd Adeline sagt:
„Sie ist eitel und gemein.“
Da ergeht der Befehl des Königs an alle Bewohner im Lande, sich im Schloss einzustellen und etwas Gutes über die Prinzessin zu sagen. Auch der Prinz Lariliri erscheint und sagt: „Sosehr ich ihre Schönheit und ihren Anmut bewundere, sie ist hochnäsig und grausam.“
Müsjoh Schapkas Meinung:
„Sie ist böse und ungehobelt.“
Im ganzen Lande will sich niemand finden, der über die Prinzessin Rosemunde etwas gutsagen kann.
Doch das königliche Elternpaar gibt nicht auf. Rittersleut aus nah und fern werden gerufen, um den Ranken mit ihren scharfgeschliffenen Schwertern, natürlich unter Berücksichtigung der erforderlichen Sorgfalt, denn die schöne Gefangene könnte verletzt werden, den Garaus zu machen. Vergebliche Liebesmüh! Nun versuchen es Zimmerleute mit Sägen, Holzfäller mit Äxten, Gärtner mit riesigen Gartenscheren, die Schlingen zu zerteilen, alles vergebens. Sobald ein Zweig durchtrennt ist, wächst augenblicklich ein neuer nach.
So hängt sie an der Wand, gehalten von den unerbittlichen Schlingpflanzen, und muss sich füttern und pflegen lassen wie ein kleines Kind. Sie weint Tag und Nacht, denn an Schlaf ist kaum zu denken, Arme und Beine schmerzen, und überall hat sie schon blaue Flecken. Darunter leidet naturgemäß auch ihre Schönheit: Verquollene Augen, trockene Lippen, das glänzende Haar ist stumpf geworden, obwohl doch alles getan wird, sie zu versorgen. Der König und die Königin sind verzweifelt und haben keine Hoffnung mehr.
Da klopft eines Tages ein einfacher Bursche vom Land an das Schlosstor und bittet, vorgelassen zu werden, indem er behauptet:
„Ich, der Schustergesell Florestan, weiß etwas Gutes über die Prinzessin Rosemunde zu sagen!“
Wie man sich denken kann, wird flugs seinem Wunsch entsprochen. Lange hat es gedauert, bis er von dem Unglück erfahren hat, denn er war auf Wanderschaft als Handwerksgeselle. Als er aber von dem Fluch gehört hat, ist er ohne zu zögern aufgebrochen, um die Prinzessin zu erlösen.
Seine Geschichte lautet folgendermaßen:
Vor langer Zeit sei die Prinzessin einmal mit der Kutsche an ihrem Dorfweiher vorbeigefahren, sie habe angehalten und sei ausgestiegen, um sich ihr Spitzentüchlein zu wässern und sich zur Erfrischung die Augen damit zu benetzen, und habe dort ihn angetroffen. Er habe am Weiher gesessen und geweint, seine Arme um die Knie geschlungen und vor sich hin geschluchzt. Die Prinzessin, die damals noch ein Kind war, er selbst nicht viel älter als sie, und wie Kinder so sind, noch ein mitleidiges und empfängliches Herz hatte, habe ihn nach der Ursache seines Kummers befragt. Da erzählte er ihr, dass seine Mutter schwer krank mit einer Lungenentzündung darniederliege und sie das Geld für einen Arzt nicht aufbringen könnten, so müsse die Mutter womöglich, nein, sehr wahrscheinlich sterben. Er habe erneut aufgeschluchzt, die Hände vors Gesicht geschlagen, und die Tränen seien ihm durch die Finger gequollen, so bitterlich und verzweifelt habe er damals um seine kranke Mutter geweint. Da habe die Prinzessin von ihrem Halse die Perlenkette genommen und sie ihm geschenkt, sie sei viele goldene Dukaten wert, habe sie gesagt und ihm und seiner Mutter alles Gute und Genesung gewünscht. Dann sei sie mit der Kutsche davongefahren und habe noch mit ihrem feinen Spitzentüchlein zum Abschied gewinkt. So sei die Mutter dank des gütigen Herzens der Prinzessin wieder genesen.
Als die Königin und der König die Geschichte hören, fallen sie sich vor Glück und Erleichterung in die Arme. Jetzt endlich kann die Prinzessin aus ihrer qualvollen Lage befreit werden! Wo ist die verdammte Zauberin, sie soll doch ihren Erlösungsspruch sprechen! Und Potzblitz und Zack, da ist sie wieder:
„Komme wie gerufen und beschworen…“, Zauberin Melawiene hebt ihren Zauberstab und … eine Weile verharrt er unbeweglich in der Luft.
Eine Weile tut sich nichts, Melawiene zögert. Das Königspaar, Florestan und mit angstvoll weit aufgerissenen Augen die Prinzessin halten den Atem an. Die Zauberin senkt den Zauberstab wieder und sagt:
„Ich weiß, ich habe versprochen, sie zu erlösen, wenn jemand etwas Gutes über sie sagt. Ich habe aufgrund ihres wankelmütigen Wesens Bedenken, dass sie nach kurzer Zeit wieder rückfällig wird. Damit sie jedoch zu ihrem eigenen Besten eine nachhaltige Lehre daraus zieht, muss sie noch eine Bedingung erfüllen! Sie soll diesen wackeren Burschen heiraten und ein Jahr mit ihm in seinem Dorf leben. Hat sie diese Probezeit bestanden, kann sie wieder ins Schloss zurückkehren und dort mit ihrem Gemahl glücklich werden!“
„WAS? Ich soll diesen Bauerntölpel heiraten?“, tönt es aus dem Munde der an die Wand gefesselten Prinzessin, aber schnell beißt sie sich auf die Zunge und lässt zuckersüß die Worte folgen: „… den wackeren Landmann heiraten, mit Freuden! Nur befreit mich endlich!“
Die Zauberin spricht nun ihren Erlösungsspruch, der ungefähr so ging:
„Contrabus, Ambraxom librax mobilitas, perpetuum, dreht alles um!“ Alle bei dieser Zeremonie Anwesenden wurden auf Dringlichste von Melawiene gewarnt, ihn jemals auszusprechen, da es entsetzliche, unumkehrbare Folgen für jeden einzelnen habe würde. Von der großen unvergleichlichen Zauberin selbst besprochen, zeitigt er unverzüglich die ersehnte Wirkung: Die Schlingpflanzen fallen von Rosemunde ab wie welkes Laub.
Nun wird ein dankbares Freudenfest im Schloss gefeiert, wie es seinesgleichen noch nicht gefunden hat, und gleich am nächsten Tag Hochzeit, da waren die Hochzeitsfeierlichkeiten von Babs und Arne, dem Traumpaar jenes Jahres, wie etliche einschlägig bekannte Blätter und TV-Magazine schlagzeilten, ein Klacks dagegen. Im Königreich Klumperdeick sind allerdings keine Kameras zugegen, um das alles einzufangen, dabei hätte es uns doch wirklich interessiert, aber so müssen wir uns auf unsere Vorstellungskraft verlassen.
Die Prinzessin muss nun wohl oder übel, wohl mehr übel, mit ihrem Angetrauten aufs Land ziehen. Es lässt sich denken, dass der König und die Königin es nicht zugelassen haben, dass Florestan und Rosemunde in einer ärmlichen Hütte hausen müssen. Sie haben für das Paar als Hochzeitsgeschenk ein stattliches Bauernhaus mit einem malerischen, gleichzeitig ertragreichen Bauerngarten erstanden, ein Stück Land und Vieh dazu. Und, was soll man sagen, die Prinzessin findet Freude an dem einfachen Leben, sie lernt Brot backen, sieht begeistert zu, wenn der Teig geht und aus dem Backofen der Duft von frisch Gebackenem dringt, wäscht Wäsche im Bottich und hängt die frische Wäsche mit einem Lied auf den Lippen an der Leine auf. Sie wird dabei schöner und schöner und die Dorfbewohner lieben sie ob ihres freundlichen heiteren Wesens und ihrer holden