wünschte sich plötzlich, Blaine wäre noch hier, und sie könne mit ihm reden.
Blaine schien immer zu wissen, was er sagen sollte.
Sie hatte die Ruhe zwischen den Fällen für eine Weile genossen, aber nach und nach hatten sich die Sorgen eingeschlichen, vor allem um ihre Familie und heute auch um Bill.
Es fühlte sich kaum nach Urlaub an.
Riley kam nicht umhin, sich zu fragen....
Stimmt etwas nicht mit mir?
War sie irgendwie unfähig, ein ruhiges Leben zu genießen?
Jedenfalls wusste sie, dass sie sich einer Sache sicher sein konnte.
Diese Flaute würde nicht lange anhalten. Irgendwo beging gerade irgendein Monster eine abscheuliche Tat—und es lag an ihr, es aufzuhalten.
KAPITEL VIER
Am nächsten Morgen wurde Riley durch das Vibrieren ihres Telefons geweckt.
Sie stöhnte laut, als sie sich schüttelte, um wach zu werden.
Die Flaute ist wohl vorbei, dachte sie bei sich.
Sie schaute auf ihr Handy und sah, dass sie Recht hatte. Es war eine SMS von ihrem Teamchef bei der BAU, Brent Meredith. Es war ein Aufruf, ihn zu treffen, und er in dem für ihn typischen knappen Stil verfasst....
BAU, 8:00 Uhr.
Sie schaute auf die Uhr und merkte, dass sie sich beeilen musste, um es noch rechtzeitig zu diesem so kurzfristig angesetzten Termin zu schaffen. Quantico war nur eine halbe Stunde Fahrt von zu Hause entfernt, dennoch musste sie hier schnell wegkommen.
Riley brauchte nur Minuten, um ihre Zähne zu putzen, ihre Haare zu kämmen, sich anzuziehen und nach unten zu eilen.
Gabriela machte in der Küche bereits Frühstück.
„Ist der Kaffee schon fertig?“, fragte Riley sie.
„Sí", sagte Gabriela und schenkte ihr eine heiße Tasse ein.
Riley nippte eifrig an ihrem Kaffee.
„Müssen Sie ohne Frühstück aus dem Haus?“, fragte Gabriela sie.
„Ich fürchte ja."
Gabriela gab ihr einen Bagel.
„Dann nehmen Sie das mit. Sie müssen etwas in Ihrem Magen haben."
Riley dankte Gabriela, nahm noch ein paar Schlücke von dem Kaffee und eilte zu ihrem Auto.
Während der kurzen Fahrt nach Quantico überkam sie ein merkwürdiges Gefühl.
Tatsächlich fühlte sie sich besser als in den letzten Tagen, beinahe euphorisch.
Zum Teil kam das sicherlich durch den Adrenalinschub, der sie durchfuhr, als ihr Geist und ihr Körper sich auf einen neuen Fall vorbereiteten.
Aber es war auch etwas ziemlich Beunruhigendes––ein Gefühl, als ob wieder Normalität einkehrte.
Riley seufzte bei dieser Einsicht.
Sie fragte sich, was es bedeutete, dass sich die Jagd auf Monster für sie normaler anfühlte, als Zeit mit den Menschen zu verbringen, die sie liebte?
Es kann einfach nicht.... naja, normal sein, dachte sie.
Schlimmer noch, es erinnerte sie an etwas, das ihr Vater, ein brutaler und bitterer pensionierter Marineoffizier, zu ihr gesagt hatte, bevor er starb.
„Du bist eine Jägerin. Was die Leute ein normales Leben nennen, würde dich umbringen, wenn du es zu lange leben müsstest."
Riley wünschte von ganzem Herzen, dass es nicht wahr sei.
Aber in Zeiten wie diesen konnte sie nicht anders, als sich Sorgen zu machen––war es unmöglich für sie, die Rollen der Frau, Mutter und Freundin dauerhaft zu besetzen?
War es hoffnungslos, es überhaupt zu versuchen?
War ‚die Jagd‘ das Einzige, was in ihrem Leben wirklich zu ihr gehörte?
Nein, definitiv nicht das Einzige.
Sicherlich nicht einmal das Wichtigste.
Entschlossen versuchte sie die unangenehme Frage aus ihrem Kopf zu bekommen.
Als sie das BAU-Gebäude erreichte, parkte sie und eilte in Brent Meredith Büro.
Als sie ankam, sah sie, dass Jenn schon da war und viel fröhlicher und wacher aussah, als Riley sich fühlte. Riley wusste, dass Jenn, wie Bill, eine Wohnung in Quantico hatte, also hatte sie sich weniger beeilen müssen. Doch einen Teil von Jenns frühmorgendlicher Frische schrieb Riley auch deren Jugend zu.
Riley war als sie noch jünger gewesen war, genauso gewesen––sofort und zu jeder Tages- und Nachtzeit zum Arbeiten bereit, und stets in der Lage, für längere Zeit ohne Schlaf auszukommen, wenn der Job es so verlangte.
Lagen diese Tage hinter ihr?
Es war kein angenehmer Gedanke, der nicht half, Rileys ohnehin schon getrübte Stimmung aufzuhellen.
Brent Meredith machte, so wie er da an seinem Schreibtisch saß, mit seinen schwarzen, kantigen Zügen, seinem breiten Körperbau und seiner immerwährenden Bodenständigkeit, wie immer eine beeindruckende Figur.
Riley setzte sich und Meredith verlor keine Zeit, sondern kam sofort zur Sache.
„Heute Morgen gab es einen Mord. Es geschah am öffentlichen Strand des Naturschutzgebietes Belle Terre. Ist eine von Ihnen mit den Örtlichkeiten vertraut?"
Jenn sagte: „Ich war einige Male dort. Ein toller Ort zum Wandern."
„Ich war auch schon dort", entgegnete Riley.
Riley erinnerte sich gut an das Naturschutzgebiet. Es war an der Chesapeake Bay, kaum mehr als zwei Autostunden von Quantico entfernt. Dort gab es mehrere hundert Hektar Wald und eine Bucht mit einem breiten, öffentlich zugänglichen Strand. Das Gebiet war bei Natur- und Sportbegeisterten sehr beliebt.
Meredith trommelte mit seinen Fingern auf seiner Schreibtischplatte.
„Das Opfer war Todd Brier, ein lutherischer Pastor aus dem nahen Sattler. Er wurde am Strand bei lebendigem Leibe begraben."
Riley schüttelte es innerlich.
Lebendig Begraben!
So etwas war in ihren Albträume schon vorgekommen, aber nie hatte sie an einem Fall gearbeitet, in dem es um diese Art grausigen Mordes ging.
Meredith fuhr fort: „Brier wurde heute Morgen gegen sieben Uhr gefunden, und es sah so aus, als wäre er erst seit einer Stunde tot gewesen."
Jenn fragte: „Was macht diesen Mord zu einem Fall für das FBI?"
Meredith sagte: „Brier ist nicht das erste Opfer. Gestern wurde in der Nähe bereits die Leiche einer jungen Frau namens Courtney Wallace gefunden."
Riley unterdrückte einen Seufzer.
„Sagen Sie nichts", sagte sie. „Auch sie wurde bei lebendigem Leib begraben.“
„Sie sagen es", sagte Meredith. „Sie wurde auf einem der Wanderwege im gleichen Naturschutzgebiet getötet, offenbar ebenfalls am frühen Morgen. Später am Tag wurde sie dann entdeckt, als ein Wanderer auf die aufgewühlte Erde stieß und den Parkwächter rief."
Meredith lehnte sich in seinem Stuhl zurück und drehte sich leicht hin und her.
Er sagte: „Bisher haben die örtlichen Polizisten keine Verdächtigen oder Zeugen. Abgesehen von den jeweiligen Orten und dem Modus Operandi des Mörders, haben sie überhaupt nicht viel. Beide Opfer waren junge, gesunde Menschen. Bislang reichte die Zeit nicht, um herauszufinden,