Sophie Love

Eine Liebe im Schnee


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Keira überhaupt die Chance hatte, darüber zu stöhnen, sah Mallory Bryn mit glitzernden und zusammengekniffenen Augen an.

      „Höre auf mich zu treten, junge Frau!“, rief sie aus. „Wenn ich nicht frage, erzählt sie es mir ja nicht. Wie sonst soll ich denn wissen, was im Leben meiner Tochter vor sich geht? Eine Minute war er Mr. Right und dann war er Mr. Weg. Und ich weiß nicht, was passiert ist.“

      Bockigkeit war noch eine von Mallorys angetrunkenen Eigenschaften.

      Keira seufzte: „Es ist schon gut. Es ist an der Zeit, dass ich mal darüber spreche, was passiert ist.“ Sie stellte ihr Weinglas ab. Wenn sie diejenige war, die die Unterhaltung kontrollierte, hatte sie wenigstens eine Ausrede, nicht noch mehr von dem Rosé Wein trinken zu müssen. „Ich habe nicht von ihm gehört, seitdem ich mit ihm Schluss gemacht habe. Ich dachte wirklich, wir würden Freunde bleiben. Es fühlte sich an, wie eine reife, einvernehmliche Trennung, weißt du? So, als wüssten wir beide, dass es nicht richtig war. Aber seitdem ist es, als wäre er vom Erdboden verschluckt. Keinerlei Kommunikation. Ich meine, bin ich die Idiotin, dass ich denke, man könnte mit seinem Ex befreundet sein? Das Gleiche ist mit Shane passiert.“

      „Oh mein Schatz, ich bin die Falsche mit dieser Frage“, antwortete Mallory. „Du weißt doch gut genug, wie desaströs mein Liebesleben gewesen ist.“

      Wenn Keira eine Bingo-Karte hätte, für Dinge, die ihre Mutter mit ihr diskutiert hatte, wenn sie getrunken hatte, hätte sie mit Sicherheit inzwischen alle Kästchen abgehakt. Karriere. Abgehakt. Schmerzhaftes, gebrochenes Herz. Abgehakt. Und jetzt die große Nummer: ihr Vater.

      Keira kannte die Geschichte nur zu gut, aber das stoppte Mallory nicht, sie immer wieder anzusprechen. Er war ihre eine große Liebe gewesen, sie waren jung und dachten es könnte funktionieren, er konnte mit der Verantwortung Kinder zu haben nicht umgehen, er verließ sie, mittellos in einer großen Stadt mit zwei kleinen Kindern. Obwohl sie ihren Vater nie getroffen hatte, war Keira sich sicher, dass seine Abwesenheit eine große Rolle dabei spielte, dass sie selbst nicht in der Lage war, eine glückliche Beziehung aufrechtzuerhalten. Und er war definitiv der Grund, warum Bryn sich mit einem alten Mann eingelassen hatte.

      Mallory schwenkte ihr Glass vor ihrem Gesicht hin und her und verschüttete einen Teil der pinkfarbenen Flüssigkeit auf den Tisch vor sich. „Ich will aber eines sagen. Gebrochene Herzen, so wie gebrochene Knochen, sind stärker, nachdem sie wieder geheilt sind.“

      Keira hob eine Augenbraue. Das war ehrlich gesagt recht einfühlsam, dafür dass es von Mallory kam.

      „Wen zitierst du denn damit, Mom?“, fragte Bryn. „Oprah Winfrey?“

      „Ich weiß nicht, wen“, erwiderte Mallory schnippisch. „Vielleicht stand es in einem Glückskeks. Ist doch egal. Der Punkt ist, du wirst darüber hinwegkommen und du wirst etwas daraus lernen und du wirst heilen und dein Herz wird weiterleben.“

      „Oh, den kenn ich. Das ist Celine Dions ‚your heart will go on’“, sagte Bryn.

      Mallory sah sie an und verzog ihr Gesicht. „Kannst du deine Witze mal lassen, Bryn! Ich versuche Keira aufzumuntern.“

      „Das tust du ja, Mom“, sagte Keira bedeutungsvoll, als sie das erste Mal seit einer Weile wieder etwas sagte. „Du hilfst mir genaugenommen sehr, Bryn auch, auf ihre Art.“ Sie lächelte ihre Schwester an. Bryn hatte sich in den letzten Wochen mit einer Menge von Keiras Launen abgeben müssen, genau wie damit, dass sie tagelang in ungewaschener Kleidung herumlungerte und überaus reizbar gewesen war. Jetzt fühlte es sich wie ein guter Moment an, sie beide wissen zu lassen, was heute Nachmittag mit der Immobilienmaklerin passiert war. „Um ehrlich zu sein, habe ich Neuigkeiten. Gute Neuigkeiten.“

      „Oh?“, fragten sie beide im Chor.

      Plötzlich fühlte sich Keira schüchtern. Eine Wohnung zu mieten, war ein riesiger Schritt für sie, für sie alle wahrscheinlich. Es würde ein Übergang sein, endlich, von einem Mädchen zu einer Frau. Für Mallory würde es das Ende ihrer andauernden Sorge sein, wie ihre Jüngste mit der Welt zurechtkam. Für Bryn würde es bedeuten, dass sie ihre Unabhängigkeit wieder zurückbekam, weniger Verantwortung tragen zu müssen, die Last, die sie seit jeher als ältere der beiden Schwestern auf ihren Schultern trug, würde ein wenig leichter werden.

      „Ich habe eine Anzahlung für eine Kaution hinterlegt, um meine eigene Wohnung zu mieten.“

      Es gab einen Moment verblüffter Stille. Dann begann Bryn zu jubeln. Mallory zeigte ein breites Grinsen.

      „Schatz, ist das wahr?“, fragte sie.

      Keira lächelte schüchtern und nickte. „Ja.“

      Bryn sprang plötzlich von ihrem Stuhl auf. Sie kam herum zu Keira und warf ihre Arme um ihren Hals. „Oh, GOTT SEI DANK!“, rief sie.

      Keira musste in ihrer engen Umarmung lachen. „Okay, okay, ich weiß, ich war nervig, aber echt mal!“

      Bryn ließ etwas lockerer. „Es ist nicht, dass du nervig warst“, sagte sie, „es ist nur, dass Felix... nun, er hat mich gefragt, ob wir zusammenziehen wollen. Und ich habe mich etwas zurückgehalten...“

      „Ich wusste es!“, rief Keira.

      Auf der anderen Seite des Tisches brach Mallory in Tränen aus. „Meine beiden Mädchen sind so erwachsen.“

      Natürlich konnte nun das letzte Kästchen auf der Bingo-Karte abgehakt werden. Weinen!

      *

      Keira ging hinaus in die kalte Nachtluft und zog ihren Mantel näher um sich. Das Abendessen mit ihrer Mom und Bryn war erfrischend gewesen. Sie hatte es wesentlich mehr genossen, als sie es erwartet hätte.

      Bryn war auf ihrem Weg zu Felix, wo sie die Nacht verbringen wollte, also hatte Keira die Wohnung zu sich selbst. Sie war jedoch ziemlich müde und fühlte sich danach, gleich ins Bett zu gehen. Morgen würde sie wieder zurück ins Büro müssen und sie wollte sich frisch und erholt fühlen. Die letzten paar Wochen war sie so grummelig gewesen. Hoffentlich würde ihre positive Einstellung sich bis morgen halten.

      Vor sich sah sie das U-Bahn-Schild. Als sie in dessen Richtung lief, konnte Keira eine Vibration in ihrer Tasche spüren. Ihr Handy. Sie griff in die Tasche und zog das Telefon heraus.

      Zu ihrer Überraschung war es dieses Mal eine Textnachricht von Cristiano. Als sie sie öffnete, schien ihr Herz fast aufzuhören zu schlagen.

      Wer auch immer das ist, lass Cristiano in Ruhe. Er hat ein neues Leben.

      Keira starrte die Nachricht an und war schockiert. Die Nachricht war gar nicht von Cristiano, sondern von jemandem, der sein Handy benutzte. Eine neue Freundin?

      Das Herz rutschte ihr in die Knie. All die gute Arbeit, die sie an diesem Abend geleistet hatte, schien sich plötzlich tief in ihr drinnen aufzulösen. Wie konnte er sich so schnell neu orientiert haben? Nach all den Gesprächen, die sie geführt hatten, darüber, dass er nur mit einer Frau ausgehen würde, wenn er sich vorstellen konnte, sie zu heiraten. Wie viele gab es davon denn für ihn, dass er innerhalb so kurzer Zeit eine Neue gefunden hatte? Heiratsmaterial in Cristianos Augen zu sein, schien offensichtlich wirklich nicht viel zu bedeuten. Hatte er Keira getäuscht?

      Sie warf ihr Handy zurück in ihre Handtasche. Wütend stürmte sie die Treppe zur U-Bahn hinunter und hinein in die wartende Bahn. Sie warf sich auf einen Sitz und starrte das schwarze Fenster an.

      Ihre Gedanken schienen sich schier zu überschlagen, gedanklich nahm sie all die gemeinsam verbrachten Momente auseinander und suchte nach irgendetwas Bedeutsamen, irgendwelchen neuen Hinweisen in der Zeit, die sie zusammen verbracht waren.

      Aber je mehr sie darüber nachdachte, desto weniger wurde ihre Wut. Anstatt an dem schlimmstmöglichen Szenario festzuhalten, welches sich ihre Gedanken zusammenreimen konnten—das Cristiano sie angelogen hatte, darüber dass er in Herzensangelegenheiten vorsichtig war—schaffte sie es, sich