Bewegung, welche die Ebene oder die Thäler erschüttert, die wilde und feindselige Unabhängigkeit der Briganten.
Und nun, nachdem wir den Vorhang des Theaters aufgezogen, wollen wir die Personen auftreten lassen.
Dieselben theilen sich in drei Gruppen.
Die Männer, welche sich verständig nennen, nicht weil sie wirklich Verstand besäßen, sondern weil die Jugend sie verlassen hat, bilden auf der Terrasse, um einen Tisch herum sitzend, der mit langhalsigen und Stroh geflochtenen Flaschen bedeckt ist, die erste Gruppe, bei welcher Meister Antonio della Rota den Vorsitz führt.
Die jungen Männer und die jungen Mädchen, welche unter den Vortritte Peppinos und Francescas, das heißt der Verlobten, welche sich vermählen wollen, die Tarantella oder vielmehr Tarantellen tanzen, bilden die zweite Gruppe.
Die dritte endlich besteht aus den drei Musikanten des Orchesters. Einer dieser Musikanten kratzt die Guitarre, die beiden andern schlagen die Schellentrommel.
Der Guitarrenspieler sitzt auf der letzten Stufe der Treppe, welche die Terrasse mit dem Hofe verbindet; die beiden Andern sind neben ihm stehen geblieben, um die Freiheit ihrer Bewegungen zu bewahren und in gewissen Augenblicken ihre Trommeln mit dem Ellbogen, dem Kopf und dem Knie zu schlagen.
Der einzige Zuschauer dieser drei Gruppen ist ein junger Mann von zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren, der auf einer halb verfallenen Mauer sitzt oder vielmehr lehnt welche halb zu dem Hause Don Antonios, halb zu dem Hause des Sattlers Giansimone, seines Gevatters und Nachbars, gehört, so daß man nicht recht sagen kann, ob dieser junge Mann sich jetzt bei dem Sattler oder bei dem Stellmacher befindet.
Dieser Zuschauer, so unbeweglich er sich auch verhält und so gleichgültig er auch zu sein scheint, ist ohne Zweifel ein Gegenstand der Unruhe für Antonio, für Francesca und für Peppino, denn von Zeit zu Zeit richten sich ihre Blicke auf ihn mit einem Ausdrucke, welcher verräth, daß ihnen die Abwesenheit dieses unangenehmen Nachbars lieber wäre, als seine Gegenwart.
Da die andern Personen, welche wir soeben dem Augenscheine unserer Leser vorgeführt, in unserem Drama nur Statisten oder doch beinahe dergleichen sind, und da dieser junge Mann allein eine Rolle von einiger Bedeutung darin spielen wird, so werden wir uns vorzugsweise mit ihm beschäftigen.
Er ist, wie wir schon bemerkt haben, ein Jüngling von zwanzig- bis zweiundzwanzig Jahren. Sein Haar ist blond, beinahe roth; er hat große blaue Augen, in welchen sich eine bemerkenswerthe Intelligenz, zu gewissen Augenblicken aber auch eine unerhörte Wildheit spiegelt. Seine Gesichtsfarbe, welche in seiner Jugend nicht den Einwirkungen der Luft ausgesetzt gewesen ist, läßt einige Sommersprossen durchschimmern, seine Nase ist gerade, seine Lippen sind schmal und lassen, wenn sie sich öffnen, zwei Reihen kleiner Zähne sehen, welche weiß und scharf sind wie die eines Schakals.
Sein erst im Entstehen begriffener Bart ist von röthlichgelber Farbe und, um das Porträt dieses seltsamen jungen Mannes, der halb wie ein Landmann, halb wie ein Stadtbewohner aussieht, zu vollenden, bemerken wir, daß in seinem Gange, in seinen Kleidern und sogar in dem neben ihm liegenden breitkrämpigen Hute sich etwas kundgibt, was den ehemaligen Seminaristen verräth.
Er ist der jüngste von drei Brüdern, Namens Pezza. Da er von schwächerem Körperbau ist als seine beiden ältesten Brüder, welche Ackerknechte sind, so haben seine Eltern ihn anfangs wirklich für die Kirche bestimmt, denn der große Ehrgeiz eines Landmannes der Abruzzen, der Basilicata oder Calabriens ist, ein Kind zu haben, welches dem geistlichen Stande angehört.
Demzufolge hat sein Vater ihn auf die Schule in Itri gebracht und, nachdem er lesen und schreiben gelernt, bei dem Pfarrer der Kirche zum heiligen Erlöser den Posten eines Sacristans für ihn erlangt.
Alles ging mit ihm gut bis zu seinem fünfzehnten Jahre. Die Salbung, womit der Knabe ministrirte, die fromme Miene, womit er bei den Processionen das Weihrauchfaß schwenkte, die Demuth, womit er das Glöckchen läutete, wenn einem Sterbenden das Viaticum gebracht ward, hatten ihm die Sympathie aller frommen Seelen erworben, die, der Zukunft vorgreifend, ihm voraus den Titel Fra Michele gaben, auf welchen er sich seinerseits gewöhnt hatte zu antworten.
Der Uebergang von der Kindheit zur Mannbarkeit brachte aber wahrscheinlich in dem jungen Chierico11 eine physische Veränderung hervor, welche auch sehr bald auf die moralischen Eigenschaften einwirkte.
Man sah ihn sich den Vergnügungen nähern, von welchen er sich bis jetzt fern gehalten; ohne daß er sich unter die Tänzer mischte, sah man ihn doch mit neidischem Auge die betrachten, welche eine schöne Tänzerin hatten.
Des Abends begegnete man ihm unter den Pappeln mit einer Flinte in der Hand, womit er die Amseln und Drosseln verfolgte; des Nachts hörte man die Töne einer ungeübten Guitarre in seinem Zimmer.
Sich auf das Beispiel des Königs David stützend welcher vor der Bundeslade tanzte, machte er eines Sonntags auf nicht allzu ungeschickte Weise sein Debüt in der Tarantella, schwankte noch ein Jahr zwischen dem frommen Wunsche seiner Eltern und einem weltlichen Drange, bis er endlich in derselben Stunde, wo er sein achtzehntes Jahr erreichte, erklärte, daß er, nachdem er seine Geschmacksrichtungen und Neigungen gewissenhaft geprüft, der Kirche unbedingt entsage, und seinen Platz in der Gesellschaft und seinen Antheil an den Werken des Satans beanspruche.
Es war dies gerade das Gegentheil von dem, was die Neubekehrten thun, welche die Welt abschwören und dem Satan und seinen Werken entsagen.
In Folge dieser Ideen verlangte Fra Michele bei Meister Giansimone als Sattlerlehrling einzutreten, indem er behauptete, sein wahrer Beruf dränge ihn unwiderstehlich zur Verfertigung von Maulthiersätteln und Pferdekummeten.
Es war dies ein schwerer Schlag für die Familie Pezza, welche ihrer theuersten Hoffnung, eines ihrer Mitglieder als Pfarrer oder wenigstens als Kapuziner- oder Carmelitermönch zu sehen, verlustig ging.
Fra Michele gab aber seinen Wunsch mit solcher Entschiedenheit kund, daß man in Alles willigen mußte, was er verlangte.
Was Giansimone betraf, in dessen Haus der zeitherige Sacristan seinen Wohnsitz zu nehmen wünschte, so lag in diesem Wunsche nichts Schmeichelhaftes für seine Eigenliebe.
Fra Michele war nicht ganz der fromme Aspirant des Himmels, welchen sein Name bezeichnete, aber er war auch nicht gerade ein böser Jüngling. Nur bei zwei oder drei Gelegenheiten, wo das Unrecht obendrein nicht auf seiner Seite war, hatte er die Zähne gezeigt und die Fäuste geballt. Eines Tages, wo sein Gegner ein Messer aus dem Gürtel gezogen, hatte Fra Michele, den er wahrscheinlich mit leichter Mühe zu überwinden gedacht, das seinige ebenfalls zur Hand genommen und mit einer solchen Geschicklichkeit geführt, daß niemals wieder Jemand ihm dasselbe Spiel vorgeschlagen hatte.
Ueberdies hatte er kurz darauf heimlich, wie er Alles that, ganz für sich allein tanzen gelernt, war, wie man versicherte, obschon Niemand einen Beweis dafür anführen konnte, einer der besten Schützen der Stadt, und spielte, obschon er, so viel man wußte, keinen Lehrer gehabt, die Guitarre so schön, daß, wenn er diesem Studium bei offenem Fenster oblag, die jungen Mädchen, dafern sie nur ein wenig musikalisches Gehör besaßen, mit Vergnügen unter seinem Fenster stehen blieben.
Unter allen jungen Mädchen von Itri aber hatte nur eine einzige das Vorrecht, die Blicke des jungen Chierico zu fesseln, aber gerade diese schien allein unter allen ihren Genossinnen für Fra Micheles Guitarre unempfindlich zu sein.
Diese Unempfindliche war Francesca, die Tochter des Stellmachers Don Antonio.
Wir, die wir in unserer Eigenschaft als Geschichtschreiber und Romandichter von Michele Pezza eine Menge Dinge wissen, welche einen Zeitgenossen selbst unbekannt sind, zögern nicht zu sagen, daß das, was unseren Helden hauptsächlich bestimmt hatte, das Sattlerhandwerk zu seinem Beruf und Giansimone zu seinem Lehrmeister zu wählen, die Nachbarschaft des Hauses desselben mit dem Antonios und ganz besonders jene halb verfallene Scheidemauer war, welche für einen so flinken, gewandten jungen Burschen wie Fra Michele aus den beiden Gärten so ziemlich eine einzige Einhegung machte, und mit derselben Gewißheit behaupten wir, daß, wenn Meister Giansimone Schneider oder Schlosser gewesen wäre, dafern er nur ein Gewerbe in derselben Localität betrieben, Fra Michele sich eben so berufen gefühlt haben würde, die Nadel