befahl, in der That ohne das geringste Zögern, dem Fiacre mit dem Bruder Dominique an der Ecke der Rue Neuve-du-Luxembourg zu halten, und durch den Hof des Louvre gehend , indeß der Fiacre den Quais folgte, erreichte er die Rue Saint-Honoré.
Wie er es vorhergesehen, war von der Saint-Roche-Kirche an die Rue Saint-Honoré versperrt.
Es gibt in Paris Neugierige des Tages und Neugierige des andern Tages: die Neugierigen des Tages, die das Ereigniß machen, und die Neugierigen des andern Tages, die den Schauplatz des Ereignisses in Augenschein nehmen.
Es besichtigten aber zehn bis zwölftausend Neugierige des andern Tages mit ihren Frauen und ihren Kindern den Schauplatz des Ereignisses.
Man hätte glauben sollen, es sei eine Promenade nach Saint-Cloud oder nach Versailles an einem Festtage.
Mitten unter diesen Neugierigen hoffte Salvator Herrn Jackal wiederzufinden.
Er mischte sich unter dieses Gedränge.
Wir werden nicht sagen, wie viel Blicke, ehe er zur Rue de la Paix kam, mit dem seinigen correspondirt halten, wie viel Hände die seinige berührt hatten, und dennoch war kein Wort gewechselt worden; nur eine Geberd, welche bedeutete: »Nichts.«
Dem Hotel de Mayence gegenüber hielt Salvator an. Er hatte getroffen, was er suchte.
Bekleidet mit einem Ueberrocke à la prapriétaire, auf dem Kopfe einen Hut à la Bolivar, einen Regenschirm unter dem Arme, und eine Prise Tabak aus einer Dose à la Charte nehmend, perorirte und erzählte Herr Jackal ganz emphatisch, und zwar zum größten Nachtheile der Polizei, wohlverstanden, die Ereignisse des vorhergehenden Tages.
In einem Momente, wo Herr Jackal seine Brille aufgehoben hatte, kreuzte sich sein Blick mit dem von Salvator; dieser Blick blieb unempfindlich, und Salvator begriff dennoch, daß Herr Jackal ihn gesehen hatte.
Der Blick von Herrn Jackal nahm wirklich ein paar Secunden nachher dieselbe Richtung, und dieser neue Blick drückte die Frage aus:
»Haben Sie mir etwas zu sagen?«
»Ja,« antwortete Salvator-
»Gehen Sie voran; ich folge Ihnen.«
Salvator ging voran und trat unter einen Thorweg.
Herr Jackal folgte ihm dahin.
Salvator trat gerade auf ihn zu, verbeugte sich leicht, jedoch ohne ihm die Hand zu geben, und sagte:
»Sie mögen mir glauben, wenn Sie wollen, Herr JackaL doch Sie suchte ich.«
»Ich glaube Ihnen, Herr Salvator,« erwiderte der Polizeichef mit seinem feinen Lächeln.
»Ja, der Zufall hat mich vortrefflich bedient,« sprach Salvator. »Ich komme von der Präfectur.«
»Wahrhaftig!« rief Herr Jackal, »Sie haben sich die Mühe genommen, zu mir zu gehen?«
»Ja, und Ihr Huissier wird es bestätigen. Nur war ich, da er mir nicht sagen konnte, wo ich Sie finden werde, gezwungen, es zu errathen , und ich habe Sie meinem guten Sterne vertrauend aufgesucht.«
»Sollte ich das Glück haben, Ihnen irgend einen Dienst leisten zu können, mein lieber Herr Salvator?« fragte Herr Jackal.
»Ei! mein Gott! ja,« antwortete der junge Mann, »Sie können dieses Glück haben, wenn Sie überhaupt wollen.«
»Lieber Herr Salvator, Sie sind zu geizig mit solchen Gelegenheiten, als daß ich sie mir würde entschlüpfen lassen.«
»Und das ist sehr einfach, wie Sie sehen werden.
Der Freund von einem meiner Freunde ist gestern Abend im Getümmel verhaftet worden.«
»Ah!« machte Herr Jackal.
»Das setzt Sie in Erstaunen ?« fragte Salvator.
»Nein, denn ich hörte sogar, es habe gestern eine große Menge Verhaftungen stattgefunden. Bringen Sie mich auf die Spur, lieber Herr Salvator.«
»Das ist sehr leicht; ich habe Ihnen denselben in dem Augenblicke, wo man ihn verhaftete, gezeigt.«
»Ah! . . . es ist gerade dieser? . . . Seltsam! . . . «
»Würden Sie ihn unter den Gefangenen wiedererkennen?«
»Ich kann nicht dafür stehen: ich habe ein so kurzes Gesicht! Doch wenn Sie mir mit seinem Namen helfen wollen . . . «
»Er heißt Dubreuil.«
»Dubreuil? Warten Sie doch,« sagte Herr Jackal, indem er sich mit der Hand vor die Stirne schlug, wie ein Mensch, der seine Gedanken zu sammeln sucht. »Dubreuil? . . . Ja, ja, ja, ich kenne diesen Namen.«
»Ei! wenn Sie Auskunft nöthig hätten, so könnte ich Ihnen unter der Menge die zwei Agenten suchen, die ihn verhaftet haben? Ihre Gesichter sind mir so gegenwärtig, daß ich sie wiedererkennen würde, dessen bin ich sicher . . . «
»Sie glauben?«
»Um so mehr, als ich sie schon in der Kirche bemerkt hatte . . . «
»Nein, das ist unnöthig . . . Wünschen Sie einige Auskunft über den Unglücklichen?«
»Ich wünsche ganz einfach zu wissen, aus welchem Grunde dieser Unglückliche, wie Sie ihn nennen, verhaftet worden ist.
»Ah! das kann ich Ihnen in diesem Augenblicke nicht sagen.«
»In jedem Falle werden Sie mir wohl sagen, wo Sie glauben, daß er ist.«
»Auf dem Depot, natürlich . . . wenn ihn nicht etwa eine besondere Bezichtigung nach der Conciergerie oder nach der Force bringen gemacht hat.«
»Diese Auskunft ist unbestimmt.«
»Was wollen Sie, mein lieber Herr Salvator? Sie fassen mich ganz unverhofft an.«
»Sie, Herr Jackal! faßt man Sie je so?«
»Gut! nun sind Sie wie die Anderen. Weil ich Herr Jackal heiße, so ziehen Sie Analogien aus meinem Namen, und Sie glauben, ich sei fein wie ein Fuchs!«
»Ei! das ist Ihr Ruf.«
»Nun wohl! ich bin das Gegentheil von Figaro: ich bin weniger werth als mein Ruf, das schwöre ich Ihnen. Nein, ich bin ein guter Kerl, und das macht meine Stärke. Man heilt mich für schlau, man fürchtet meine Feinheiten, und läßt sich durch meine Gutmüthigkeit fangen. An dem Tage, wo ein Diplomat nicht mehr lügt, wird er alle seine Collegen täuschen, denn nie werden sie glauben können, er spreche die Wahrheit.«
»Herr Jackal, machen Sie mich nicht glauben, Sie haben Befehl gegeben, einen Mann zu verhaften, ohne die Ursache zu wissen, aus der Sie ihn verhaften ließen.«
»Ei! hört man Sie, so sollte man glauben, ich sei König von Frankreich!«
»Nein, doch Sie sind König von Jerusalem.«
»Vicekönig, und! . . . Präfect allerhöchstens!
Sind nicht Herr von Corbière und Herr Delavau da, die vor mir in meinem Reiche regieren?«
»Also,« sagte Salvator, den Polizeichef fest anschauend, »Sie weigern sich also, mir zu antworten?«
»Ich weigere mich nicht, Herr Salvator, nur ist mir das buchstäblich unmöglich. Was kann ich Ihnen sagen? . . . Man hat Herrn Dubreuil verhaftet?«
»Ja, Herrn Dubreuil.«
»Nun wohl, dafür ist ein Grund vorhanden.«
»Dieses: Grund ist es gerade, was ich zu wissen verlange.«
»Er wird die Ordnung gestört haben.«
»Nein, denn ich habe ihn in dem Augenblicke, wo er verhaftet wurde, angeschaut.«
»Nun, dann wird man ihn für einen Andern gehalten haben.«
»Das geschieht also zuweilen?«
»Ei!« erwiderte Herr Jackal, indem er sich die Nase mit Tabak vollstopfte, »nur unser Heiliger Vater ist unfehlbar, und auch . . . «
»Erlauben Sie mir, Ihre Worte auszulegen,