Иван Гончаров

Oblomow


Скачать книгу

überlegte es sich, wohin er die Fenster seines Arbeitszimmers verlegen sollte, dachte sogar an die Möbel und die Teppiche. Dann vertheilte er die Seitenflügel des Hauses nach der Zahl der Gäste, die er zu empfangen beabsichtigte, räumte den Ställen, Scheunen, Gesindestuben und verschiedenen anderen Nebenbauten Platz ein. Endlich gieng er zum Garten über; er beschloß, alle alten Linden und Eichen, so wie sie waren zu lassen, die Äpfel- und Birnbäume zu vernichten und statt dessen Akazien zu pflanzen; er dachte auch über einen Park nach, nachdem er aber im Geiste einen annähernden Kostenüberschlag gemacht hatte, fand er, daß die Sache zu theuer sei, verschob diesen Plan auf später und gieng zu dem Blumengarten und den Glashäusern über. Jetzt erwachte in ihm der verlockende Gedanke an das zukünftige Obst so lebhaft, daß er sich plötzlich auf seinem Gut vorstellte, nachdem alles schon nach seinem Plan eingerichtet wäre und er dort beständig leben würde.

      Er träumte davon, daß er an einem Sommerabend auf der Terrasse am Teetische, unter dem für die Sonne undurchdringlichen Schatten der Bäume, mit einer Pfeife sitze, träge den Rauch einziehe und die sich hinter den Bäumen eröffnende Landschaft, die Kühle und Stille genieße; und in der Ferne breiten sich die gelben Felder aus, die Sonne sinkt hinter den wohlbekannten Birkenhain und rötet den spiegelglatten Teich; über den Feldern steigt Dampf auf; es wird kühl; die Bauern gehen haufenweise nach Hause; die müßige Dienerschaft sitzt am Haustor; von dort tönen lustige Stimmen, Lachen und Balalaikaspiel herüber; die Mädchen spielen Haschen; um ihn herum tollen seine Kleinen, kriechen ihm auf die Knie, hängen sich an seinen Hals; am Samowar sitzt . . . die Königin alles dessen, was ihn umgibt, seine Gottheit . . . eine Frau! seine Frau! Und unterdessen leuchten aus dem mit eleganter Einfachheit eingerichteten Speisezimmer einladende Lichter heraus, und drin wird der große, runde Tisch gedeckt. Der zu seinem Majordomus ernannte Sachar, der schon einen ganz grauen Backenbart hat, deckt den Tisch, stellt das angenehm tönende Kristall auf und legt das Silber herum, wobei er jeden Augenblick bald ein Glas, bald eine Gabel zu Boden wirft; dann setzt man sich zum reichlichen Abendbrot; da sieht er auch seine Jugendkameraden, seinen unveränderlichen Freund Stolz und andere bekannte Gesichter. Dann begibt man sich zur Ruhe . . .

      Oblomows Gesicht rötete sich vor Glück; der Traum war so licht, lebendig und poetisch. Er fühlte auf einmal eine wahre Sehnsucht nach Liebe und stillem Glück, und es dürstete ihn plötzlich, die Felder und Hügel seiner Heimat zu sehen und sein Haus, seine Frau und seine Kinder zu haben . . .

      Nachdem er etwa fünf Minuten auf dem Gesicht gelegen hatte, wandte er sich langsam wieder auf den Rücken um. Sein Gesicht leuchtete von einem sanften, rührenden Gefühl auf; er war glücklich. Er streckte seine Beine langsam und behaglich aus, so daß seine Beinkleider sich ein wenig hinaufschoben, doch er bemerkte diese kleine Nachlässigkeit gar nicht. Die gefälligen Träume trugen ihn leicht und frei, weit in die Ferne. Jetzt gab er sich seinem Lieblingsgedanken ganz hin; er dachte an die kleine Kolonie von Freunden, die sich in kleinen Dörfchen und Farmen, fünfzehn bis zwanzig Werst von seinem Gut entfernt, niederlassen würden, daran, wie sie sich der Reihe nach täglich versammeln würden, um zusammen zu Mittag zu essen, zu soupieren und zu tanzen; er sah nur heitere Tage und heitere, lachende, runde, rotbackige Gesichter mit einem Doppelkinn, deren Besitzer sich eines unverwüstlichen Appetits erfreuten; es würde ewiger Sommer, ewiger Frohsinn herrschen, man würde gut essen und süß faulenzen . . .

      »Gott, ach Gott!« sagte er aus der Fülle seines Glückes heraus und erwachte. Vom Hof ertönte es fünfstimmig herein: »Kartoffeln! Sand, brauchen Sie keinen Sand? Kohlen! Kohlen! Steuern Sie, gütige Herrschaften, zur Erbauung eines Gotteshauses bei!« Aus dem benachbarten Neubau drang das Klopfen der Hacken und das Schreien der Arbeiter herüber, und auf der Straße hörte man die Wagen rasseln. Überall Stimmen und Bewegung!

      »Ach!« seufzte Ilja Iljitsch schmerzlich auf. Was das für ein Leben ist! Wie abscheulich dieser Großstadtlärm ist! Wann wird denn das ersehnte paradiesische Leben beginnen? Wann komme ich in die Felder und die vertrauten Wälder? dachte er. Jetzt würde er gern unter einem Baum auf dem Gras liegen, durch die Äste hindurch auf die Sonne blicken und zählen, wieviel Vögel sich auf die Zweige setzen. Und dann bringt irgendein rotbackiges Dienstmädchen mit nackten, runden und weichen Ellbogen und einem sonnengebräunten Hals bald das Mittagessen und bald das Frühstück herein; die Schelmin senkt die Augen und lächelt . . . Wann denn diese Zeit? . . . Und der Plan, der Dorfschulze und die Wohnung? tauchte es in seinem Gedächtnis auf.

      »Ja, ja!« sagte Ilja Iljitsch, »gleich, sofort!«

      Oblomow erhob sich rasch und richtete sich auf dem Sofa auf, ließ dann die Füße vom Sofa herabgleiten, schlüpfte auf einmal in beide Pantoffeln hinein und blieb eine Weile so sitzen; dann erhob er sich endgültig und blieb ein paar Minuten lang sinnend stehen.

      – Sachar, Sachar! – schrie er laut, auf den Tisch und das Tintenfaß blickend.

      – Was ist denn? – hörte man mit dem Sprunge zugleich. – Wie mich nur meine Beine tragen! – Sachar! – wiederholte Ilja Iljitsch sinnend, ohne den Blick vom Tisch zu wenden. – Höre einmal, Bruder . . . – begann er, auf das Tintenfaß hinweisend, versank aber, ohne den Satz zu vollenden, in seine Gedanken. Jetzt streckten sich seine Arme nach oben aus, die Knie sanken ein, er begann sich zu strecken, zu gähnen . . . – Wir hatten dort noch – begann er langsam, sich noch immer streckend, – ein Stück Käse, und . . . gib mir Madeira; es ist noch weit bis zum Mittagessen, und ich werde jetzt ein wenig frühstücken . . . – Wo hatten wir einen? – sagte Sachar. – Es ist nichts geblieben . . . – Wieso ist nichts geblieben? – unterbrach ihn Ilja Iljitsch. – Ich erinnere mich ganz genau; es war noch ein so großes Stück da . . . – Nein, nein! Es ist gar nichts zurückgeblieben! – wiederholte Sachar beharrlich.

      – Es war noch etwas da! – sagte Ilja Iljitsch.

      – Nein! – antwortete Sachar.

      – Nun, dann kaufe Käse. – Geben Sie mir Geld. – Dort liegt kleines Geld, nimm es! – Hier ist nur ein Rubel vierzig, und ich brauche einen Rubel sechzig Kopeken. – Dort waren noch Kupfermünzen! – Ich habe keine gesehen! –  sagte Sachar, von einem Fuß auf den anderen tretend. – Es war Silber da, das liegt hier noch, es waren aber keine Kupfermünzen dabei! – Es waren welche dabei; gestern hat sie der Hausierer mir selbst in die Hand gegeben. – Ich war dabei – sagte Sachar, – ich habe gesehen, daß er Kleingeld gegeben hat, ich habe aber keine Kupfermünzen gesehen . . . Vielleicht hat Tarantjew sie genommen? dachte Ilja Iljitsch unschlüssig, aber nein, der hätte auch das Kleingeld genommen.

      – Was gibt es also sonst noch? – fragte er.

      – Gar nichts! Ich muß Anissja fragen, ob der gestrige Schinken noch da ist – sagte Sachar. – Soll ich ihn bringen? – Bringe, was da ist. Wieso ist denn sonst nichts geblieben? – Nun, es ist eben nichts geblieben! – sagte Sachar und ging.

      Und Ilja Iljitsch spazierte langsam und sinnend im Zimmer herum.

      – Ja, ich habe viel Sorgen – sagte er leise. – Zum Beispiel der Plan – wieviel Arbeit er noch erfordert! . . . Und es ist doch ein Stück Käse übriggeblieben – fügte er sinnend hinzu, – Sachar hat ihn aufgegessen und sagt, daß keiner da war! Und wo sind die Kupfermünzen hingekommen? – sagte er, mit der Hand auf dem Tisch herumtastend.

      Nach einer Viertelstunde stieß Sachar die Thür mit dem Präsentierbrett auf, das er in beiden Händen hielt, und wollte, als er im Zimmer war, die Thür mit dem Fuß zuschlagen, doch er hatte falsch gezielt und traf den leeren Raum; das Weinglas fiel herab, ihm folgte der Pfropfen der Karaffe und eine Semmel.

      – Du kannst keinen Schritt machen, ohne daß so etwas vorkommt! – sagte Ilja Iljitsch. – Nun, so hebe doch das, was du fallen gelassen hast, auf; er steht noch da und bewundert es! Sachar beugte sich mit dem Präsentierteller herab, um die Semmel aufzuheben, bemerkte aber, als er sich niedergekauert hatte, daß seine beiden Hände beschäftigt waren und er nichts hatte, womit er die Semmel aufheben konnte.

      – Nun, hebe es einmal auf! – sagte Ilja Iljitsch spöttisch. – Nun also? Warum tust du es denn nicht? – Oh, daß euch der Teufel hole, ihr verfluchten – wandte sich Sachar wütend an die herabgeworfenen Gegenstände, – wo kommt es denn vor, daß knapp vor dem Mittagessen gefrühstückt