Иван Тургенев

Helene


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. . . Aber bedenken Sie nur, es ist mir ganz überflüssig. Es steht ganz leer.

      – Das kann sein; hören Sie aber, setzte Inßarow mit einer entschiedenen und dabei gutmüthigen Bewegung des Kopfes hinzu, ich kann nur in dem Falle auf Ihren Vorschlag eingehen, wenn Sie einwilligen, laut Berechnung Zahlung von mir anzunehmen. Zwanzig Rubel bin ich im Stande zu zahlen, um so mehr, da Ihrer Aussage nach ich an anderen Dingen werde sparen können.

      – Freilich; aber in der That, ich mache mir ein Gewissen daraus . . .

      – Anders geht es nicht, Andrei Petrowitsch.

      – Nun, wie Sie wollen; sind Sie aber eigensinnig!

      Inßarow antwortete auch hieraus nichts.

      Die jungen Männer bestimmten den Tag, an welchem Inßarow überziehen sollte. Es ward der Wirth gerufen; er schickte jedoch zuvor sein Töchterchen, ein Kind von sieben Jahren, mit einem großen, bunten Tuche auf dem Kopfe; aufmerksam, fast mit Schrecken, hörte sie Alles, was ihr Inßarow sagte, an, und entfernte sich schweigend; gleich nach ihr erschien ihre Mutter, hochschwanger und gleichfalls mit einem Tuche, aber einem ganz kleinen, auf dem Kopfe. Inßarow erklärte ihr, er fahre aufs Land in die Umgebung von Kunzowo, behalte indessen die Wohnung und übergehe alle seine Effekten ihrer Aufsicht; die Schneidersfrau schien ebenfalls in Schreck zu gerathen und ging hinaus. Endlich kam der Wirth; dieser schien anfänglich Alles begriffen zu haben und sagte blos nachsinnend: In die Umgebung von Kunzowo? nachher aber riß er plötzlich die Thür auf und rief: Behalten Sie die Wohnung? Inßarow beruhigte ihn. Man muß es doch wissen, wiederholte der Schneider barsch und verschwand.

      Berßenjew kehrte, sehr zufrieden mit dem Erfolge seines Vorschlages, wieder zurück. Inßarow gab ihm, mit einer in Rußland wenig gebräuchlichen, liebenswürdigen Höflichkeit das Geleite bis an die Thür, legte, als er allein geblieben war, sorgfältig seinen Rock ab und begann seine Papiere zu ordnen.

      VIII

      Am Abend desselben Tages saß Anna Wassiljewna in ihrem Empfangszimmer und sammelte sich zum Weinen. Im Zimmer befanden sich außer ihr ihr Gatte und ein gewisser Uwar Iwanowitsch Stachow, ein weitläufiger Oheim Nikolai Artemjewitsch’s, Cornet außer Diensten, sechzig Jahre alt, ein Mann, der sich vor Feistheit kaum bewegen konnte, mit kleinen, schläfrigen, gelben Augen und farblosen dicken Lippen im gelben und fetten Gesicht. Seit seinem Austritt aus dem Dienste lebte er beständig in Moskau von den Zinsen eines kleinen Capitals, das ihm seine Frau, eine Kaufmannstochter, hinterlassen hatte. Er trieb nichts und dachte wohl nicht mehr, und was er je dachte, behielt er für sich. Nur einmal in seinem Leben war er in Aufregung gerathen und hatte Thätigkeit entwickelt; er hatte nämlich in der Zeitung von einem neuen Instrumente auf der londoner Ausstellung, einem »Contra-bombardon« gelesen, den Wunsch geäußert, sich dies Instrument kommen zu lassen und sich sogar erkundigt, an wen das Geld adressirt und durch welches Comptoir es abgesandt werden müsse. Uwar Iwanowitsch trug einen weiten Oberrock von Tabakssarbe und ein weißes Halstuch, aß häufig und viel und machte in allen schwierigen Fällen, das heißt jedes Mal, wenn es an ihm gewesen wäre, seine Meinung über etwas zu sagen, in der Luft convulsivische Bewegungen mit den Fingern der rechten Hand, anfangs vom Daumen zum kleinen Finger, dann vom kleinen Finger zum Daumen, wobei er mit Anstrengung hinzusetzte: »Man müßte . . . irgendwie, so . . . oder so . . .«

      Uwar Iwanowitsch saß in einem Lehnstuhle am Fenster und athmete schwer. Nikolai Artemjewitsch ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab, die Hände in den Taschen; sein Gesicht drückte Unzufriedenheit aus.

      Er blieb endlich stehen und schüttelte den Kopf. Ja, begann er, zu unserer Zeit waren die jungen Leute anders erzogen. Junge Leute erlaubten sich nicht gegen ältere zu manquiren. Er sprach die Sylbe »man«, nach Art der Franzosen, durch die Nase.) Jetzt aber sperre ich vor Erstaunen die Augen weit auf. Vielleicht haben sie und nicht ich Recht; vielleicht. Ich habe aber doch auch meine persönlichen Ansichten; ich bin doch nicht als Dummkopf auf die Welt gekommen. Was halten Sie davon, Uwar Iwanowitsch?

      Uwar Iwanowitsch sah ihn blos an und ließ seine Finger spielen.

      – Helene Nikolajewna zum Beispiel, fuhr Nikolai Artemjewitsch fort, Helene Nikolajewna begreife ich freilich nicht. Ich bin für sie nicht hoch genug. Ihr Herz ist so weit, daß es die ganze Natur umfaßt, bis auf die kleinste Schabe, den kleinsten Frosch, mit einem Worte Alles, ihren leiblichen Vater ausgenommen. Nun schön; ich weiß es und mische mich nicht hinein. Da kommen die Nerven und die Gelehrsamkeit und das Schweben in den Lüften, von allem dem verstehen wir nichts. Daß aber Herr Schubin . . . und wenn er auch ein merkwürdiger, außerordentlicher Künstler ist, wogegen ich nichts zu sagen habe, wenn er sich gegen einen älteren Mann vergißt, gegen einen Mann, dem er doch, man kann wohl sagen, viel zu verdanken hat . . . das, muß ich gestehen, kann ich dann dans mon gros sense nicht zugeben. Ich bin von Natur nicht geneigt. zu viel zu verlangen, gewiß nicht; es giebt aber in allen Dingen ein Maß.

      Anna Wassiljewna schellte mit Aufregung. Ein Dienstbursche trat herein.

      – Warum kommt Pawel Jakowlewitsch nicht? fragte sie. Ich rufe, ich rufe – und er kommt nicht!

      Nikolai Artemjewitsch zuckte die Achseln.

      – Weshalb aber, ich bitte Sie, wollen Sie ihn rufen lassen? Ich fordere es durchaus nicht, wünsche es nicht einmal.

      – Sie fragen weshalb? Nikolai Artemjewitsch! Er hat Ihnen Unruhe verursacht; vielleicht Ihnen in Ihrer Brunnencur Nachtheil gebracht. Ich muß mit ihm sprechen. Ich will wissen, wodurch er sich Ihren Zorn zugezogen hat.

      – Ich sage Ihnen, ich verlange es nicht. Und warum müssen Sie . . . devant les domestiques . . .

      Anna Wassiljewna erröthete leicht.

      – Sie thun mir Unrecht, wenn Sie so reden, Nikolai Artemjewitsch. Ich werde niemals . . . devant . . . les domestiques . . . Geh Feduschka, daß Du mir sogleich Pawel Jakowlewitsch herrufst.

      Der Junge entfernte sich.

      – Das ist Alles ganz und gar nicht nöthig, sagte Nikolai Artemjewitsch durch die Zähne und begann wieder im Zimmer umherzugehen. Das lag ja durchaus nicht in meinen Worten.

      – Aber ich bitte Sie, Paul muß sich bei Ihnen entschuldigen.

      – Aber ich bitte Sie, wozu brauche ich seine Entschuldigungen? Und was heißt denn Entschuldigung? Das sind nichts als Phrasen.

      – Wozu? fragen Sie. Er muß eine Zurechtweisung erhalten.

      – Die mögen Sie ihm selbst ertheilen. Ihnen wird er eher gehorchen. Ich habe nichts gegen ihn.

      – Nein, Nikolai Artemjewitsch, Sie sind heute, seit Sie hierher gekommen sind, nicht gut bei Laune. Mich däucht, Sie haben in dieser letzten Zeit sogar etwas abgenommen. Ich befürchte, die Cur schlägt bei Ihnen nicht gut an.

      – Ich bedarf durchaus dieser Cur, bemerkte Nikolai Artemjewitsch; meine Leber ist nicht in Ordnung.

      In diesem Momente trat Schubin herein. Er schien ermüdet. Ein leichtes, fast spöttisches Lächeln schwebte um seine Lippen.

      – Sie haben nach mir gefragt, Anna Wassiljewna? sagte er.

      – Ja, gewiß habe ich nach Dir gefragt. Aber Paul, ich bitte Dich, das ist ja schrecklich. Ich bin sehr unzufrieden mit Dir. Wie hast Du Dich gegen Nikolai Artemjewitsch vergessen können?

      – Nikolai Artemjewitsch hat bei Ihnen über mich geklagt? fragte Schubin und warf mit demselben spöttischen Lächeln einen Blick aus Stachow. Dieser wandte sich ab und senkte die Augen zu Boden.

      – Ja, er hat über Dich geklagt. Ich weiß nicht, was Du gegen ihn verschuldet hast, Du mußt ihn aber gleich um Entschuldigung bitten, seine Gesundheit ist jetzt sehr zerrüttet und dann müssen wir Alle, so lange wir jung sind, unseren Wohlthätern Achtung erweisen.

      – Oh Logik! dachte Schubin und wandte sich gegen Stachow. Ich bin bereit, Sie um Entschuldigung zu bitten, Nikolai Artemjewitsch, sagte er mit einer kurzen, höflichen Verbeugung, wenn ich Sie wirklich durch irgend etwas beleidigt hätte.

      – Ich