nein, verlasse mich nicht einen Augenblick, Fernando wird Alles besorgen. Laß Antrim, mein Schlachtroß, satteln, und frage im Vorübergehen den Knappen von Don Agenor, ob er ein Pferd oder ein Maulthier vorziehe. Was Deine müden Rosse betrifft, ist Dir an ihnen gelegen, und jedem guten Ritter ist an den seinigen gelegen, so sollen sie bei der Nachhut folgen, und man wird sie schonen.«
Der Page machte nur einen Sprung und verschwand.
Mittlerweile war der Maure im Glauben, man würde ausbrechen, die Treppe hinabgestiegen, um rings um seine Sänfte zu gehen und denjenigen, welche sie bewachten, einige Befehle zu geben. Als er aber sah, daß man mit dem Ausbruch zögerte und daß die zwei Freunde, welche allein geblieben waren, ein paar vertrauliche Worte auszutauschen sich anschickten, stieg er rasch wieder zu ihnen hinaus und nahm abermals seinen Platz an der Seite des Großmeisters ein.
»Senor Mothril,« sprach dieser, »der Ritter, den Ihr hier seht, ist einer meiner Freunde. Es ist mehr als einer meiner Freunde, es ist mein Waffenbruder; ich nehme ihn mit mir nach Sevilla, denn, ich will ihn meinem Herrn, dem König von Castilien als Kapitän anbieten, und wenn der König die Gnade hat, mir ihn zu lassen, nachdem ich ihm denselben angeboten habe, werde ich ihn segnen. Denn es ist eine unvergleichliche Klinge und ein Herz noch tapferer als seine Klinge.«
Der Maure antwortete in vortrefflichem Spanisch, obgleich seine Aussprache durchaus nicht von dem gutturalen Accent frei war, den Agenor schon bemerkt hatte, als er aus der Straße nach Coimbra das einzige arabische Wort aussprach, nach welchem er sich wieder in Marsch gesetzt:
»Ich danke unserem Herrn, daß er mir den Namen und die Eigenschaft des Herrn Ritters mitgetheilt; doch der Zufall hatte mir schon den edlen Franzosen vorgestellt. Leider muß ein Fremder, ein Reisender, wenn er von einer feindlichen Race ist, wie ich, oft dem Zufall mißtrauen. Ich habe auch nicht mit der Höflichkeit, die ich hätte anwenden sollen, den Senor Agenor empfangen, den ich vor Kurzem im Gebirge traf.«
»Ah! Ah!« sagte Federigo neugierig; »Eure Herrlichkeiten haben sich schon begegnet?«
»Ja, Seigneur,« erwiderte Agenor in französischer Sprache, »und ich muß gestehen: daß sich der Herr Maure nicht herbeiließ, die einfache Frage zu beantworten, die ich durch meinen Stallmeister an ihn richtete, um mich nach dem Weg zu erkundigen, verletzte mich einigermaßen. Wir sind höflicher jenseits der Pyrenäen gegen die Fremden, unsere Gäste.«
»Messire,« erwiderte Mothril in spanischer Sprache, »Ihr irrt Euch, in einem Punkte. Es ist wahr, die Mauren sind noch in Spanien, doch sie sind schon nicht mehr zu Hause; und diesseits der Pyrenäen, Granada ausgenommen, sind die Mauren selbst nur Gäste der Spanier.«
»Ah!« machte leise Musaron, der sich allmälig den Stufen genähert hatte, »nun versteht er das Französische.«
»Diese Wolke zerstreue sich unter Euch; der Tenor Mothril, Freund und Minister meines Herrn, des Königs von Castilien, wird hoffentlich dem Ritter von Mauléon, dem Freund und Bruder seines Bruders, wohl einige Geneigtheit zuwenden.«
Der Maure verbeugte sich, ohne zu antworten, und da Musaron, stets neugierig, zu erfahren, was die Sänfte enthielt, sich dieser mehr näherte, als Mothril wohl wünschte, daß man sich ihr nähern möchte, so stieg er die Stufen hinab und stellte sich, unter dem Vorwand, einen von seinen Knechten einen vergessenen Auftrag vollziehen zu lassen, zwischen die Sänfte und den Knappen.
Federigo benützte diesen Augenblick, um sich an das Ohr von Agenor zu neigen, und sagte: »Du siehst in diesem Mauren denjenigen, welcher meinen Bruder beherrscht, und folglich mich beherrscht.«
»Ah!« erwiderte Agenor, »warum dieses bittere Wort? Ein Fürst von Eurem Geschlecht, ein Ritter von Eurer Tapferkeit, erinnert Euch dessen stets, Don Federigo, darf nur von Gott beherrscht werden.«
»Und dennoch gehe ich nach Sevilla,« entgegnete seufzend der Großmeister.
»Und warum geht Ihr dahin?«
»Der König Don Pedro bittet mich darum und die Bitten des Königs Don Pedro sind Befehle.«
Der Maure schien getheilt zwischen dem Aerger, sich von seiner Sänfte trennen zu sollen, und der Furcht, Don Federigo zu viel zu dem französischen Ritter sagen zu lassen. Die Furcht bekam die Oberhand und er kehrte zu den zwei Freunden zurück.
»Hoher Herr,« sprach er zu Don Federigo, »ich sehe mich veranlaßt, Eurer Herrlichkeit eine Nachricht mitzutheilen, die ihre Pläne durchkreuzt. Ich mußte mich zuvor bei meinem Geheimschreiber erkundigen, obschon ich beinahe Gewißheit hatte. Der König Don Pedro hat zum Anführer seiner Leibwachen einen Kapitän von Tarisa, einen tapferen Mann, in den er sein ganzes Vertrauen setzt, obgleich seine Voreltern jenseits der Meerenge geboren sind. Ich würde also befürchten, der Herr Franzose dürfte sich eine vergebliche Mühe machen, wenn er an den Hof von König Don Pedro käme, und ertheile ihm deshalb den Rath, in Coimbra zu bleiben, um so mehr, als bekanntermaßen Dona Padilla die Franzosen nicht liebt.«
»In der That, das ist wahr, Senor Mothril.« sprach Federigo; »desto besser, dann behalte ich meinen Freund bei mir.« »Ich bin nicht nach Spanien, sondern nach Portugal gekommen. Ich bin nicht gekommen, um dem König Don Pedro, sondern um dem Großmeister Don Federigo zu dienen,« sprach Agenor voll Stolz. »Den Dienst, den ich suchte, habe ich, und ich will keinen Andern. Dies ist mein Herr.«
Und er verbeugte sich höflich vor seinem Freund.
Der Maure lächelte. Seine weißen Zähne funkelten unter seinem schwarzen Bart.
»Oh! die schönen Zähne!« sagte Musaron, »wie gut muß er beißen!«
In diesem Augenblick brachte der Page Antrim, das Schlachtroß des Großmeisters, und Coronella, das Maulthier von Musaron. Der Austausch war bald vorgenommen.
Agenor von Mauléon bestieg das frische Pferd, Musaron das frische Maulthier; man übergab die müden Rosse den Troßknechten, und aus die Einladung des Mauren ging Don Federigo die Stufen hinab und wollte ebenfalls zu Pferde steigen.
Doch zum zweiten Male schien sich der schöne Hund mit den langen seidenen Haaren seiner Absicht zu widersetzen. Er stellte sich zwischen seinen Herrn und sein Pferd, suchte seinen Herrn zurückzudrängen und heulte.
Doch Don Federigo schob ihn mit dem Fuß aus die Seite, schwang sich trotz aller dieser Kundgebungen seines treuen Hundes in den Sattel und gab Befehl zum Aufbruch. Dann, als hätte er diesen Befehl begriffen und als wäre er dadurch in Verzweiflung gebracht, sprang der Hund dem Roß an die Kehle und biß es grausam.
Das Pferd bäumte sich, wiehernd vor Schmerz, und machte einen Seitensprung, der jeden Andern, als einen so erfahrenen Reiter wie Don Federigo aus dem Sattel geworfen hätte.
»Nun! Alan,« rief er, indem er seinem Hund den Namen gab, unter welchem man seine Race bezeichnete. »Böses Thier, wirst du wüthend?«
Und er versetzte ihm mit der Peitsche, die er in der Hand hielt, einen so gewaltigen Hieb, daß das Thier niedergeschmettert zehn Schritte fortrollte.
»Man muß diesen Hund tödten,« sagte Mothril.
Fernando schaute den Mauren von der Seite an.
Alan setzte sich auf die Stufen des Alcazar, hob den Kopf in die Höhe, öffnete den Rachen und heulte zum zweiten Male kläglich.
Da erhob das ganze Volk, welches stillschweigend dieser langen Scene beigewohnt, die Stimme, und der Ruf, der schon einmal aus einem einzigen Munde ertönt hatte, wurde ein allgemeiner Schrei.
»Zieht nicht von hinnen, Großmeister Don Federigo! bleibt bei uns. Großmeister! Was braucht Ihr einen Bruder, da Ihr ein Volk habt! Was verheißt Euch Sevilla, was Euch nicht, auch Coimbra böte?«
»Hoher Herr,« sprach Mothril, »soll ich zum König, meinem Herrn, zurückkehren und ihm sagen. Euer Hund, Euer Page und Euer Volk wollen nicht, daß Ihr kommet?«
»Nein, Senor Mothril,« erwiderte Don Federigo, »wir gehen; vorwärts, meine Freunde.«
Und er grüßte das Volk mit der Hand, stellte sich an die Spitze des Reiterzuges und durchschnitt die schweigsame Menge, die sich vor ihm öffnete.
Man schloß die vergoldeten Gitter des