daß die Stimme vom Herzen kommt:
»Höre, Agenor, sprich mir nie mehr von der Person, deren Namen Du genannt hast; wenn Du vor Fremden von ihr sprichst, wirst Du meine Stirne erröthen und meine Hand zittern machen; sprächst Du von ihr, wenn wir allein wären, so würdest Du meine Seele vergehen machen. Die unglückliche Dona Bianca hat die Gnade ihres königlichen Gemahls nicht zu erlangen gewußt; der so reinen und sanften Französin hat er Maria Padilla, die hochmüthige und glühende Spanierin, vorgezogen. Eine ganze beklagenswerthe Geschichte von Argwohn, Krieg und Blut ist in den wenigen Worten enthalten, die ich Dir gesagt habe. Eines Tags, wenn es nöthig ist, werde ich Dir mehr sagen; doch bis dahin beobachte Dich, Agenor, und sprich mir nicht mehr von ihr; ich denke nur zu viel an sie, ohne daß man von ihr spricht,«
Bei diesen Worten hüllte sich Federigo in seinen Mantel, als wollte er einen ungeheuren Schmerz mit sich absondern und begraben.
Agenor blieb nachdenkend beim Großmeister; er suchte, indem er seine Erinnerungen zurückrief, diejenigen Theile des Geheimnisses seines Freundes zu durchdringen, wobei er ihm nützlich sein könnte, und denen, wie er wohl einsah, die Einladung, die er von ihm erhalten, nicht fremd war.
Der Großmeister begriff, was in dem Herzen von Agenor vorging, und fügte bei:
»Dies ist es, was ich Dir sagen wollte, Freund; Du wirst fortan bei mir leben und, da ich keine Vorsicht gegen meinen Bruder zu gebrauchen habe, ohne daß ich von ihr spreche, ohne daß Du mir von ihr sprichst, am Ende den Abgrund erforschen, vor dem ich selbst erschrecke; doch für den Augenblick gehen wir nach Sevilla, die Feste eines Turniers erwarten mich dort; der König, mein Bruder, will mir Ehre anthun, wie er sagt, und er hat mir in der That, wie Du gesehen, Don Mothril, seinen Rath und seinen Freund, geschickt.«
Fernando zuckte die Achseln, um zugleich Haß und Verachtung auszudrücken.
»Ich gehorche also,« erwiderte Federigo, seinen eigenen Gedanken beantwortend; »doch schon als ich Coimbra verließ, hatte ich Argwohn, und die Beaufsichtigung, die man um mich her übt, hat diesen Argwohn bestätigt. Ich werde also wachen. Ich habe nicht nur zwei Augen, ich habe auch die meines ergebenen Dieners Fernando, und wenn Fernando mich verläßt, um eine geheime, unerläßliche Sendung zu vollziehen, so bleibst Du bei mir, denn ich bin Euch Beiden in gleicher Freundschaft zugethan.«
Und Don Federigo reichte jedem von den zwei jungen Leuten eine Hand, welche Agenor ehrfurchtsvoll an sein Herz drückte und Fernando mit Küssen bedeckte.
»Edler Herr,« sprach Mauléon, »ich bin sehr glücklich, so zu lieben und geliebt zu werden; doch ich komme sehr spät, um meinen Antheil an einer so lebhaften Freundschaft zu nehmen.«
»Du wirst unser Bruder sein,« erwiderte Don Federigo, »Du wirst in unser Herz einziehen, wie wir in das Deinige. Und nun sprechen wir nur von den Festen und von den schönen Lanzenstößen, die uns in Sevilla erwarten. Kommt und laßt uns ins Lager zurückkehren.«
Hinter dem ersten Zelte, an dem er vorbei schritt, fand Don Federigo Mothril, der ganz wach hier aufgepflanzt war; er blieb stehen und schaute den Mauren an, ohne den Aerger verbergen zu können, den ihm diese Hartnäckigkeit verursachte.
»Senor,« sagte Mothril zu Don Federigo, »als ich sah, daß Niemand im Lager schlief, kam mir ein Gedanke; würde es Eurer Hoheit, da die Tage so glühend heiß sind, nicht gefallen, sich wieder in Marsch zu setzen? Der Mond geht aus, die Nacht ist mild und schön, und Ihr kürzt dadurch die Ungeduld des Königs, Eures Bruders ab.«
»Doch Ihr?« sagte Federigo, »doch Eure Sänfte?«
»Oh! Senor,« erwiderte der Maure, »ich und alle meine Leute sind Eurer Hoheit zu Befehl.«
»Vorwärts also, es ist mir genehm,« sprach Federigo, »gebt Befehl zum Ausbruch.«
Während man die Pferde und Maulthiere sattelte, während man die Zelte abschlug, näherte sich Mothril der verwundeten Schildwache und fragte sie:
»Wenn wir zehn Meilen in dieser Nacht machen, so haben wir die erste Gebirgskette überschritten?«
»Ja,« antwortete der Soldat.
»Und wenn wir morgen Abend gegen sieben Uhr aufbrechen, um welche Stunde werden wir bei der Furt der Zezere sein?«
»Um elf Uhr.«
Um die von dem Soldaten bezeichnete Stunde war man zum Lagerungsplatz gekommen. Diese Art, zu reisen, war, wie es der Maure vorhergesehen. Jedermann angenehm gewesen und hatte für ihn noch den besonderen Vortheil gehabt, daß er seine Sänfte leichter den neugierigen Blicken von Musaron zu entziehen vermochte.
Denn eine einzige Sorge beschäftigte den würdigen Knappen, die, zu erfahren, welche Art von Schatz in dem vergoldeten Kasten, den Mothril so ängstlich hütete, verborgen sei.
Als wahrer Sohn Frankreichs nahm er auch keine Rücksicht auf die Anforderungen des neuen Klima, in welchem er sich fand, und er schweifte bei der größten Hitze des Tages um die Zelte her.
Die Sonne schoß senkrecht herab, Alles war verlassen auf dem Felde. Federigo hatte sich, um ganz seinen Gedanken zu leben, unter sein Zelt zurückgezogen. Fernando und Agenor plauderten unter dem ihrigen, als sie plötzlich Musaron auf der Schwelle erscheinen sahen. Der Knappe zeigte das lachende Gesicht eines Menschen, der beinahe sein längst ersehntes Ziel erreicht hat.
»Seigneur Agenor,« sagte er, »eine große Entdeckung?«
»Welche?« fragte de« Ritter, der an die scherzhaften Ausfälle seines Knappen gewöhnt war.
»Don Mothril spricht mit der Sänfte und die Sänfte antwortet ihm.«
»Und was sagen sie sich?« fragte der Ritter.
»Ich habe wohl das Gespräch gehört, doch ich konnte es nicht verstehen, in Betracht, daß sie Arabisch mit einander sprachen.«
Der Ritter zuckte die Achseln.
»Was sagt Ihr hierzu, Fernando?« fragte er.
»Wenn man Musaron glauben darf, spricht der Schatz von Don Mothril.«
»Darüber darf man sich nicht wundern,« erwiderte der Page, »der Schatz von Don Mothril ist eine Frau.«
»Ah! . . .« machte Musaron, im höchsten Maße erstaunt.
»Jung?« fragte Agenor lebhaft.
»Wahrscheinlich.«
»Schön?«
»Ah! Ihr fragt mich zu viel, Herr Ritter; ich glaube, nur wenige Personen, selbst von dem Gefolge von Don Mothril, vermöchten Euch hierauf zu antworten.«
»Nun wohl, ich werde es erfahren,« sprach Agenor.
»Wie dies?«
»Da Musaron bis zum Zelte gekommen ist, so werde ich wohl auch dahin gelangen. Wir Gebirgsjäger sind gewohnt, von Fels zu Fels zu schlüpfen und die Gemsen aus den Gipfeln unserer Pics zu überraschen. Der Senor Don Mothril wird weder schlauer, noch argwöhnischer sein, als eine Gemse.
»Es sei,« sprach Fernando, ebenfalls durch einen unwiderstehlichen Zug toller Jugend fortgerissen; »doch nur unter der Bedingung, daß ich mit Euch gehe.«
»Kommt, und Musaron soll mittlerweile wachen.«
Agenor hatte sich nicht getauscht, und man hatte nicht einmal so viel Vorsicht nöthig. Es war elf Uhr Morgens. Die Sonne Afrikas schoß ihre heißesten Strahlen aus die Erde herab; das Lager schien verlassen; die spanischen und maurischen Schildwachen hatten den Schatten eines Felsen oder eines einsamen Baumes gesucht, so daß man sich, wenn die Zelte nicht gewesen wären, die der Landschaft den augenblicklichen Anschein der Bewohnung gaben, in einer Wüste hätten glauben können. Das Zelt von Don Mothril war das entfernteste. Um es noch mehr abzusondern, oder um ihm ein wenig Frische zu geben, hatte er es an eine Gruppe von Bäumen angelehnt. In dieses Zelt hatte er die Sänfte bringen lassen, und vor der Thüre fiel ein großes Stück türkischen Stoffes herab, das den Blick in das Innere zu dringen verhinderte. Musaron bezeichnete ihnen dieses Zelt als dasjenige, welches den Schatz enthalte. Die jungen Leute ließen Musaron an dem Platz, wo er war, und von wo er Alles, was aus der Seite des Zeltes vorging, sehen konnte, machten einen Um weg und erreichten