Александр Дюма

Der Pastor von Ashbourn


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einer Verringerung des Gehaltes unterworfen werden würde, daß die Ersparnisse immer nothwendiger würden, und daß ich mich nicht verwundern sollte, wenn die Pfarrstelle von neunzig Pfund Sterling auf achtzig und sogar auf siebzig herabgesetzt wäre.

      Ich antwortete ihm, daß ich mich in dieser Beziehung auf sein Wohlwollen verließe, ein Wohlwollen, von dem er mir einen so großen Beweis gegeben hätte.

      Der Rector brummte einige Worte, die weder eine Versicherung, noch eine Drohung waren; dann, als ich bemerkte, daß nach seinem Wunsche mein Besuch lange genug gedauert hätte, nahm ich Abschied von ihm und entfernte mich.

      Sobald ich einmal ernannt war, hatte ich Eile, wieder zu meiner guten Adoptivmutter zu gehen und Besitz von diesem schönen Pfarrhause zu nehmen, das so gut mit allen Dingen versehen war, daß mir, da ich nichts auf der Welt zu kaufen hatte, diese Herabsetzung von zehn Pfund Sterling jährlich, angenommen, daß sie stattfände, kaum fühlbar sein würde. Demzufolge benachrichtigte ich, bevor ich zu meinem Wirthe, dem Kupferschmied, zurückkehrte, den Miethkutscher, daß er mir die Carriole mit ihrem Kutscher zu senden und es so einzurichten hätte, daß ich noch an demselben Tage um Mittag oder spätestens um ein Uhr abreisen könnte.

      Um halb ein Uhr war die Carriole vor meiner Thür.

      Mein Wirth, der Kupferschmied, schien zugleich traurig und vergnügt über meine Abreise: traurig, daß ich ihn verließe, vergnügt darüber, daß ich ihn für diese gute Pfarre verließe, von der ich ihm, wie von dem nec plus ultra meiner Wünsche gesprochen hatte. In dem Augenblicke, wo wir uns zu verlassen im Begriffe standen, bat er mich daher auch mit ganz gerührtem Herzen, zum Andenken von ihm drei oder vier Kasserole und einen oder zwei Kessel anzunehmen, die bestimmt wären, den Anfang meines Küchengeschirres zu bilden; aber da ich bei meine! Wittwe eine Menge von weit schöneren und weit größeren Kasserolen und Kesseln als die gesehen hatte, die mir mein Wirth anbot, so schlug ich es aus, indem ich ihm vielleicht ein wenig zu offenherzig die Ursache meiner Weigerung sagte; so daß er empfindlich wurde, seine Kasserole und seine Kessel wieder nahm, sie an ihren Nagel hing, und mit einer Kälte von mir Abschied nahm, die mich bekümmerte, aber die zu bekämpfen ich unter meiner Würde hielt.

      Mein Auszug bedurfte keiner langen Vorbereitungen, alle meine Kleidungsstücke bestanden aus einem Ueberrocke, einem Fracke, zwei Paar kurzen Beinkleidern, zwei Westen, vier Paar Strümpfen, fünf oder sechs Hemden, zwei Paar Schuhen und einem Hute.

      Als einziges Möbel hatte ich nur das Fernrohr meines Großvaters, des Bootsmannes.

      Ich legte mein Bündel in den Wagen, stellte mein Fernrohr zwischen meine Beine, und indem ich selbst durch ein Schnalzen der Zunge das Signal zum Aufbruche gab, entfernte ich mich, ohne meinen Wirth, den Kupferschmied, zu umarmen, welche Lust ich im Grunde des Herzens auch dazu hatte.

      Als ich, indem ich mich entfernte, hinter mich durch ein kleines in der Carrio^e angebrachtes Fenster blickte, schien es mir, den würdigen Mann in seinen Laden zurückkehren zu sehen, indem er den Kopf schüttelte und eine Thräne abtrocknete.

      Ich hatte den Gedanken, wieder umzukehren, um mich mit ihm zu versöhnen; aber ich fürchtete mich zu irren, und demzufolge einer lächerlichen Regung nachzugeben.

      Meine bereits, um die Schulter des neben mir sitzenden Kutschers zu berühren, ausgestreckte Hand sank daher wieder auf mein Knie zurück, während ich leise murmelte:

      – Ah! meinetwegen! warum ist er so empfindlich!

      Mein lieber Petrus, ich habe mir seitdem mehr als ein Mal gesagt, daß diese Empfindlichkeit sehr natürlich war. Was dieser wackere Mann mir anbot, bot er mir von Herzen an, und so gering ein Geschenk auch sein möge, so giebt es doch eine gewisse Art es anzubieten, welche macht, daß es immer angenommen werden muß.

      Vielleicht würde ich mich mit diesem Umstande ohne das Ereigniß noch mehr beschäftigt haben, das mich auf andere Gedanken brachte, und das wichtig genug war, um plötzlich selbst die Erkaltung meines Wirthes, des Kupferschmieds, zu vergessen.

      Ich hatte keine Veränderung auf der Straße gefunden; sie war immer noch heiter und lebendig; aber bei meiner Ankunft an den ersten Häusern des Dorfes schien es mir, als ob ein Trauerschleier über die Gesichter verbreitet wäre, die sich mir zeigten. Statt meiner Carriole entgegenzueilen und mich willkommen zu heißen, senkten die Landleute den Kopf und wandten die Augen ab. Bei diesem Anblicke fühlte ich etwas so Schmerzliches mir das Herz beklemmen, daß ich nicht den Muth hatte zu fragen; ich setzte, oder ließ vielmehr das Pferd den Weg fortsetzen, ohne seinen Schritt weder zu beschleunigen, noch zu mäßigen, und ich kam auf diese Weise vor der Thür des Pfarrhauses an.

      Meine Augen senkten sich sogleich in den Hof, und ich sah diesen Hof voll schwarz gekleideter, alle dem Dorfe fremder, alle mir unbekannter Leute: es gab deren vor der Thür, es gab deren an den offenen Fenstern, und alle sprachen unter einander voller Eifer und schienen sehr geschäftig.

      Ich fing an, ein gräßliches Unglück zu vermuthen.

      Ich sprang aus der Carriole; ich drang in das Haus; ich schritt durch den Speisesaal, ich trat in das Schlafzimmer, das einzige, welches leer war, und dort sah ich auf dem Boden, auf den Steinplatten, mitten in diesem gänzlich ausgeräumten Zimmer, einen Sarg von Tannenholz, dessen nicht recht schließender Deckel andeutete, daß er noch nicht zugenagelt wäre.

      Ein Schauder rollte mir durch die Adern; ich hatte Alles errathen.

      Ich verschloß die Thür hinter mir; ich blieb an dieser Thür stehen, indem ich meine Hand auf mein klopfendes Herz legte, um wieder ein wenig Kräfte zu sammeln; dann, meiner weit sicherer, ging ich gerade auf den Sarg zu, dessen Deckel ich aufhob.

      Meine gute Adoptivmutter lag darin in einem ganz zerrissenen Leintuche; ihr zurückgeworfener Kopf ruhte hart auf einer Querleiste von Holz.

      Diese Männer und diese Frauen, welche das Haus erfüllten, waren jene Erben im zehnten Grade, von welchen sie mir als von Leuten gesprochen hatte, denen sie keine Rechenschaft von ihrem Vermögen schuldig sei.

      Ich fing damit an, ein frommes Gebet neben diesem entseelten Körper zu verrichten; dann entrüstet und betrübt, daß diese würdige Frau, deren Schränke von so schöner Wäsche strotzten, in ein so armseliges Grabtuch gebettet war und ihren Kopf auf einer so harten Querleiste ausruhte, verließ ich das Zimmer, und kaufte von dem Einen dieser Erben ein Leintuch, von dem Andern ein Kopfkissen; ich kehrte zu ihr zurück und hüllte diese arme Leiche in dieses neue Betttuch, indem ich die Querleiste wegnahm, und an ihrer Stelle unter ihren Kopf, der so ruhig war, daß sie eingeschlafen schien, dieses Kopfkissen schob, auf welchem sie während der Ewigkeit ausruhen sollte.

      Ich warf mich auf die Knie und betete, bis daß die Tischler, die zum Trinken gegangen waren, zurückkehrten, um den Sarg zu vernageln.

      Als ich sie mit ihren Hämmern in der Hand und ihren Nägeln in ihrer Schürze eintreten sah, begriff ich, daß die Stunde gekommen wäre, dieser armen Leiche ein letztes Lebewohl zu sagen; ich kreuzte ihre Hände auf ihre Brust; ich ging in den Garten, um einen Zweig von jeder der drei Weiden zu pflücken, welche an den Geburtstag ihrer Töchter erinnerten; ich legte die drei Zweige unter ihre Hände und auf ihre Brust, und küßte sie ehrerbietig auf ihre Stirn, indem ich zu ihr sagte:

      – Geh, würdige Mutter! geh, fromme Gattin! Dich in dem Himmel wieder mit allen denen zu vereinigen, die Du geliebt hast! . . . Der Mensch ist nur ein Fremdling auf Erden!

      Einige Augenblicke nachher hatten sechs Nägel und vier Bretter von Tannenholz zwischen sie und mich den Abgrund der Ewigkeit gelegt.

       XII.

      Huf welche Weise sich das leere Hans möblirte

      Wie war jetzt diese würdige Frau gestorben? Das ist es, wonach mich zu erkundigen ich vorher nicht gedacht hatte: ich hatte ihre Leiche vor Augen, ich konnte nicht an diesem Unglücke zweifeln, ich hatte nicht nöthig, mehr darüber zu wissen.

      Aber als man mich von ihr zu trennen kam, – als ich sie verließ, um sie nicht mehr wiederzusehen, erkundigte ich mich.

      Am Tage vorher, bei der Rückkehr von dem Kirchhofe, wo sie ihr tägliches Gebet auf dem Grabe ihrer Töchter verrichtet, hatte sie auf der