Александр Дюма

Der Pastor von Ashbourn


Скачать книгу

herbeigeeilt, und, während die Leiche noch da war, vor ihrem aufgedeckten Gesichte, hatten sie sich in diese schöne Wäsche, dieses schöne kupferne Küchengeschirr und dieses schöne Silberzeug getheilt, das mein Eigenthum werden sollte.

      Die Karren waren schon vor der Thür, bereit, das Erbe zu den verschiedenen Erben zu bringen.

      Uebrigens, mein lieber Petrus, glauben Sie das, was ich Ihnen sagen werde; ich habe mich bis jetzt offenherzig genug vor Ihren Augen geschildert, so daß Sie hoffentlich nicht an meinem Worte zweifeln. Wenn ich in den verächtlichen Theilen des Herzens einiges Bedauern über alle diese schönen Sachen empfand, die mir entgingen, so wurde es schnell unter dem edlen und wirklichen Schmerze erstickt, den mir dieser Tod einflößte.

      Das Begräbnis, sollte um fünf Uhr Abends stattfinden. Da man meine Ankunft nicht wußte, so hatte man den Pastor von Wirksworth für das Leichenbegängniß entbieten lassen: alle Erben hatten Eile, Ashbourn zu verlassen; jeder wollte noch am selben Abende mit der Todesbeute nach Haus zurückgekehrt sein.

      Dieser Pastor war ein Mann von sechszig bis fünfundsechzig Jahren, mit sanftem und freundlichem Gesicht; er begrüßte mich als seinen Amtsbruder, indem er mir sagte, daß er von den Leuten des Dorfes so viel Gutes über mein Talent und über meine Person hätte sagen hören, daß er deshalb ein großes Verlangen getragen mich zu sehen.

      Er lud mich demzufolge ein, ihn in seinem kleinen Hause in Wirksworth zu besuchen, das er seit seiner Geburt bewohnte.

      Er war verheirathet und hatte eine ’Frau und eine Tochter.

      Ich war durch diese Complimente und diese Einladung weniger geschmeichelt, als ich es unter einem andern Umstande gewesen wäre; alle meine Geisteskräfte waren durch den unermeßlichen Schmerz in Anspruch genommen, den ich über den Verlust dieser würdigen Madame Snart empfand.

      Ich drückte daher einfach und allein Herrn Smith die Hand, indem ich einige Worte des Dankes stammelte; hierauf wandte ich mich wieder um, um zu weinen: die Thränen erstickten mich.

      Ich hörte ihn murmeln:

      – Guter junger Mann! . . . man hatte mich nicht getäuscht.

      Es schlug fünf Uhr; die Träger nahmen die Leiche; Herr Smith und ich gingen ihr voraus, die Erben und die Leute des Dorfes folgten ihr.

      Das Auffallende dabei war, daß die wahrhaft Betrübten die aller Verwandtschaft und jedem Interesse fremden wackeren Leute des Dorfes waren.

      Die Erben gingen, indem sie sich mit einer fast Aergerniß erregenden Gleichgültigkeit mit einander unterhielten.

      Man weiß, wie einfach unsere Leichenbegängnisse sind: kein Priestergepränge, keine, frommen Gesänge; – nur Gebete.

      Nach einer Station in der Kirche, trug man die Leiche daher auf den Friedhof.

      Wenn es mir nicht durch das gegrabene Grab angedeutet gewesen wäre, so hätte ich dennoch den Ort erkannt, wo die würdige Frau während der Ewigkeit ruhen sollte.

      Es war der Mittelpunkt dreier Gräber, welche alle drei weit eher das Ansehen eines freundlichen Gartens, als das eines Leichenbettes hatten. Das eine, – das der Aeltesten, – war ganz duftend von Rosen; das zweite, – das der Jüngeren, – verschwand unter Immergrün; – das dritte,– und es war das der Jüngsten, eines armen Kindes von sieben Jahren, welches das Almosen in die Hand der Bettlerin gedrückt hatte, und die, zuerst befallen, zuerst ihre Engelsflügel geöffnet hatte, um gen Himmel zu fliegen, – das dritte war mit Veilchen bedeckt.

      Seit dem Tode ihrer drei Töchter brachte Madame Snart täglich dort eine Stunde zu, indem sie die Blumen, die sie auf ihre Gräber gepflanzt hatte, pflegte und begoß, und ihre letzte Wohnung in diesem geheiligten Triangel vorbereitete.

      Der mit so vieler Ungeduld von ihr erwartete Tag war endlich gekommen: ein Grab war gegraben worden und erwartete sie.

      Herr Smith und ich verrichteten ein Gebet über diesem bescheidenen Sarge, welcher, als das Gebet beendigt, auf den Stricken gleitend und die engen Wände der Gruft schlagend, hinunter sank. Bald meldeten die knarrend wieder heraufkommenden Stricke, daß der Sarg den Grund berührt hätte; ein letztes Gebet wurde durch diese Todtengruft der Leiche zugesendet, die bereits in dem Schatten der Ewigkeit schwebte; dann rollte unter dem Spaten des Todtengräbers die erste Schaufel voll Erde, die auf den Sarg mit jenem so dumpfen Klange fiel, daß der, der ihn ein Mal gehört hat, ihn niemals vergißt; dann kamen die anderen weniger geräuschvollen Schaufeln; dann endlich erhob das gefüllte Grab über dem Grase jenen grauen Hügel, der außerhalb der Erde an die Form des Sarges erinnert, den man in seinen Eingeweiden begraben hat.

      Ich hatte Lust, auf diesem Grabe einige Worte des Abschiedes auszusprechen, aber in dem Augenblicke, wo ich den Mund öffnete, erstickte Schluchzen meine Stimme.

      Dieses Schluchzen sagte mehr, als die beredteste Leichenrede gesagt hätte.

      Wenn ich hätte sprechen können, so ist hier das, was ich ohngefähr gesagt hätte:

      – Fromme Frau! edles Herz! glückselige Seele! der Tod, den Du ohne Ungeduld, wie ohne Schrecken erwartetest, hat Dich endlich heimgesucht, um Deine Schmerzen zu beruhigen, Deine Leiden und Deine Besorgnisse zu beendigen . . . In diesem Augenblicke, gute Mutter, hast Du Deine drei Kinder wiedergefunden; der Anblick ihrer Leichenkränze läßt Deine Thränen nicht mehr fließen, denn diese Kränze leuchten frisch, duftend, unsterblich auf ihrer Engelsstirn. Der, welcher weint, bin ich, der Dich überlebt hat. Der noch nicht weiß, was das Leben ihm für Wonnen und für Schmerzen vorbehält, und der ich mich, glückselige Frau, auf Deine Gebete verlasse, um von mir die Bangigkeiten abzuwenden, die Du erlitten hast, oder, wenn Du sie nicht abwenden kannst, mir wenigstens die Kraft zu verleihen, sie zu ertragen, wie Du sie selbst ertragen hast! . . .

      Das ist es, was ich laut gesagt hätte; das ist es, was ich leise stammelte.

      Schweigend, ohne ein einziges Wort auszusprechen, kehrte ich auf den Arm des würdigen Herrn Smith gestützt zurück.

      An dem Thore des Friedhofes zerstreute sich das Gefolge; die Erben allein blieben in einer Gruppe, und erreichten das Haus wieder, indem sie den Schritt beschleunigten.

      Wie ich gesagt, hatten sie Eile, das Dorf zu verlassen, indem Jeder das mitnahm, was ihm zukam.

      Als ich gleichfalls ankam, konnte ich daher auch die letzten, mit Möbeln beladenen Karren um die Ecke der Straße fahren sehen.

      – Werde ich mit Ihnen eintreten, oder Sie hier verlassen, mein Amtsbruder? fragte Herr Smith.

      – Ich danke für Ihr Anerbieten, antwortete ich ihm, aber ich habe das Bedürfniß, allein zu sein . . .

      –Dann umarmen Sie mich, sagte er, und erinnern Sie sich, daß Sie eine Meile weit von hier, in dem Dorfe Wirksworth, einen Freund haben.

      Wir umarmten uns; hierauf entfernte er sich, nachdem er mir die Hand gedrückt.

      Ich wartete auf der Schwelle, bis daß ich auch ihn hatte verschwinden sehen, und nun betrat ich das einsame, leere und auf seine vier Wände beschränkt? Haus.

      – Nein, mein lieber Petrus, in meinem Leben hatte ich nicht, noch werde ich wahrscheinlicher Weise jemals ein solches Gefühl der Traurigkeit, der Verlassenheit, der Einsamkeit empfinden. Alle Thüren und alle Fenster standen offen; man fühlte, daß der Tod hier durchgekommen war, und daß sich vor diesem unumschränkten Gebieter, wie vor einer geheiligten Majestät, Thüren und Fenster geöffnet hatten.

      Stumm, und selbst gleich einem Schatten, irrte ich überall herum.

      Ein einziger Schemel, von zu geringem Werthe gehalten, um mitgenommen zu werden, war in einer Ecke geblieben, und lehnte sich wackelnd an die Wand. – Dieser Schemel und das Fernrohr meines Großvaters, des Bootsmannes, war der Anfang meines zukünftigen Mobiliars, und mit einer Guinee und einigen in meiner Tasche verlorenen Schillingen war das Alles, was ich auf der Welt besaß.

      Ich verschloß die Thüren und die Fenster; ich trug meinen Schemel in das Zimmer der Wittwe, lehnte ihn an die Wand, an dieselbe Stelle, wo ihr Bett stand und setzte mich darauf, indem ich flüsterte:

      – O! wie Du Recht hattest, junges Mädchen, als Du von Deinen