vier sind einäugig, welches von ihrer Art sich unter einander zu schlagen herkommt; sie rollen das Haar ihres Gegners zwischen den Zeige- und Mittelfinger, und mit dem Daumen drücken sie ihm das Auge aus. Es giebt deren, die sich sehr geschickt darin eingeübt haben, und nie ihren Zweck verfehlen. Auch wenn es ans Entern geht, unterlassen sie selten, ihre Lanze oder ihr Messer wegzuwerfen und Mann gegen Mann mit dem ersten Engländer, der ihnen aufstößt, zu kämpfen, so daß sie ihn mit einer Schnelligkeit und Geschwindigkeit einäugig machen, die man nur gern ansieht. Sie sehen, daß ich nicht log, als ich ihnen von einer vollständigen Sammlung sagte.«
– »Aber,« versetzte der Graf, der diese lange Aufzählung mit einem gewissen Interesse angehört hatte, »wie fängt ihr Kapitän es an, sich mit diesen so verschiedenen und hier auf einem Punkte vereinigten Menschen zu verständigen?«
– »Fürs Erste versteht der Kapitän alle ihre Sprachen; im Sturme und in der Schlacht, wo er seine Muttersprache spricht, weiß er ihr aber einen solchen Accent zu geben, daß man das Gehorchen begreift. Aber sehen sie, die Cajüte des Backbords geht auf: er ist ohne Zweifel zu ihrem Empfange bereit.«
In der That erschien ein Knabe in der Tracht eines Midshipmans, ging zu den beiden Officieren und fragte Manuel: ob er Graf von Auray sei, und als er es bejahte, bat er ihn, ihm zu folgen. So gleich kehrte der Officier, der seine Rolle so gewissenhaft erfüllt hatte, aufs Verdeck zu einem Posten zurück. Manuel aber trat mit einer von Unruhe und Neugier vermischten Aufregung auf die Thüre zu: so sollte er den Kapitän Paul endlich sehen! Es war ein Mann, der fünfzig bis fünfundfünfzig Jahre alt zu sein schien und dem die Gewohnheit, sich auf dem Zwischendecke auf zu halten, mehr als das Gewicht der Jahre gekrümmt hatte. Er trug die königliche Seeuniform mit der pünktlichsten Strenge: ein königsblauer Rock mit Scharlachaufschlägen, rother Weste und Unterkleidern, graue Strümpfe, Jabot und Manschetten. Sein en boudin aufgerolltes Haar war weiß gepudert und hinten, dicht am Kopf, mit einem Bande befestigt, dessen Enden herunter flatterten. Sein dreieckiger Hut und sein Degen lagen neben ihm, auf dem Tische. Im Augen. blicke, wo Manuel auf der Schwelle erschien, saß er auf dem Schafte einer Kanone, stand aber auf, als er ihn erblickte.
Der junge Graf fühlte sich wie eingeschüchtert bei dem Anblicke dieses Mannes; in seinen Augen lag ein forschender Strahl, der bis in die Seele dessen zu dringen schien, den er ansah. Vielleicht war auch dieser Eindruck um so mächtiger, da er sich mit einem Gewissen hier vorstellte, das ihm über die sonderbare Handlung, die er vollziehen wollte, Vorwürfe machte, weil er den Kapitän zu seinen Mitschuldigen, wenigstens Vollzieher derselben zu machen kam. Als ob Beide gegen einander etwas Abstoßendes empfunden hätten, begrüßten sie sich jetzt höflich, aber mit Zurückhaltung.
– »Ich habe die Ehre, mit dem Herrn Grafen von Auray zu sprechen?« fragte der Kapitän Paul.
– »Und ich mit dem Kapitän Paul?« antwortete der junge Mann, und Beide verbeugten sich zum zweiten Male.
– »Darf ich fragen,« begann jetzt der alte Officier, »welchem glücklichen Zufalle ich die Ehre des Besuchs des Erben eines der ältesten und schönsten Namens der Bretagne verdanke?«
Nochmals verbeugte sich Manuel, um zu danken, dann sagte er nach einer Pause, als fiele es ihm schwer, das Gespräch einzuleiten:
»Kapitän, man hat mir gesagt, daß ihre Bestimmung der Golf von Mexico sei?«
»Und hat den Herrn Grafen nicht getäuscht Ich denke nach New-Orleans zu segeln und zu Cayenne und in der Havanna anzulegen.«
– »Das trifft sich herrlich, Kapitän, und es wird nicht außer ihrem Wege liegen, wenn sie sich, wie ich hoffe, der Ausführung einer Ordre unterziehen, deren Ueberbringer ich bin.«
»Sie haben mir eine Ordre mitzutheilen, Herr Graf? und von wem?«
»Von dem Ministerium der Marine.«
– »Eine an mich persönlich gerichtete Ordre?« versetzte der Kapitän mit zweifelhaftem Tone.
»Das gerade nicht, mein Herr; aber an jeden Kapitän der königlichen Marine, der nach Südamerika unter Segel geht.«
»Und was betrifft sie, Herr Graf?«
»Hier ist sie!« antwortete Manuel, zog die Ordre hervor und übergab sie ihm.
Er nahm sie, und sich dem Fenster nahend, um von dem letzten Lichte des Tages sich leuchten zu lassen, las er laut:
»Das Ministerium des Seewesens und der Colonieen befiehlt jedem Kapitän oder Lieutenant, der ein Fahrzeug des Staates commandiert und nach Südamerika oder den Golf von Mexico unter Segel gehen wird, einen gewissen Lusignan an Bord zu nehmen und in Cayenne auszusetzen, da er zur Deportation auf immer verurtheilt ist. Während der Ueberfahrt erhält der Verurtheilte in seiner Kajüte zu essen, hat aber Nichts mit der Equipage zu schaffen.«
»Ist die Ordre in gehöriger Form?« fragte der Graf.
»Vollkommen, mein Herr,« erwiderte der Kapitän.
»Und sind sie geneigt, sie auszuführen?«
»Steh ich nicht unter der Ordre des Marineministeriums?«
»So kann man ihnen den Gefangenen zusenden?«
»Wenn sie wollen, Herr Graf. Nur so bald als möglich, denn ich denke nicht lange an diesem Gestade zu bleiben.«
»Ich werde auf Eile bedacht sein.«
»War das Alles, was sie mir zu sagen hatten?«
»Alles, und ich habe nur noch meinen Dank hinzuzufügen!«
»Fügen die Nichts hinzu, mein Herr. Der Minister gebietet und ich gehorche, das ist Alles; ich erfülle meine Pflicht und es ist kein Dienst, den ich ihnen erzeige.«
Mit diesen Worten grüßten sich beide aufs Neue und verließen einander, eben so kalt, als sie zusammen gekommen waren.
Als Manuel wieder auf das Verdeck kam, fragte er den wachthabenden Officier nach seinem Gefährten und erhielt zur Antwort: der Kapitän Paul habe ihn zum Abendessen behalten; doch stehe sein Boot dem Grafen zu Befehl.
Es erwartete ihn unten an der Schiffstreppe, und schon erhoben die Matrosen die Ruder, um ihn zurück zu führen. Kaum war er unten, so entfernte es sich eben so schnell, als es gekommen war; doch diesmal schiffte es traurig und schweigend, denn der junge Seemann belebte nicht mehr die Unterhaltung mit den Axiomen seiner dichterischen Philosophie.
Dieselbe Nacht noch ward der Gefangene an den Bord der Indianerin gebracht, und als am andern Morgen der Tag anbrach, suchten die Neugierigen vergebens die Fregatte auf dem Ocean, die ihnen seit acht Tagen so viel Stoff zu Muthmaßungen gegeben hatte, und deren unerwartete Ankunft, wie ihre Station ohne Resultat, und schleunige Abreise den Bewohnern von Port-Louis lange Zeit ein unerklärliches Geheimniß blieben.
III
Da die Ursachen, welche den Kapitän Paul an die Küste der Bretagne brachten, mit unserer Geschichte in keinem andern Zusammenhange stehen, als in dem, der eben erzählten, Ereignisse, werden wir unsere Leser in derselben Ungewißheit lassen, als wie die Bewohner von Port-Louis: ob uns aber auch unsere Bestimmung und unser Beruf natürlich auf das Land zieht, wollen wir ihn dennoch einige Tage auf seiner abentheuerlichen Fahrt auf dem Ocean begleiten.
Das Wetter war so schön, als es in den abendländischen Gestaden in den ersten Herbsttagen nur sein kann. Die Indianerin segelte brav vor dem Winde. Die sorglosen Matrosen verließen sich auf den Anblick des Himmels, und mit Ausnahme einiger am Steuer beschäftigter Männer, brachte die auf die verschiedenen Partien des Schiffes zerstreute Equipage die Zeit nach Gefallen zu, als plötzlich eine, wie vom Himmel herabschallende Stimme rief: »Ohe! ohe! ein Segel!«
»Holla!« antwortete der vorn stehende Hochbootsmann; »Herr Officier von der Wacht! melden sie es dem Kapitän!«
– — »Ein Segel! ein Segel!« wiederholten die Matrosen auf dem Verdecke, denn in diesem Augenblicke hatte eine Welle das Fahrzeug so gehoben, daß es den geübten Augen der Seeleute am Rande des Horizontes sichtbar ward, ob sie gleich der minder scharfe Blick eines Passagiers oder Landsoldaten für den ausgespannten Flügel einer Möve hätte halten können.
»Ein