Portier den Einfall hätte, meine Farben in Ordnung zu stellen, oder meine Zeichnungen und Entwürfe aufzuräumen. Morgens würde ich nicht mehr wissen, die Sache wiederzufinden, die ich nöthig habe, ohne den Schaden zu berechnen, den die Gegenstände durch solche Ordnungsliebe erleiden müssen. Also abgemacht, nur muß Alles in demselben Stande bleiben! Jetzt wollen wir einen andern Punkt besprechen.«
»Welchen?«
»Ich begehre nicht die fragliche Person kennen zu lernen; wenn sie folglich Lust hätte, während des Tages zu kommen, so würdest Du die Güte haben, mir im Voraus ein Wort zu schreiben, und ich werde Euch dann das Zimmer frei lassen. Bist Du damit einverstanden?«
»Vollkommen.«
»Das ist noch nicht Alles, Du wirst meiner unbekannten Besucherin empfehlen, keine weibliche Zierrath hier zurück zu lassen.«
»Warum?«
»Weil, wenn diese durch eine niedere Hand als die meinige gefunden würde, diese andere Hand mir die Augen ausreißen würde. Du wirst also über diesen Umstand sorgfältig wachen.«
»Ja.«
»Nun, mein Lieber, von 6 Uhr bis Mitternacht kannst Du alle Abende diese Zimmer als Dein Eigenthum ansehen.«
»Aber wie kann ich den Schlüssel erhalten?«
»Das wirst Du gleich sehen.«
Paul verließ das Zimmer, und indem er vor seiner Thür stehen blieb, rief er mit aller Kraft seiner Lungen:
»Vater Fremy.«
»Hier,« antwortete die Portierstimme.
»Kommen Sie, ich will mit Ihnen sprechen.«
»Hier bin ich, Herr Aubry.«
Der Maler ging in sein Atelier zurück, wo er seinen Freund. vor seinem Gemälde sitzend und es mit Interesse betrachtend, fand.
Im Vorbeigehen wollen wir erwähnen, daß Aubry ein Künstler von großem Talent war.
»Weißt Du, daß dies ein wunderschönes Gemälde ist,« sagte Maximilian.
»Hm, es ist das wohl auch nur eine Art gleich jeder andern, Dich mir dankbar zu beweisen.«
»Keineswegs, ich spreche aufrichtig mit Dir. Bist Du mit den Erfolgen Deiner Kunst zufrieden?«
»O nein! Die Künstler haben jetzt nur Geschäfte mit ihres Gleichen, Bürgern, Kunsthändlern und reichere Leuten. Die Künstler selbst kaufen keine Gemälde; die Bürger bezahlen sie nicht. Die Gemäldehändler drücken uns und machen uns bankerott, und die reichen Leute kaufen nur von Gemäldehändlern. Daraus folgt, daß Plutos fortwährend nicht der Gott der Künstler ist, am wenigsten der der Maler.«
In diesem Augenblicke trat Fremy ein«
»Ah! Sie hier«sagte Aubry, nachdem der Portier eingetreten war. »Sehen Sie sich diesen Herrn genau an,« indem er auf Maximilian zeigte.
»Dieser Herr wird bisweilen Gefallen daran finden, Abends hierher zu kommen. Sie werden ihm meinen Schlüssel geben, wenn er selbigen von Ihnen verlangt, und wenn er Ihnen aufträgt, meinen Schlüssel Jemand Anderen zu geben, so werden Sie ihn auch der Person geben, welche er Ihnen bezeichnen wird.«
»Sehr wohl, mein Herr!«
»Wenn der Herr hier ist, werden Sie Niemand hier eintreten lassen.«
»Sie können ganz ruhig sein.«
»Ich will dieser Ordre die Bemerkung beifügen, Vater Fremy, daß, wenn Sie verschwiegen sind, Sie eine hübsche Anzahl von Stücken zu 100 Sous gewinnen werden, und daß, wenn Sie blind, taub und stumm dazu sind, Stücke von 20 Franken den Erstern folgen dürften. Haben Sie verstanden?«
»Vollkommen.«
»Für diesen Fall gehen Sie wieder zu Madame Fremy, welche wegen Ihnen vielleicht in Sorge ist. Jetzt, lieber Freund, hast Du nur geradewegs zu schreiben, daß Du gesunden hast, was Du brauchst, und Du kannst von heute Abend an kommen, wenn es Dir recht ist.«
»Du bist der Retter meines Lebens,« sagte Maximilian indem er die Hand die Malers dankbar drückte; »und wenn ich Dir jemals mit etwas gefällig sein kann, so erinnere Dich, daß ich Dir einen Dienst schuldig bin. Ich verlasse Dich jetzt, um zu Mittag zu Hause zu sein.«
»Immer noch unter Vormundschaft also?«
»Ach ja, mein Lieber; mein Vater und meine Mutter haben alle meine Schritte endlich bis dahin in den Kreis ihrer Aussicht gezogen, daß sie alle Tage über das, was ich gethan habe, von mir Rechenschaft verlangen, und daß ich Ihnen die Rechenschaft gebe, welche sie von mir fordern.«
»Doch heute wirst Du ihnen wohl nicht sagen, woher Du kommst?«
»Ja, nur werde ich ihnen nicht sagen, warum ich gekommen hin.«
Maximilian drückte zum letzten Male die Hand seines Freundes« und entzückt über den Erfolg seines Besuches begab er sich nach Hause und schrieb alsbald an die Marquise:
»Madame!
»Ich habe fleißig der Wahrsagerkunst obgelegen und es ist mir gelungen, in der Zukunft zu lesen. Nun, Folgendes wird sich morgen Abend in der Märtyrerstraße vor Nr. 67 ereignen.
»Es wird dort ein Mann sein, der Sie liebt und dem Sie erlaubt haben, Sie zu. lieben. Dieser Mann wird von 8 – 9 Uhr dort lustwandeln. Ich habe nicht nöthig, Ihnen zu sagen, wen er erwartet. Nur das Eine mögen Sie wissen« daß er einen glücklichen Einfall gehabt hat und daß er sehr zu beklagen sein wird, wenn Sie keine Nachsicht mit ihm haben.«
Am frühere Morgen empfing Maximilian ein Billet folgenden Inhalts:
»Warten Sie von 8 bis 8 ¼ Uhr; hoffen Sie von 8 ¼ bis 8 ½ Uhr; verzweifelte Sie von 8 ½ bis 9 Uhr, denn wenn zu dieser Zeit Diejenige, welche Sie erwarten, nicht gekommen ist, so ist es ihr unmöglich gewesen. Im Ganzen aber dürfte diese Unmöglichkeit nur schwer eintreten.«
Maximilian legte die zwei Briefe der Marquise in sein Bureau, den Schlüssel dazu steckte er in seine Tasche; und als er einige Augenblicke nachher auf’s Pferd stieg, war er offenbar der glücklichste Mensch von Paris.
Doch der Tag wollte nicht enden.
Um 7 ½ Uhr nahm Maximilian einen Wagen, und eine Viertelstunde später war er vor dem Hause Aubry’s.
Um 8 Uhr 20 Minuten hielt ein Fiakre neben ihm, und eine verschleierte Dame stieg heraus.
»Wo führen Sie mich hin?« war das erste Wort dieser Dame.
»In dieses Haus«
»Zu wem?«
»Zu einem zuverlässigen Freunde.«
»Einem zuverlässigen Freunde?«
»Rechnen Sie auf ihn.«
»Werden wir ihn selbst antreffe?«
»Nein, er wird vor Mitternacht nicht wiederkommen.«
»Nun, so wollen wir eintreten.«
Maximilian klingelte hierauf und die Thür öffnete sich.
»Lassen Sie Ihren Schleier nieder und gehen Sie immer gerade fort,« sagte Maximilian zu der Marquise.
»Bis wohin?« sagte sie.
»Bis hinter in den Garten,« antwortete der Baron lachend.
»Was treibt Ihr Freund?«
»Er ist Maler.«
Maximilian trat bei Vater Fremy ein, welcher, ohne ein Wort zu reden, dem Baron den Schlüssel und ein Wachslicht reichte.
Die Marquise war schon bis zur Thür des Ateliers gelangt.
Es giebt stets bei einem ersten Besuche dieser Art materielle Schwierigkeiten, die gewöhnlich vollständig bei dem zweiten wegfallen. Diese Schwierigkeiten existieren wohl mehr für den Mann als für die Frau, welche sich um keins der vorbereitenden Details zu kümmern hat. Auch Maximilian, welcher sehr bewegt war, wagte nichts zu sagen. Er öffnete schweigend die Thür seines Freundes, läßt Dianen eintreten und folgt ihr, indem er dafür besorgt ist, den Schlüssel