zu Mittag, um acht Uhr waren sie in der Oper; um Mitternacht waren sie wieder zurück.
Den folgenden Tag Mittags kam Marcelline, um ihre Freundin zu besuchen, welche noch schlief.
Marcelline trat jedoch in das Zimmer Diana’s ein, denn sie hatte das Recht, bei der Marquise zu jeder Stunde einzutreten.
Als sie die Thür öffnen hörte, erwachte Diana.
»Du bist es?« sagte sie zu Madame Delaunay.
»Ja, Du Langschläferin!« sagte diese, indem sie ihre Freundin umarmte.
»Warum Langschläferin?«
»Er ist Mittag!«
»Schon?«
»Du hast Dich wohl sehr spät schlafen gelegt?«
»Nein, ich habe geplaudert.«
»Mit wem?«
»Mit dem Marquis.«
»Ganz allein?«
»Ganz allein.«
»Ich verstehe das nicht. . . «
»Was ist denn dabei so ungewöhnlich?«
»Du bist also gestern Abend nicht ausgegangen?«
»Nein.«
»Du hast den Baron nicht gesehen?«
»Nein.«
»Du bist also nicht allein ausgegangen?«
»Ich bin mit meinem Manne ausgegangen.«
»Und ihr seid zusammen zurückgekehrt?«
»Ja.«
»Und habt hier so lange geplaudert?«
»Bis vier Uhr früh,« sagte die Marquise lachend.
»Oh! der Marquis ist noch sehr geistreich.«
»Hat er Dich um diese Unterredung gebeten?«
»Nein, ich ihn.«
»Ach! das ist eine wirkliche Untreue, welche Du an dem Baron begangen hast.«
Die Marquise antwortete Nichts.
»Du liebst also den Marquis?«
Die Marquise begann zu lächeln.
»Ich will sterben, wenn ich ein Wort von alle dem verstehe.«
»Höre, sagte die Marquise, indem sie sich halb aufrichtete, »willst Du, daß ich offen gegen Dich bin? Marquise
»Ja.«
»Ich habe den vorgestrigen Abend mit dem Baron zugebracht, welcher zwanzig Jahre alt ist.«
»Schön.«
»Und den gestrigen Abend mit meinem Manne, welcher fünfundvierzig Jahre alt ist.
»Nun?«
»Nun, meine Liebe, ich ziehe meinen letzten Abend dem ersten vor.«
»Der Himmel erbarme sich!« sagte Marcelline, indem sie sich langsam auf einen Stuhl setzte.
»Meine Liebe, ich habe es wohl überlegt,« sagte Diana, »und es ist, wie ich Dir sagte.«
»Dann komme ich ungelegen.«
»Warum?«
»Weil ich Dir einen Brief des Barons bringe.«
»Gieb ihn geschwind her, im Gegentheil; es ist nun die rechte Zeit, sich zu entschädigen.«
Madame de Lys nahm den Brief, strich ihr Haar zurück und begann zu lesen.
»Was sagt er Dir?« frug Marcelline.
»Daß er mich liebt.«
»Ist dies Alles?«
»Und daß er mich heute Abend zu sehen wünscht.«
»Und Du wirst gehen?«
»Ohne Zweifel«
»Auch dem, was Du mir soeben sagst?«
»Gewiß, Seitdem ich Maximilian kenne, gefällt mir mein Mann, nach dem Gesetze der Contraste. Um des Marquis willen, sehe ich den Baron wieder.«
»Diana, willst Du, daß ich aufrichtig gegen Dich bin?«
»Sprich.«
»Nun, ich habe Dich nie so gesehen, wie seit einigen Tagen, und Du scheinst mir jenen Kranken gleich, welche sich lange Zeit in ihrem Bette herumdrehen, bevor sie den Platz finden, welcher ihnen behagt. Ich bin überzeugt, daß nach vielem Zaudern Du ernsthaft lieben wirst.«
»Diese wäre ein Unglück,« sagte Diana lachend, »aber ich versichere Dich, daß es mich nicht wundern würde. Setze Dich, ich will an Maximilian schreiben.«
Man wird uns ohne Zweifel sagen, daß wir einen Charakter schildern, der in der Wirklichkeit nicht existiert, daß wir die Unsittlichkeit durch das Bedürfniß nach Vergnügen beschönigen, und im schönen Gewande zeichnen, kurz, daß es keine Frauen wie die Marquise gibt.
Hierauf antworten wir, daß alle unthätigen Frauen das zu thun fähig sind, was Diana that.
Es gibt ein Sprichwort, welches heißt: »Müßiggang ist aller Laster Anfang.«
Von allen Sprichwörtern ist dies eins von denen, welche vollkommenen Grund haben.
In der That, wenn man mit physischer Unthätigkeit die moralische Trägheit verbindet, wenn eine Frau, die ihre Zeit nicht anzuwenden weiß, auch reicht weiß, wie sie ihr Herz beschäftigen soll, ist diese Frau, wie unsere Heldin, nicht der Gefahr ausgesetzt, Zerstreuungen in den Gefühlen zu suchen, welche ihr unbekannt geblieben sind?
Wenn sie um sich her Frauen sieht, die stolzer auf ihre Fehler, als andere auf ihre Tugenden sind; wenn sie die Welt diesen Frauen nicht allein verzeihen, sondern sie durch ihren Skepticismus und ihre lockere Moral sogar triumphieren sieht, ist es zu verwundern, daß sie dadurch angespornt wird, das Gute und das Böse kennen zu lernen, dessen Einflüssen schon die unschuldige Eva nicht hat widerstehen können?
Wenn eine Frau einen Mann wie den Marquis heirathet; wenn sie weder einen Vater besitzt, der über sie wacht, noch eine Mutter, um ihr zu rathen; wenn sie keine Kinder hat, wenn sie die unbeschränkteste Freiheit genießt, diese schlechteste Rathgeberin der Frauen; wenn sie alles Das erreicht hat, was sie gewünscht, und wenn sie noch nicht dreißig Jahre alt ist, was will man, daß sie thun soll?
Daß sie sich dieser Neugierde entgegenstellt, die eine Folge ihrer Schönheit, ihrer Unthätigkeit und ihrer Jugend ist?
Bemerken Sie wohl, daß wir hier nicht von Frauen sprechen, welche sich plötzlich und unvorbereitet von Liebe für einen Andern, als ihren Mann, ergriffen fühlen, und welche endlich der Versuchung dieser Liebe unterliegen, welche sich nur so mehr steigert, je öfter sie dieselbe unterdrückt haben. Diese Frauen brauchen nicht entschuldigt zu werden. Ihre Entschuldigung liegt in ihrer Liebe.
Diejenige, von denen wir reden, sind solche, welche, wie die Marquise, aus Langeweile sündigen. Wenig kümmert sie der Mann, den sie lieben. Das, was ihnen noth thut, ist das Reue und Zerstreuende. Diese sind daher auch zahlreicher, als die Andern.
Es sind schöne Frauen, immer lächelnd, Frauen, für welche das Leben keine wirkliche Betrübniß, die Liebe keinen ernsten Verdruß, der Fehler keine Gewissensbisse hat. Sie sind es, welche Niemand lieben, Niemand hintergehen. Ihre Liebe ist vorübergehend und parfümiert wie die Blumen, leicht wie Gaze, durchsichtig wie der Krystall. Wenn sie weinen, so sind sie nervenkrank. Sind sie traurig, so geschieht dies, weil sie allein sind; dann aber handeln sie gleich Berauschten, welche, wenn sie nicht mehr den Wein trinken können, den sie lieben, zu etwas Anderen greifen, weil die Trunkenheit ihnen zur Gewohnheit geworden, so daß sie lieber einen schlechten Wein, als gar nicht mehr trinken!
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