nicht, mein Sohn; beim Teufel! sie ist höchst erfreulich für einen König, der zwei bis dreimal im Monat der Juden bedarf.«
»Dieser Schuft soll nun einmal nicht das letzte Wort haben,« sagte der König. »Meine Herren, schweigt, dann wird ihm doch wenigstens Niemand etwas erwidern.«
Auf der Stelle trat das tiefste Stillschweigen ein. Und dieses Stillschweigen, das Chicot, äußerst aufmerksam auf den Weg, den man machte, durchaus nicht zu brechen geneigt schien, dauerte bereits einige Minuten, als man plötzlich, jenseits der Place Maubert, beim Eingang der Rue des Royers, Chicot sich aus der Sänfte schwingen und an der Ecke eines Hauses von ziemlich gutem Aussehen, an welchem ein Balkon von geschnitztem Holz auf einem Gesimse von angemalten kleinen Balken vor ragte, niederknien sah.
»Hei Heide,« rief der König, »wenn Du niederknien willst, so Knie wenigstens vor dem Kreuze nieder, das die Mitte der Rue Sainte-Geneviève bildet, und nicht vor diesem Hause; enthält es denn eine Kirche oder einen Ruhealtar?«
Doch Chicot antwortete nicht; er hatte sich auf beide Kniee auf das Pflaster geworfen und sprach ganz laut folgendes Gebet, von dem der König horchend kein Wort verlor:
»Guter Gott! gerechter Gott; hier ist es, ich erkenne es und werde es mein ganzes Leben erkennen, hier ist das Haus, wo Chicot, wenn nicht für Dich, mein Gott, wenigstens für eines Deiner Geschöpfe gelitten hat; Chicot hat Dich nie gebeten, es möge Herrn von Mayenne,6 dem Urheber seines Märtyrertums, oder Meister Nicolas David, dem Werkzeuge seiner Züchtigung Unglück widerfahren. Nein, Herr, Chicot wusste zu warten, denn Chicot ist geduldig, obgleich er es nicht ewig ist, und nun sind es sechs gute Jahre, worunter ein Schaltjahr, dass Chicot die Interessen der kleinen zwischen ihm, Herrn von Mayene und Nicolas David eröffneten Rechnung anhäuft; zu zehn vom Hundert aber, was der gesetzliche Zinsfuß ist, da der König hiernach entlehnt, verdoppeln in sieben Jahren die angehäuften Interessen das Kapital. Mache also, großer Gott! gerechter Gott! dass die Geduld von Chicot noch ein Jahr währt, damit die fünfzig Steigriemenhiebe, welche Chicot in diesem Hause auf die Befehle dieses Mörders von einem Prinzen Lothringen, und von diesem Raufer von einem Advokaten, welche aus dem Leibe von Chicot eine Pinten Blut gezogen haben, sich auf zwei Pinten Blut und hundert Steigriemenhiebe für jeden von ihnen belaufen mögen; so dass Herr von Mayenne, so dick er ist, und Nicolas David, so lang er ist, nicht mehr genug Haut und Blut haben, um Chicot zu bezahlen, und dass sie genötigt sind, einen Bankrott von fünfzehn bis zwanzig Prozent zu machen, indem sie unter dem achtzigsten oder fünf und achtzigsten Ruthenstreiche verscheiden.
»Im Namen des Vaters, des Sohnes, und des heiligen Geistes, Amen.«
»Amen!« wiederholte der König.
Chicot küsste die Erde und kehrte unter dem höchsten Erstaunen aller Zuschauer, welche nichts von dieser Szene verstanden, wieder an seinen Platz in der Sänfte zurück.
»Ah! Meister Chicot!« sagte der König, dem sein Rang, obgleich seit drei Jahren so vieler Vorrechte beraubt, welche er Andere hatte nehmen lassen, wenigstens das Recht verlieh, zuerst unterrichtet zu sein, »ah! mein lieber Chicot, warum diese lange und sonderbare Litanei, warum alle diese Schläge an die Brust, warum endlich alle diese Mummereien vor einem scheinbar so profanen Hause?«
»Sire,« erwiderte der Narr, »Chicot ist wie der Fuchs. Chicot beriecht und beleckt lange die Steine, wo er sein Blut gelassen, bis er auf diese Steine die Köpfe derjenigen stößt, welche es vergossen haben.«
»Sire!« rief Quélus, »ich wollte wetten, Chicot hat in seinem Gebet, wie Eure Majestät hören konnte, den Namen des Herzogs von Mayenne ausgesprochen; Sire, ich wollte also wetten, dass sich dieses Gebet auf die Bastonnade bezieht, von der wir so eben sprachen.«
»Wettet Seigneur Jacques von Levis, Graf von Quélus,« sagte Chicot, »wettet und Ihr werdet gewinnen.«
»Also hier …« sagte der König.
»Ganz richtig,« versetzte Chicot, »in diesem Hause hatte Chicot eine Geliebte, ein gutes, reizendes Geschöpf, ein Fräulein, meiner Treue! In einer Nacht, als er sie besuchte, ließ ein gewisser eifersüchtiger Prinz das Haus umstellen, Chicot packen und auf eine so grausame Weise prügeln, dass Chicot von diesem Balkon herab auf die Straße sprang. Da es nun ein Wunder ist, dass Chicot sich hierbei nicht tötete, so kniet er, so oft er an diesem Hause vorüber kommt, nieder, betet und dankt in seinem Gebete dem Herrn, dass er ihn einer so schlimmen Lage entrissen hat.«
»Ah! armer Chicot, und Ihr verdammt Ihn, Sire! Es heißt jedoch, wie mir scheint, als guter Christ handeln, wenn man thut, was er thut.«
»Ihr seid also gehörig durchgeprügelt worden, mein armer Chicot?«
»Oh! vortrefflich, doch noch nicht so sehr, als mir lieb gewesen wäre.«
»Wie so?«
»Nein, in der Tat, es wäre mir nicht unangenehm gewesen, wenn ich einen tüchtigen Degenstich bekommen hätte.«
»Für Deine Sünden?«
»Nein, für die von Herrn von Mayenne.«
»Ah! ich begreife; es ist Deine Absicht, Cesar wiederzugeben…«
»Cesar, nein, verwechseln wir das nicht, Sire, Cesar ist der große General, der mutige Krieger, es ist der ältere Bruder, derjenige, welcher König von Frankreich sein will, nein, dieser steht in Rechnung mit Heinrich von Valois; bezahle Deine Schulden, Valois, ich werde die meinigen bezahlen.«
Heinrich hörte es nicht gern, wenn man von seinem Vetter Guise sprach; die Rede von Chicot machte ihn auch sehr ernst, so dass man nach Bicêtre kam, ohne dass das unterbrochene Gespräch wieder seinen Fortgang nahm.
Man hatte drei Stunden gebraucht, um vom Louvre nach Bicêtre zu kommen. Die Optimisten zählten darauf, man würde am Abend des andern Tages Fontainebleau erreichen, während die Pessimisten Wetten anboten, man würde erst am zweiten Tage gegen Mittag dort eintreffen.
Chicot behauptete, man werde gar nie dahin kommen.
Sobald der Zug vor Paris war, schien er sich bequemer zu bewegen; der Morgen war ziemlich freundlich; der Wind blies minder heftig; der Sonne war es endlich gelungen, ihren Wolkenschleier zu durchdringen, und man hätte glauben sollen, man befände sich in einem der schönen Oktobertage, an denen bei dem Geräusch der letzten fallenden Blätter die Spaziergänger ihre Augen mit einem sanften Bedauern in das bläuliche Geheimnis des murmelnden Gehölzes tauchen.
Es war drei Uhr Nachmittags, als man zu den ersten Mauern der Umfriedung von Juvisy gelangte, von wo aus man bereits die über die Orge gebaute Brücke und das große Gasthaus zur Cour de France sah, das dem scharfen Abendwinde den Wohlgeruch seiner Bratspieße und das freudige Geräusch seines Herdes anvertraute.
Die Nase von Chicot fing im Fluge die kulinarischen Ausströmungen auf. Er neigte sich aus der Sänfte hervor und erblickte von ferne vor der Türe des Gasthofes mehrere in ihre Mäntel gehüllte Männer. Mitten unter diesen Männern war eine kurze und dicke Figur, der ein breitkrempiger Hut das Gesicht völlig bedeckte.
Diese Männer gingen rasch hinein, als sie den Zug erscheinen sahen.
Doch der Kurze war nicht so schnell von der Stelle gewichen, dass sein Anblick Chicot nicht aufgefallen wäre. In dem Augenblick, wo dieser kurze, dicke Mann hinein ging, sprang unser Gascogner aus der königlichen Sänfte, verlangte von einem Pagen sein Pferd, das dieser am Zügel führte, und ließ, sich an die Ecke einer Mauer drückend und in den ersten Schatten der Nacht verborgen, den Zug seinen Weg gegen Essonnes fortsetzen, wo der König Nachtlager zu halten gedachte; als sodann die letzten Reiter verschwunden waren, als das entfernte Geräusch der Räder der Sänfte auf dem Straßenpflaster sich im Raume verloren hatte, kam er aus seinem Verstecke hervor, ritt hinter dem Schloss hin und erschien an der Türe des Gasthauses, als ob er von Fontainebleau käme. Sobald Chicot vor dem Fenster war, warf er einen raschen Blick durch die Scheiben und gewahrte zu seinem Vergnügen, dass die Männer, die er bemerkt hatte, sich immer noch hier befanden und unter ihnen der kurze, dicke Mann, dem er die Ehre einer besonderen Aufmerksamkeit zuzugestehen geschienen hatte. Da jedoch Chicot, ohne Zweifel aus Gründen, von dem genannten Manne nicht erkannt zu werden wünschte, so ließ er sich, statt in das Zimmer,