doch wenigstens vollends Euer Kraut,« sagte Chicot, indem er ihm die Hand auf die Schulter legte und ihn wieder nieder sitzen machte.
Gorenflot schaute den Spinat an und stieß einen Seufzer aus; dann richteten sich seine Augen auf das rot gefärbte Wasser, und er wandte den Kopf ab.
Chicot sah, dass der Augenblick, den Angriff zu beginnen, gekommen war, und fuhr fort:
»Ihr erinnert Euch des kleinen Mittagsbrotes, von dem ich so eben sprach; wie? an der Porte Montmarte; Ihr wisst, wo wir, während unser großer König Heinrich III. sich und Andere geißelte, eine Krickente aus den Sümpfen der Grange-Batelière mit einer Kraftbrühe von Krebsen speisten und von jenem hübschen Burgunderweine tranken; wie nennt Ihr doch jenen Wein? Ist es nicht ein Wein, den Ihr entdeckt habt?«
»Es ist ein Wein aus meiner Gegend, aus der Romanée.«
»Ja, ja, ich erinnere mich, es ist die Milch, die Ihr eingesogen habt, als Ihr zur Welt kamt, würdiger Sohn von Noah!«
Gorenflot ließ mit einem schwermütigen Lächeln seine Zunge über seine Lippen hingehen.
»Was sagt Ihr zu jenem Weine?« sprach Chicot.
»Er war gut, doch es gibt bessern.«
»Das sagte auch eines Abends Claude Bonhomet, unser Wirt, welcher behauptet, es liegen davon in seinem Keller fünfzig Flaschen, wogegen der seines Bruders von der Porte Montmartre nur Treberwein sei.«
»Das ist die reine Wahrheit,« versetzte der Mönch.
»Wie, das ist die Wahrheit?« rief Chicot, »und Ihr trinkt von diesem abscheulichen, gefärbten Wasser, während wir nur die Hand auszustrecken haben, um einen solchen Wein zu trinken? Puah!«
Chicot nahm den Humpen und goss seinen Inhalt in das Zimmer.
»Alles hat seine Zeit, mein Bruder,« sprach Gorenflot. »Der Wein ist gut, wenn man, nachdem man ihn getrunken, nichts mehr zu tun hat, als Gott für seine Gaben zu verherrlichen. Doch wenn man eine Rede halten muss, so ist das Wasser vorzuziehen, nicht für den Geschmack, sondern für den Gebrauch: Facunda est aqua.«
»Bah!« rief Chicot. »Magis facundum est vinum, und zum Beweise mag dienen, dass ich, der ich auch eine Rede halten muss und Vertrauen zu meinem Rezepte habe, eine Flasche von dem Weine von der Romanée kommen lassen werde … und was ratet Ihr mir, dazu zu nehmen?«
»Nehmt nicht von diesem Kraute, es ist ganz außerordentlich schlecht.«
»Aeh,« sagte Chicot, indem er den Teller von Gorenflot an die Nase hielt, »äh!«
Dießmal öffnete er ein kleines Fenster und warf den Teller mit dem Gemüse auf die Straße. Dann wandte er sich um und rief:
»Meister Claude!« Der Wirt, welcher wahrscheinlich horchte, erschien auf der Schwelle.
»Meister Claude,« sagte Chicot, »bringt mir zwei Flaschen von dem Weine der Romanée, den Ihr besser als irgend Jemand zu haben behauptet.«
»Zwei Flaschen!« versetzte Gorenflot.«Warum, da ich nicht trinke?«
»Wenn Ihr tränket, so würde ich vier, so würde ich sechs Flaschen, so würde ich Alles kommen lassen, was im Hause ist. Doch wenn ich allein trinke, trinke ich schlecht, und zwei Flaschen werden mir genügen.«
»In der Tat, bemerkte Gorenflot, »zwei Flaschen, das ist vernünftig, und wenn Ihr dazu nur magere Speisen wählt, so wird Euer Beichtvater nichts dagegen einzuwenden haben.«
»Gewiß,« versetzte Chicot, »Fettes, an einem Mittwoch in der Fastenzeit, pfui doch!«
Und er wandte sich gegen einen Speisekasten, während Meister Bonhomet die zwei verlangten Flaschen aus dem Keller holte, und zog eine Poularde von Mans daraus hervor.
»Was macht Ihr denn da, mein Bruder?« sagte Gorenflot, der mit einem unwillkürlichen Interesse den Bewegungen des Gascogners folgte, »was macht Ihr denn da?«
»Ihr seht, ich bemächtige mich dieses Karpfen, aus Furcht, es könne ihn ein Anderer an sich reißen. An den Mittwochen in der Fastenzeit tritt eine Concurrenz bei dergleichen Esswaaren ein.«
»Ein Karpfe!« rief Gorenflot erstaunt.
»Allerdings ein Karpfe,« antwortete Chicot, indem er ihm den appetitlichen Vogel unter die Augen legte.
»Und seit wann hat ein Karpfe einen Schnabel?« fragte der Mönch.
»Einen Schnabel, wo seht Ihr einen Schnabel? Ich sehe nur ein Maul.«
»Füße?« fuhr der Genovever fort.
»Flossen.«
»Federn?«
»Schuppen; mein lieber Gorenflot, Ihr seid betrunken.«
»Betrunken!« rief Gorenflot, »betrunken! Ah, bei Gott! ich betrunken, ich, der ich nur Spinat gegessen und Wasser getrunken habe.«
»Euer Spinat belastet Euch den Magen und Euer Wasser steigt Euch in den Kopf.«
»Hier kommt unser Wirt, er soll entscheiden.«
»Worüber?«
»Ob dies ein Karpfe oder eine Poularde ist.«
»Es sei. Doch zuerst soll er die Flaschen öffnen. Ich will wissen, ob es derselbe ist. Öffnet, Meister Claude, öffnet.«
Meister Claude zog den Stöpsel aus einer Flasche und goß Chicot ein halbes Glas ein.
Chicot leerte das halbe Glas und ließ seine Zunge schnalzen.
»Ah!« sagte er, »ich bin ein schlechter Koster und meine Zunge hat nicht das geringste Gedächtnis. Ich kann durchaus nicht angeben, ob er besser oder schlechter ist, als der von der Porte Montmartre; ich weiß sogar nicht einmal gewiss, ob es derselbe ist.«
Die Augen von Gorenflot funkelten, während er die paar Tropfen flüssigen Rubin betrachtete, welche in dem Grunde des Glases von Chicot geblieben waren.
»Hört, mein Bruder,« sagte Chicot und goß einen Fingerhut voll Wein in das Glas des Mönches, »Ihr seid in der Welt für Euren Nächsten; leitet mich.«
Gorenflot nahm das Glas, setzte es an seine Lippen und verkostete langsam die wenigen Tropfen, die es enthielt.
»Es ist sicherlich von demselben Gewächs,« sagte er, »doch —«
»Doch,« wiederholte Chicot.
»Doch es war zu wenig,« fuhr der Mönch fort, »es war zu wenig, als dass ich entscheiden könnte, ob jener schlechter oder besser gewesen ist.«
»Es liegt mir aber daran, dies zu wissen. Pest! ich will nicht getäuscht werden, und wenn Ihr nicht eine Rede zu halten hättet, mein Bruder, so würde ich Euch bitten, diesen Wein noch einmal zu kosten.«
»Wenn es Euch Vergnügen macht —«
»Bei Gott!« rief Chicot. Und er füllte zur Hälfte das Glas des Genovevers.
Gorenflot setzte das Glas mit nicht weniger Ehrfurcht als das erste Mal an die Lippen und kostete mit nicht geringerer Gewissenhaftigkeit.
»Besser,« sagte er, »dieser ist besser, ich stehe dafür.«
»Bah! Ihr seid im Einverständnis mit unserem Wirt.«
»Ein guter Trinker,« versetzte Gorenflot, »muss beim ersten Schlucke das Gewächs, beim zweiten die Qualität und beim dritten den Jahrgang erkennen.«
»Ah! was den Jahrgang betrifft,« rief Chicot, »ich möchte wohl den Jahrgang dieses Weines wissen.«
»Das ist sehr leicht,« antwortete Gorenflot, ihm sein Glas reichend, »gießt mir nur zwei Tropfen ein, und ich will ihn Euch nennen.«
Chicot füllte das Glas des Mönches bis auf drei Viertheile; der Mönch leerte das Glas langsam, doch ohne abzusetzen.
»1561,« sagte er sodann, das Glas auf den Tisch stellend.
»Ganz richtig,« rief Claude Bonhomet, »1561, so ist es.«
»Guter Gorenflot,« sagte der