Александр Дюма

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4


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 . . .der reizende Aufenthalt in Trianon  . . .das Schloß von Versailles . . .«

      »Oh! ich wußte wohl, daß ich nur vorübergehend dort zu verweilen hatte.«

      »Werden Sie wenigstens hier Alles haben, was für Sie nothwendig ist?«

      »Ich werde Alles wiederfinden, was ich einst hatte.«

      »Lassen Sie sehen,« sprach Charny, der sich eine Idee von der zukünftigen Wohnung von Andrée machen wollte und umherzuschauen anfing.

      »Was wollen Sie sehen, mein Herr?« fragte Andrée, indem sie lebhaft aufstand und einen raschen, ängstlichen Blick nach dem Schlafzimmer warf.

      »Wenn Sie nicht zu demüthig in Ihren Wünschen sind, Madame, so ist dieser Pavillon wahrhaftig keine Wohnung  . . .ich bin durch ein Vorzimmer gegangen; hier befinde ich mich im Salon; diese Thüre – und er öffnete eine Seitenthüre, – ah! ja, diese Thüre führt in ein Speisezimmer, und jene  . . .«

      Andrée stellte sich behende zwischen den Grafen von Charny und die Thüre, auf welche er zuschritt und hinter der sie im Geiste Sebastian sah.

      »Mein Herr,« rief sie, »ich bitte Sie inständig, keinen Schritt weiter.«

      Und ihre ausgebreiteten Arme verschlossen den Durchgang.

      »Ja, ich verstehe,« sagte Charny mit einem Seufzer, »das ist die Thüre Ihres Schlafzimmers.«

      »Ja, mein Herr,« stammelte Andre« mit erstickter Stimme.

      Charny schaute die Gräfin an; sie zitterte und war bleich; nie harte sich die Angst durch einen schärferen Ausdruck kundgegeben, als der war, welcher sich aus dem Gesichte von Andrée verbreitet hatte.

      »Ah! Madame,« murmelte er mit einer thränenvollen Stimme, »ich wußte wohl, daß Sie mich nicht liebten; aber ich wußte nicht, daß Sie mich so sehr hassen!«

      Und unfähig, länger bei Andrer zu bleiben, ohne auszubrechen, schwankte er einen Augenblick wie ein Trunkener; dann aber raffte er alle seine Kräfte zusammen und stürzte aus dem Zimmer mit einem Schmerzensschrei, der bis im Grunde des Herzens von Andres wiederhallte.

      Die junge Frau schaute ihm nach, bis er verschwunden war; sie horchte mit gespanntem Ohr, so lange sie das Geräusch seines Wagens, der sich immer mehr entfernte, unterscheiden konnte; dann, da sie fühlte, daß ihr Herz dem Brechen nahe war, und da sie begriff, daß sie nicht zu viel mütterliche Liebe hatte, um diese andere Liebe zu bekämpfen, eilte sie in das Schlafzimmer und rief:

      »Sebastian! Sebastian!«

      Aber keine Stimme antwortete der ihrigen, und auf diesen Schmerzensschrei forderte sie vergebens ein tröstendes Echo.

      Beim Scheine der Nachtlampe, die das Zimmer erleuchtete, schaute sie ängstlich umher, und sie bemerkte, daß das Zimmer leer war.

      Und sie konnte doch kaum ihren Augen trauen.

      Zum zweiten Male rief sie: »Sebastian! Sebastian!«

      Dasselbe Stillschweigen.

      Nun erst gewahrte sie, daß das Fenster offen stand, und daß die äußere Luft, in das Zimmer eindringend, die Flamme der Nachtlampe zittern machte.

      Es war dasselbe Fenster, das man schon offen gefunden, als, fünfzehn Jahre früher, das Kind zum ersten Mal verschwunden war.

      »Ah! ganz richtig!« rief sie, »hat er mir nicht gesagt, ich sei nicht seine Mutter?«

      Da begriff Andrée, daß sie zugleich Alles, Kind und Gatten, verlor, in dem Augenblick, wo sie beinahe Alles wiedergefunden hätte; sie warf sich, die Arme ausgebreitet, die Hände krampfhaft zusammengezogen, auf ihr Bett; nun waren ihre Kräfte, ihre Ergebung, ihre Gebete erschöpft.

      Sie hatte nur noch Schreie, Thränen, Schluchzen und ein ungeheures Gefühl ihres Schmerzes,

      Eine Stunde ungefähr verging in dieser tiefen Vernichtung, in diesem Vergessen der ganzen Welt, in diesem Wunsche nach allgemeiner Zerstörung!, der die Menschen in der Hoffnung erfaßt, in das Nichts zurückkehrend,werde sie die Welt mit sich fortreißen.

      Plötzlich schien es Andrée, etwas noch Gräßlicheres als ihr Schmerz schlüpfe zwischen diesen Schmerz und ihre Thränen. Ein Gefühl, das sie nur drei oder viermal gehabt, und das immer den äußersten Krisen ihres Daseins vorhergegangen war, raubte ihr langsam Alles, was Lebendiges in ihr blieb. Durch eine von ihrem Willen beinahe unabhängige Bewegung erhob sie sich allmälig; ihre bebende Stimme erlosch in ihrer Kehle; wie unwillkürlich angezogen, drehte sich ihr ganzer Körper um sich selbst. Durch den feuchten Nebel ihrer Thränen glaubten ihre Augen zu unterscheiden, daß sie nicht allein war. Vertrocknend, fixirte sich ihr Blick und klärte sich auf: ein Mann, der über das Fenstergesims gestiegen zu sein schien, um in das Zimmer einzudringen, stand vor ihr. Sie wollte rufen, schreien, die Hand nach einer Klingelschnur ausstrecken, doch das war unmöglich  . . .sie empfand die unüberwindliche Erstarrung, welche ihr einst die Gegenwart von Balsamo bezeichnete. Endlich erkannte sie in dem vor ihr stehenden Mann, der sie mit dem Blicke und der Geberde bezauberte, Gilbert.

      Wie befand sich Gilbert, der verfluchte Vater, am Platze des innig geliebten Sohnes, den sie suchte?

      Dies beabsichtigen wir dem Leser zu erklären.

       XIII

      Ein bekannter Weg

      Es war wirklich der Doctor Gilbert mit dem König in den Augenblick eingeschlossen gewesen, wo, nach dem Befehle von Isidor und auf die Bitte von Sebastian, der Huissier sich erkundigt hatte.

      Nach ungefähr einer halben Stunde ging Gilbert weg. Der König faßte immer mehr Vertrauen zu ihm; das redliche Herz des Königs schätzte, was an Biederkeit im Herzen von Gilbert war.

      Sobald er herauskam, meldete ihm der Huissier, er werde im Vorzimmer der Königin erwartet.

      Er war eben in den Corridor eingetreten, der dahin führte, als ein paar Schritte von ihm eine Nebenthüre geöffnet wurde, aus der ein junger Mann trat, welcher, ohne Zweifel mit der Oertlichkeit nicht vertraut, zögerte, ob er rechts oder links gehen sollte.

      Dieser junge Mann sah Gilbert auf sich zukommen und blieb stehen, um ihn zu befragen.

      Plötzlich blieb Gilbert auch stehen: die Flamme einer Laterne traf gerade auf das Gesicht des jungen Mannes.

      »Herr Isidor von Charny!  . . .« rief Gilbert.

      »Der Doctor Gilbert! . . .« erwiederte Isidor.

      »Erwiesen Sie mir die Ehre, nach mir zu fragen?«

      »Ja, Doctor, ja, ich  . . .und dann noch  . . .«

      »Wer?«

      »Einer, den Sie mit Vergnügen wiedersehen werden,« fuhr Isidor fort.

      »Sollte es indiscret sein, Sie zu fragen, wer?«

      »Nein! doch es wäre grausam, Sie länger aufzuhalten  . . . Kommen Sie  . . .oder führen Sie mich vielmehr in denjenigen Theil der königlichen Vorzimmer, welchen man den grünen Salon nennt.«

      »Bei meiner Treue,« sagte Gilbert lächelnd, »ich bin selbst nicht viel stärker in der Topographie der Paläste, und besonders in der des Palastes der Tuilerien, dennoch aber will ich es versuchen, Ihr Führer zu sein.«

      Gilbert ging voran und drückte nach einigem Umhertappen eine Thüre auf. Diese Thüre führte in den grünen Salon.

      Nur war der grüne Salon leer.

      Isidor suchte mit den Augen umher und rief nach einem Huissier. Die Verwirrung war noch so groß im Palaste, daß sich, gegen alle Regeln der Etiquette, kein Huissier im Vorzimmer fand.

      »Einen Augenblick Geduld,« sprach Gilbert; »dieser Mensch kann nicht fern sein, und mittlerweile, mein Herr, wenn sich dieser Mitteilung nicht etwas widersetzt, sagen Sie mir, ich bitte Sie, wer mich erwartete,«

      Isidor schaute unruhig umher.

      »Errathen Sie nicht?« fragte er.

      »Nein.«

      »Einer,