Александр Дюма

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4


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dem Augenblick, wo Herr von Charny?  . . .« wiederholte Gilbert unbarmherzig.

      »In dem Augenblick, wo ich, als Herr von Charny mir die Hand küßte, einen Schrei ausstieß.«

      »Sie sehen ihn also wohl?«

      »Ja, ich sehe ihn mit seiner gefalteten Stirne, seine Lippen zusammengepreßt und eine von seinen geschlossenen Fäusten auf seiner Brust.«

      »Folgen Sie ihm also mit den Augen, und von diesem Momente gehören Sie nur ihm und verlieren Sie ihn nicht aus dem Blick.«

      »Ich sehe ihn, ich sehe ihn!« sagte Andrée.

      »Was macht er?«

      »Er schaut umher, um zu sehen, ob nicht eine Thüre da sei, welche nach dem Garten führt; dann, da er keine sieht, geht er zum Fenster, öffnet es, wirft einen letzten Blick gegen den Salon, schwingt sich über das Fenstergesims und verschwindet.«

      »Folgen Sie ihm in der Dunkelheit.«

      »Ich kann nicht.«

      Gilbert näherte sich Andrée und strich mit der Hand über ihre Augen.

      »Sie wissen wohl, daß es keine Nacht für Sie gibt,« sagte er.

      »Sehen Sie.«

      »Ah! nun läuft er längs der Mauer hin; er erreicht die große Thüre, er öffnet sie, ohne daß es Jemand sieht, stürzt hinaus gegen die Rue Platrière  . . .Ah! er bleibt stehen; er spricht mit einer vorübergehenden Frau.«

      »Hören Sie wohl, und Sie werden vernehmen, was er sie fragt.«

      »Ich höre.«

      »Und was fragt er?«

      »Er fragt nach der Rue Saint-Honoré.«

      »Ja, dort wohne ich; er wird zu mir nach Hause gegangen sein. Er erwartet mich, der arme Knabe!«

      Andrée schüttelte den Kopf.

      »Nein!« sagte sie mit einem sichtbaren Ausdruck von Unruhe; »nein  . . .er ist nicht nach Hause gegangen  . . .nein  . . .er wartet nicht  . . .«

      »Aber wo ist er denn?«

      »Lassen Sie mich doch ihm folgen, oder ich werde ihn verlieren.«

      »Oh! folgen Sie ihm, folgen Sie ihm!« rief Gilbert, denn er begriff, daß Andrée ein Unglück errieth.

      »Ah!« sagte sie, »ich sehe ihn, ich sehe ihn.«

      »Gut.«

      »Er tritt in die Rue de Grenelle und dann in die Rue Saint-Honoré ein. Er läuft über den Platz des Palais Royal. Er fragt abermals nach seinem Wege, er eilt abermals weiter. Nun ist er in der Rue de Richelieu,  . . .dann in der Rue des Frondeurs  . . .dann in der Rue Neuve-Saint-Roch  . . .Halt ein, Kind! halt ein, Unglücklicher! . . . Sebastian! Sebastian! siehst Du nicht jenen Wagen, der durch die Rue de la Sourdière kommt? Ich sehe ihn, ich sehe ihn!!  . . .die Pferde . . .Ach!«

      Andrée stieß einen gräßlichen Schrei aus und richtete sich hoch auf, die mütterliche Angst war auf ihrem Gesichte gemalt, über das zugleich in großen Tropfen der Schweiß und die Thränen rollten.

      »Oh!« rief Gilbert, »wenn ihm ein Unglück begegnet, erinnere Dich, daß dieses Unglück aus Dein Haupt zurückfallen wird.«

      »Ah!« machte Andrée ausathmend, ohne auf das zu hören, was Gilbert sagte, »ah! Gott des Himmels! sei gepriesen! die Brust des Pferdes hat ihn gestoßen und auf die Seite, aus dem Bereiche des Rades geworfen . . .er ist gefallen, er liegt bewußtlos auf dem Boden ausgestreckt; doch er ist nicht todt  . . .oh! Nein  . . .nein  . . .er ist nicht todt!  . . .ohnmächtig  . . .nur ohnmächtig! Zu Hilfe! zu Hilfe! es ist mein Kind! es ist mein Kind!«

      Und mit einem herzzerreißenden Schrei fiel Andrée selbst beinahe ohnmächtig aus ihren Lehnstuhl zurück.

      Wie glühend auch Gilbert mehr zu erfahren wünschte, er bewilligte doch der keuchenden Andrée diese Ruhe eines Augenblicks, der sie so sehr bedurfte.

      Er befürchtete, wenn er sie weiter antriebe, könnte eine Fiber in ihrem Herzen zerreißen oder eine Ader in ihrem Gehirn springen.

      Sobald er sie aber ohne Gefahr fragen zu können glaubte, sagte er:

      »Nun?«

      »Warten Sie, warten Sie,« erwiederte Andrée. »Es hat sich ein großer Kreis um ihn gebildet. Oh! ich bitte, laßt mich durch! laßt mich sehen: es ist mein Sohn! es ist mein Sebastian! Ach! mein Gott! ist denn Keiner von Euch Allen ein Wundarzt?«

      »Oh! ich laufe zu ihm!« rief Gilbert.

      »Warten Sie,« sagte Andrée, indem sie ihn am Arme zurückhielt, »die Menge tritt aus die Seite. Ohne Zweifel ist es derjenige, weichen man ruft; ohne Zweifel ist es derjenige, welchen man erwartet  . . .Kommen Sie, kommen Sie, mein Herr: Sie sehen wohl, daß er nicht todt ist, Sie sehen wohl, daß man ihn retten kann.«

      Und mit einem Tone, der einem Angstschrei glich, rief sie:

      »Oh!«

      »Mein Gott! was ist es?« fragte Gilbert.

      »Dieser Mann soll mein Kind nicht berühren, das ist kein Mensch, das ist ein Zwerg, das ist ein Gnom, das ist ein Vampyr  . . .Oh! wie häßlich! wie häßlich!«

      »Madame, Madame,« murmelte Gilbert ganz schauernd, »in des Himmels Namen! verlieren Sie Sebastian nicht aus dem Gesichte!«

      »Oh!« erwiederte Andrée, das Auge starr, die Lippen bebend, den Finger ausgestreckt, »seien Sie unbesorgt . . .ich folge ihm  . . . ich folge ihm  . . .«

      »Was macht dieser Mensch?«

      »Er trägt ihn fort  . . .Er geht die Rue de la Sourdière hinauf; er tritt links in der Sackgasse Sainte-Hyacinthe ein; er nähert sich einer niedrigen, offen gebliebenen Thüre; er stößt sie vollends auf, er bückt sich, er steigt eine Treppe hinab. Er legt ihn auf einen Tisch, auf dem sich eine Feder, Tinte, handschriftliche und bedruckte Papiere finden; er zieht ihm seinen Rock aus; er schlägt seine Aermel zurück; er umschließt ihm den Arm mit Binden, die ihm eine Frau, so schmutzig und häßlich als er, bringt; er öffnet ein Behältniß; er nimmt eine Lancette heraus; er ist im Begriff, ihm zur Ader zu lassen  . . .Oh! ich will das nicht sehen  . . .ich will das Blut meines Sohnes nicht sehen!«

      »Nun, so steigen Sie wieder hinauf und zählen Sie die Stufen der Treppe,« sagte Gilbert.

      »Ich habe sie gezählt: es sind elf.«

      »Untersuchen Sie sorgfältig die Thüre und sagen Sie mir, ob Sie etwas Merkwürdiges daran sehen.«

      »Ja  . . .eine kleine viereckige Oeffnung, an welcher zwei Gitterstangen im Kreuze angebracht sind.«

      »Es ist gut, mehr brauche ich nicht.«

      »Laufen Sie, laufen Sie, und Sie werden ihn da finden, wo ich gesagt habe.«

      »Wollen Sie sogleich aufwachen und sich erinnern? Wollen Sie erst morgen früh aufwachen und Alles vergessen haben?«

      »Wecken Sie mich sogleich auf und lassen Sie mir die Erinnerung.«

      Gilbert strich, ihrer Biegung folgend, mit seinen beiden Daumen über die Augenbrauen von Andrée, blies ihr auf die Stirne und sprach nur die Worte:

      »Wachen Sie auf.«

      Sogleich belebten sich die Augen der jungen Frau; ihre Glieder wurden geschmeidig; sie schaute Gilbert beinahe ohne Schrecken an und sagte, wach die Ermahnungen ihres Schlafes fortsetzend:

      »Oh! laufen Sie! laufen Sie! und entziehen Sie ihn den Händen dieses Menschen, der mir bange macht!«

       XV

      Der Mann der Place Louis XV

      Gilbert brauchte nicht zu seinen Nachforschungen angefeuert zu werden. Er eilte aus dem Zimmer, und da es zu lang gewesen wäre, den Weg, auf dem er gekommen, wieder einzuschlagen, so lief er gerade zu der Thüre nach der Rue