Gilbert sich verbeugend.
»Ich bin entzückt, Sie hier zu treffen, mein Herr; Sie sind, Gott sei Dank, nicht zu viel, und ich werde glücklich sein, die Meinung eines so ausgezeichneten Mannes über eine Erfindung zu erfahren, die ich bekannt zu machen im Begriffe bin; – denn ich muß Ihnen sagen, mein lieber Marat, daß ich einen sehr geschickten Zimmermann, einen gewissen Meister Guidon gesunden habe, der mir meine Maschine im Großen verfertigt . . .Das ist theuer! er verlangt fünftausend fünfhundert Franken von mir! Doch kein Opfer soll mir zu kostspielig sein für das Wohl der Menschheit . . .In zwei Monaten wird sie fertig sein, mein Freund, und wir können sie versuchen; dann biete ich sie der Nationalversammlung an. Ich hoffe, Sie werden den Antrag in Ihrem vortrefflichen Journal unterstützen, obgleich, in Wahrheit, meine Maschine sich von selbst empfiehlt, Herr Gilbert, wie Sie mit Ihren eigenen Augen beurtheilen werden; doch ein paar Zeilen im Ami du Peuple können ihr nicht schaden.«
»Oh! seien Sie ruhig, ich werde ihr nicht ein paar Zeilen, sondern eine ganze Nummer widmen.«
»Sie sind sehr gut, mein lieber Marat; aber ich will Ihnen nicht, wie man zu sagen pflegt, eine Katze im Sack verkaufen.«
Und er zog aus seiner Tasche eine Schachtel, die, um ein Viertel kleiner als die erste, sich durch ein gewisses inneres Geräusch als von einem Thiere oder vielmehr von einigen ihres Gefängnisses überdrüssigen Thieren bewohnt verrieth.
Dieses Geräusch entging den seinen Ohren von Marat, nicht.
»Ho! Ho! was haben Sie da drinnen?« fragte er.
»Sie werden es sehen.« erwiederte der Doctor.
Marat legte die Hand an die Schachtel.
»Nehmen Sie sich in Acht.« rief lebhaft der Doctor, »nehmen Sie sich in Acht, die Thierchen entfliehen zu lassen, wir könnten sie nicht wieder erwischen: es sind Mäuse, denen wir den Kopf abschneiden wollen. – Nun, was machen Sie denn, Doctor Gilbert? . . . Sie verlassen uns?«
»Ach! ja, mein Herr,« antwortete Gilbert, »zu meinem großen Bedauern; mein Sohn, der heute Abend von einem Pferde aus das Pflaster geschleudert und verwundet wurde, ist vom Doctor aufgehoben und sodann, nachdem er ihm zur Ader gelassen, verbunden worden; ich Habe dem Doctor schon selbst das Leben unter ähnlichen Umständen zu verdanken gehabt und wiederhole ihm meine innige Erkenntlichkeit. Mein Knabe aber bedarf eines frischen Bettes, der Ruhe, der Pflege; ich kann also Ihrem interessanten Versuche nicht beiwohnen.«
»Doch Sie werden dem beiwohnen, welchen wir im Großen in zwei Monaten machen, nicht wahr, Sie versprechen es mir, Doctor?«
»Ich verspreche es Ihnen, mein Herr.«
»Ich nehme Sie beim Wort.«
»Es ist gegeben.«
»Doctor,« sagte Marat, »ich brauche Ihnen nicht Geheimhaltung meines Zufluchtsortes zu empfehlen.«
»Oh! mein Herr . . .«
»Ihr Freund Lafayette, wenn er ihn entdeckte, ließe mich erschießen wie einen Hund oder aufhängen wie einen Dieb.«
»Erschießen! Aufhängen!« rief Guillotin. »Man wird mit allen diesen cannibalischen Todesarten ein Ende machen; es wird einen sanften, leichten, augenblicklichen Tod geben; einen Tod, wie ihn die Greise, welche, des Lebens überdrüssig, als Philosophen und als Weise endigen wollen, einem natürlichen Tode vorziehen werden . . . Sehen Sie das an, mein lieber Marat, sehen Sie es.«
Und ohne sich mehr um den Doctor Gilbert zu bekümmern, öffnete er seine große Schachtel und fing an seine Maschine auf dem Tische von Marat zu errichten, der ihm mit einer seiner Begeisterung gleichen Neugierde zuschaute.
Gilbert benutzte dies, um den eingeschlafenen Sebastian aufzuheben und in seinen Armen fortzutragen. Albertine führte ihn bis zu der Thüre zurück, die sie sorgfältig wieder hinter ihm schloß.
Als er sich aus der Straße befand, fühlte er an der Kälte seines Gesichtes, daß dieses mit Schweiß bedeckt war, und daß der Nachtwind diesen Schweiß aus seiner Stirne in Eis verwandelte.
»Oh! mein Gott,« murmelte er, »was wird mit dieser Stadt geschehen, deren Keller vielleicht zur Stunde fünfhundert Philanthropen verbergen, Philanthropen beschäftigt mit Werken, dem ähnlich, welches ich habe vorbereiten sehen, und die an einem schönen Tage an das Licht des Himmels treten werden? . . .«
XVI
Catherine
Von der Rue de la Sourdière, bis zu dem Hause, das Gilbert in der Rue Saint-Honoré bewohnte, war es nur ein Schritt.
Dieses Haus lag unsern der Assomption, einem Tischler Namens Duplay gegenüber.
Die Kälte und die Bewegung weckten Sebastian auf. Er wollt, gehen, aber sein Vater widersetzte sich und trug ihn fortwährend in seinen Armen.
Als der Doctor bei der Thüre angelangt war, stellte er Sebastian einen Augenblick aus seine Füße und klopfte stark genug, daß er, so sehr auch der Conciergerie eingeschlafen sein mochte, doch nicht zu lange aus der Straße zu warten hatte.
Ein schwerfälliger, obgleich rascher Tritt erscholl bald jenseits der Thüre.
»Sind Sie es, Herr Gilbert?« fragte eine Stimme.
»Ah!« sagte Sebastian, »das ist die Stimme von Pitou.«
»Gott sei gelobt!« rief Pitou, während er öffnete. »Sebastian ist wiedergefunden!«
Dann wandte er sich gegen die Treppe um, in deren Tiefe man allmälig den Schein einer Kerze erblickte, und rief:
»Herr Billot! Herr Billot! Sebastian ist wiedergefunden, und zwar ohne Unfall, wie ich hoffe, – nicht wahr, Herr Gilbert?«
»Wenigstens ohne einen ernsten Unfall,« erwiederte der Doctor. »Komm, Sebastian, komm!«
Und er überließ Pitou die Sorge, die Thüre zu schließen, hob abermals vor den Augen des erstaunten Concierge, der in der baumwollenen Mütze und im Hemde auf der Schwelle seiner Loge erschien, – Sebastian in seinen Armen auf und fing an die Treppe hinauszusteigen.
Billot schritt, dem Doctor leuchtend, voran, Pitou ging hinter ihnen. Der Doctor wohnte im zweiten Stocke; die weit geöffneten Thüren deuteten an, daß er erwartet wurde. Er legte Sebastian aus sein Bett.
Pitou folgte ängstlich und schüchtern. An dem Kothe, der seine Schuhe, seine Strümpfe, seine Hose bedeckte und seine übrigen Kleidungsstücke befleckte, konnte man leicht sehen, daß er ganz frisch von einer langen Wanderung gekommen war.
Nachdem er die in Thränen zerfließende Catherine zu ihrem Hause zurückgeführt, nachdem er aus dem Munde des Mädchens selbst, das zu tief betroffen war, um seinen Schmerz zu verbergen, erfahren hatte, dieser Schmerz rühre von der Abreise von Herrn Isidor von Charny nach Paris her, hatte Pitou, dem dieser Schmerz doppelt, – als Liebendem und als Freund, – das Herz brach, von Catherine, die sich niedergelegt, und von ihrer Mutter, welche am Fuße des Bettes weinte, Abschied genommen und war mit einem viel langsameren Schritt, als der gewesen, welcher ihn herbeigeführt, nach Haramont zurückgekehrt.
Die Langsamkeit dieses Schrittes und der Umstand, daß er sich so oft umwandte, um traurig nach dem Pachthause zu schauen, von dem er sich, das Herz zugleich angeschwollen vom Schmerz von Catherine und von seinem eigenen Schmerz, entfernte, machten, daß er erst bei Tagesanbruch in Haramont ankam.
Die geistige Beklommenheit, die sich seiner bemächtigt hatte, machte, daß er wie Sertus, da er seine todte Frau wiederfand, sich mit starren Augen und die Hände aus seinem Schooße gekreuzt auf sein Bett setzte.
Endlich erhob er sich, und einem Menschen ähnlich, der, nicht aus seinem Schlafe, sondern aus seinen Gedanken erwacht, schaute er umher und sah bei dem von seiner Hand beschriebenen Blatte Papier ein zweites mit einer andern Schrift bedecktes Blatt.
Er trat an den Tisch und las den Brief von Sebastian.
Zum Lobe von Pitou müssen wir sagen, daß er sogleich seinen persönlichen Kummer vergaß, um nur an die Gefahren zu denken, welche sein Freund während der langen Reise, die er unternommen, laufen konnte.
Dann,