Александр Дюма

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4


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mit dessen Hülse man am Tage die Thüre öffnete.

      Gilbert erinnerte sich, daß man zuweilen dieses Schnürchen bei Nacht einzuziehen vergaß, und daß er eines Abends, wo er, nachdem er sich verspätet, hastig nach der Mansarde zurückkehrte, die er bei Rousseau bewohnte, dieses Vergessen benützt hatte, um hineinzugelangen und sein Bett zu erreichen.

      Wie einst, schien das Haus von Leuten bewohnt zu sein, welche arm genug waren, um die Diebe nicht zu fürchten: dieselbe Sorglosigkeit hatte dasselbe Vergessen herbeigeführt.

      Gilbert zog die Schnur an. Die Thüre öffnete sich, und er befand sich in dem finstern, feuchten Gange, in dessen Hintergrunde, wie eine aus ihrem Schwanze sitzende Schlange, die klitschige, klebrige Treppe sich erhob.

      Gilbert schloß die Thüre sorgfältig wieder, und tappend erreichte er die ersten Stufen der Treppe.

      Als er zehn Stufen hinausgestiegen war, blieb er stehen.

      Ein schwacher, durch ein schmutziges Fensterwerk dringender Schein deutete an, daß die Wand an dieser Stelle durchbrochen und daß die, doch sehr finstere, Nacht weniger finster außen, als innen war.

      Durch die Scheiben, so sehr sie getrübt, sah man die Sterne an einer Stelle des Himmels glänzen.

      Gilbert suchte den kleinen Riegel, der das Fenster schloß, und stieg aus demselben Wege, dem er schon zweimal gefolgt war, in den Garten hinab.

      Trotz des Verlaufes von fünfzehn Jahren, war der Garten dem Gedächtniß von Gilbert so gegenwärtig, daß er Alles wiedererkannte, Gänge, Bäume, Rabatten, Alles, bis aus die mit einer Rebe geschmückte Ecke, wo der Gärtner seine Leiter aufstellte.

      Er wußte nicht, ob zu dieser Stunde der Nacht die Thüren geschlossen waren; er wußte nicht, ob Herr von Charny sich bei seiner Frau befand, oder in Ermangelung von Herrn von Charny ein Diener oder eine Kammerfrau.

      Zu Allem entschlossen, um Sebastian wiederzufinden, war es doch in seinem Geiste festgestellt, er werde Andrée nur in der äußersten Noth compromittiren und zuerst Alles thun, was er könne, um sie allein zu sehen.

      Sein erster Versuch galt der Thüre der Freitreppe: er drückte am Knopfe der Thüre, und diese gab nach.

      Er muthmaßte demnach, da die Thüre nicht geschlossen sei, so müsse Andrée nicht allein sein.

      Ist ihr Inneres nicht im höchsten Maße von anderen gewichtigen Dingen erfüllt und in Anspruch genommen, so versäumt es eine Frau, welche allein einen Pavillon bewohnt, nicht, die Thüre zu schließen.

      Gilbert zog sie sachte und geräuschlos zu, – glücklich jedoch, daß er wußte, es bleibe ihm dieser Eingang als letztes Mittel.

      Er stieg die Stufen der Freitreppe hinab und drückte sein Auge an jenen Sommerladen, der fünfzehn Jahre vorher, plötzlich unter der Hand von Andrée sich öffnend, ihn vor die Stirne gestoßen, – in der Nacht, wo er, wir den hunderttausend Thalern von Balsamo in der Hand, der Hoffärtigen sie zu heirathen angeboten hatte.

      Dieser Laden war der des Salon.

      Der Salon war erleuchtet.

      Da aber Vorhänge an den Scheiben herabfielen, so war es nicht möglich, etwas im Innern zu erschauen.

      Plötzlich schien es ihm, als sähe er auf der Erde und aus den Bäumen einen von einem offenen Fenster herkommenden schwachen Schein zittern.

      Das offene Fenster war das des Schlafzimmers; dieses Fenster erkannte er auch, denn durch dasselbe hatte er das Kind geraubt, welches er heute suchte.

      Er trat zurück, um aus dem durch das Fenster ausgeworfenen Lichtstrahl zu gehen und, in der Dunkelheit verborgen, sehen zu können, ohne gesehen zu werden.

      Auf einer Linie angelangt, die ihm den Blick in das Innere des Zimmers zu tauchen erlaubte, sah er zuerst die Thüre des Salon offen; dann entdeckte sein Auge in dem Kreise, den es durchlief, das Bett.

      Aus dem Bette war eine erstarrte, zerzauste, sterbende Frau; rauhe Kehltöne, wie die des Röchelns einer mit dem Tode Ringenden, kamen aus ihrem Munde hervor, von Zeit zu Zeit unterbrochen durch Schreie und durch Schluchzen.

      Gilbert näherte sich langsam, die erleuchtete Linie umgehend, in welche einzutreten er aus Furcht, gesehen zu werden, zögerte.

      Endlich lehnte er seinen bleichen Kopf an die Ecke des Fensters.

      Es unterlag für Gilbert keinem Zweifel mehr; diese Frau war Andrée, und Andrée war allein.

      Aber wie war Andrée allein? Warum weinte Andrée? Das konnte Gilbert nur erfahren, wenn er sie befragte.

      Da stieg er geräuschlos durch das Fenster und befand sich hinter ihr in dem Augenblick, wo die magnetische Anziehungskraft, für welche Andrée so zugänglich, diese nöthigte, sich umzuwenden.

      Die zwei Feinde waren also abermals beisammen.

       XIV

      Was aus Sebastian geworden war

      Das erste Gefühl von Andrée, als sie Gilbert erblickte, war nicht nur ein tiefer Schrecken, sondern auch ein unüberwindlicher Widerwille.

      Was aus Sebastian geworden war.

      Für sie war der amerikanische Gilbert, der Gilbert von Washington und Lafayette, aristokratisirt durch die Wissenschaft, durch das Studium und das Genie, immer der elende kleine Gilbert, der in den Gebüschen von Trianon verlorene Gnom.

      Im Gegentheil war aus der Seite von Gilbert für Andrée, trotz der Verachtung, trotz der Beleidigungen, trotz der Verfolgungen von dieser, nicht mehr jene glühende Liebe, die den jungen Menschen ein Verbrechen hatte begehen lassen, wohl aber die zärtliche, tiefe Theilnahme, welche den Mann angetrieben hätte, ihr einen Dienst zu leisten, selbst aus Gefahr seines Lebens.

      In dem inneren Sinne, mit dem Gilbert von der Natur begabt worden war, in der unerschütterlichen Gerechtigkeit, die er von der Erziehung empfangen, hatte er sich selbst gerichtet; er hatte eingesehen, daß alles Unglück von Andrée von ihm kam, und daß er seiner Schuld gegen sie nur entledigt wäre, wenn er ihr eine Summe von Glückseligkeit gleich der Summe von Unglück, die er ihr zugezogen, gegeben hätte.

      Worin und wie konnte aber Gilbert aus eine wohlthätige Art Einfluß auf die Zukunft von Andrée üben?

      Dies vermochte er nicht zu begreifen.

      Als er daher diese Frau, die er so vielfacher Verzweiflung preisgegeben gesehen, in einer neuen Verzweiflung wiederfand, bewegte sich Alles, was er an mttleidigen Fibern in seinem Herzen hatte, für dieses große Mißgeschick.

      Statt sogleich die magnetische Macht anzuwenden, die er schon einmal an ihr versucht hatte, wollte er auch sanft mit ihr sprechen, – entschlossen, wenn er Andrée widerspänstig fände wie immer, zu diesem Correctivmittel, das ihm nicht entgehen konnte, zurückzukehren.

      Hieraus ging hervor, daß Andrée, gleich Anfangs vom magnetischen Fluidum umhüllt, fühlte, wie allmälig durch den Willen und, wir möchten beinahe sagen, mit der Erlaubniß von Gilbert dieses Fluidum sich zerstreute, einem Nebel ähnlich, der verdunstet und den Augen in entfernte Horizonte zu schauen gestattet.

      Sie nahm zuerst das Wort und sprach:

      »Was wollen Sie von mir, mein Herr? was machen Sie hier? auf welchem Wege sind Sie hierher gekommen?«

      »Auf welchem Wege, Madame?« erwiederte Gilbert. »Auf demselben auf dem ich früher kam. Seien Sie also unbesorgt, Niemand hat mich gesehen, Niemand vermuthet meine Gegenwart hier  . . .Warum ich gekommen bin? Ich bin gekommen, weil ich von Ihnen einen Schatz zurückzufordern habe, der, gleichgültig für Sie, für mich kostbar ist, – meinen Sohn  . . .Was ich von Ihnen will? Sie sollen mir sagen, wo mein Sohn ist, den Sie mit sich fortgezogen, in Ihrem Wagen weggeführt und hierher gebracht haben.«

      »Was aus ihm geworden ist?« versetzte Andrée, »weiß ich es? . . . Er ist von mir geflohen  . . .Sie haben ihn so gut daran gewöhnt, seine Mutter zu hassen!«

      »Seine Mutter, Madame! Sind Sie wirklich seine Mutter?«

      »Oh!«