Александр Дюма

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4


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erfolgte, daß die Königin, welche Andrée holen ließ, im Glauben, sie habe ihr große Vorwürfe zu machen, als sie sich von Angesicht zu Angesicht der jungen Frau gegenüber fand, sich nun der Verbindlichkeiten erinnerte, die sie gegen sie hatte.

      Was Andrée betrifft, sie war immer dieselbe: kalt, ruhig, rein wie der Diamant, aber auch schockend und unverwundbar wie er.

      Die Königin zögerte einen Augenblick, um sich zu besinnen, mit welchem Namen sie die weiße Erscheinung begrüßen sollte, die vom Schatten der Thüre in den Halbschatten des Zimmers überging und allmälig in den Lichtkreis eintrat, den die drei Kerzen des aus dem Tische stehenden Candelabers auswarfen.

      Endlich streckte sie die Hand gegen ihre alte Freundin aus und sprach:

      »Seien Sie willkommen, heute wie immer, Andrée.«

      So stark und so vorbereitet sie in den Tuilerien erschien, so war es doch nun an Andrée, zu beben. Sie hatte in diesen Worten, welche die Königin an sie gerichtet, eine Erinnerung an den Ton erkannt, in dem einst die Dauphine mit ihr sprach.

      »Brauche ich Eurer Majestät zu sagen,« erwiederte Andrée, die Frage mit ihrer gewöhnlichen Offenherzigkeit und Bestimmtheit adoptirend, »daß sie, würde sie immer so mit mir gesprochen haben, wie sie es so eben gethan, nicht nöthig gehabt hätte, wenn sie mit mir reden wollte, mich außerhalb des Palastes, den sie bewohnt, holen zu lassen?«

      Nichts konnte der Königin besser dienen, als diese Art, aus welche Andrée in die Sache einging; sie nahm sie also wie eine Eröffnung auf, die sie zu benützen gedachte.

      »Ach!« sagte sie, »Sie müßten es wissen, Sie, die Sie so schön, so keusch und so rein; Sie, deren Herz kein Haß getrübt bat; Sie, deren Seele keine Liebe verrückt hat; Sie, die die Wolken des Sturmes bedecken und verschwinden machen können wie einen Stern, welcher jedes Mal, wenn der Wind den Sturm fegt, glänzender am Firmament wiedererscheint! alle Frauen, selbst die höchst gestellten, haben nicht Ihre unerschütterliche Seelenruhe; ich aber besonders, die ich Sie um Beistand gebeten, und der Sie ihn so edelmüthig bewilligt  . . .«

      »Die Königin,« erwiederte Andrée, »spricht von Zeiten, die ich vergessen hatte, und von denen ich glaubte, sie erinnere sich derselben nicht mehr.«

      »Die Antwort ist streng, Andrée,« sprach die Königin, »und dennoch verdiene ich sie, und Sie haben Recht, sie mir zu geben; nein, es ist wahr, so lange ich glücklich gewesen bin, habe ich mich Ihrer aufopfernden Ergebenheit nicht erinnert, und zwar vielleicht, weil keine menschliche Macht, nicht einmal die königliche Macht mir ein Mittel bot, mich meiner Schuld gegen Sie zu entledigen; Sie mußten mich für undankbar halten, Andrée; aber vielleicht war das, was Sie für Undank hielten, nur Unvermögen.«

      »Ich hätte das Recht, Sie anzuschuldigen,« versetzte Andrée, »würde ich je etwas gewünscht oder verlangt haben, und die Königin hätte sich meinem Wunsche widersetzt und mein Verlangen zurückgewiesen; aber wie soll ich mich beklagen, Madame, da ich nie etwas gewünscht oder verlangt habe?«

      »Nun denn! soll ich es Ihnen, sagen, meine liebe Andrée? gerade diese Art von Gleichgültigkeit in Betreff der Dinge dieser Welt erschreckt mich bei Ihnen; ja, Sie scheinen mir ein übermenschliches Wesen zu sein, ein Geschöpf von einer andern Sphäre durch einen Wirbel fortgetragen und unter uns geworfen, wie jene durch das Feuer geläuterten Steine, die, man weiß nicht, aus welcher Sonne fallen . . . Hieraus geht hervor, daß man Anfangs erschrocken ist, über seine Schwäche, wenn man sich derjenigen gegenüber befindet, welche nie schwach gewesen. Hernach aber beruhigt man sich, man sagt sich, die höchste Nachsicht liege in der höchsten Vollkommenheit; an der reinsten Quelle müsse man seine Seele waschen, und in einem Augenblicke tiefen Schmerzes thut man, was ich so eben gethan habe, Andrée, man ruft das übermenschliche Wesen zu sich, dessen Tadel man fürchtete, um es um seinen Trost zu bitten.«

      »Ach! Madame,« erwiederte Andrée, wenn dies wirklich die Sache ist, die Sie von mir verlangen, so befürchte ich sehr, das Resultat entspricht der Erwartung nicht.«

      »Andrée! Andrée! Sie vergessen, bei welchem erschrecklichen Umstande Sie mich schon unterstützt und getröstet haben!« sagte die Königin.

      Andrée erbleichte sichtbar. Als sie die Königin schwankend und die Augen geschlossen sah, wie Jemand, dessen Kraft entschwindet, machte sie eine Bewegung mit dem Arme und mit der Hand, um sie aus dasselbe Canapé zu ziehen, auf welchem sie saß; Andrée, widersetzte sich aber und blieb stehen.

      »Madame,« sprach sie, »wenn Eure Majestät Mitleid mit ihrer getreuen Dienerin hätte, so würde sie ihr Erinnerungen ersparen, die von sich zu entfernen ihr beinahe gelungen war; es ist eine schlechte Trösterin, diejenige, welche von Niemand einen Trost verlangt, nicht einmal von Gott, weil sie bezweifelt, ob Gott selbst die Macht hat, bei gewissen Schmerzen zu trösten.«

      Die Königin heftete auf Andrée ihren klaren, tiefen Blick.

      »Gewisse Schmerzen!« sagte sie; »Sie haben also noch andere Schmerzen, als die, welche Sie mir anvertraut?«

      Andrée antwortete nicht.

      »Sprechen Sie,« fuhr die Königin fort, »die Stunde, uns zu erklären, ist gekommen, und ich habe Sie zu diesem Ende zu mir rufen lassen. Sie lieben Herrn von Charny?«

      Andrée wurde bleich wie eine Todte, blieb aber stumm.

      »Sie lieben Herrn von Charny?« wiederholte die Königin.

      »Ja,« antwortete Andrée.

      Die Königin stieß einen Schrei aus wie eine verwundete Löwin.

      »Oh!« rief sie, »ich vermuthete es!  . . .Und seit wann lieben Sie ihn?«

      »Seit der ersten Stunde, wo ich ihn gesehen habe.«

      Die Königin wich erschrocken vor dieser Marmorstatue zurück, welche gestand, daß sie eine Seele besitze.

      »Oh!« sprach sie, »und Sie haben geschwiegen?«

      »Sie wissen es besser, als irgend Jemand, Madame.«

      »Und warum dies?«

      »Weil ich bemerkt habe, daß Sie ihn liebten.«

      »Wollen Sie denn sagen, daß Sie ihn mehr liebten, als ich ihn liebte, da ich nichts gesehen habe?«

      »Ah!« versetzte Andrée mit Bitterkeit, »Sie haben nichts gesehen, weil er Sie liebte, Madame!«

      »Ja  . . .und ich sehe nun, weil er mich nicht mehr liebt. Das wollen Sie sagen, nicht wahr?«

      Andrée blieb stumm.

      »So antworten Sie doch!« fuhr die Königin fort, indem sie Andrée nicht mehr bei der Hand, sondern beim Arme faßte; »gestehen Sie, daß er mich nicht mehr liebt!«

      Andrée antwortete weder durch ein Wort, noch durch eine Geberde, noch durch ein Zeichen.

      »Wahrhaftig,« rief die Königin, »das ist um zu sterben!  . . . Aber tödten Sie mich doch auf der Stelle, indem Sie mir sagen, daß er mich nicht mehr liebt!  . . .Nicht wahr, er liebt mich nicht mehr?«

      »Die Liebe oder die Gleichgültigkeit des Herrn Grafen von Charny sind seine Geheimnisse; es ist nicht meine Sache, sie zu entschleiern,« erwiederte Andrée.

      »Oh! seine Geheimnisse  . . .nicht die Geheimnisse von ihm allein; denn ich setze voraus, daß er Sie zur Vertrauten genommen hat!« sprach die Königin mit Bitterkeit.

      »Nie hat mir der Herr Graf von Charny ein Wort von seiner Liebe für Sie oder von seiner Gleichgültigkeit gegen Sie gesagt.«

      »Nicht einmal diesen Morgen?«

      »Ich habe den Herrn Grafen von Charny diesen Morgen nicht gesehen.«

      Die Königin heftete aus Andrée einen Blick, der in die tiefste Tiefe ihres Herzens zu dringen suchte.

      »Wollen Sie sagen, Sie wissen nichts von der Abreise des Grafen?«

      »Ich will das nicht sagen.«

      »Woher ist Ihnen aber diese Abreise bekannt, wenn Sie Herrn von Charny nicht gesehen haben?«

      »Er hat mir geschrieben,