Feder unterstrichen haben.
«Ich habe es Ihnen gesagt, Graf,« fuhr der König fort, »Sie sind ein Freund, und ich kann um so offenherziger mit Ihnen reden, als das Vorurtheil, das ich gegen die Königin hatte, zu dieser Stunde völlig aus meinem Geiste verschwunden ist. Aber gegen meinen Willen habe ich eine Frau aus diesem dem Hause Frankreich zweimal feindlich gesinnten Hause empfangen, – feindlich als Lothringen, feindlich als Oesterreich; wider meinen Willen habe ich an meinen Hof jenen Abbé von Vermond, den Lehrer der Königin dem Anscheine nach, den Spion von Maria Theresia in Wirklichkeit, kommen sehen, – diesen Menschen, den ich zwei bis dreimal des Tages mit dem Ellenbogen stieß, dergestalt war er beauftragt, sich zwischen meine Beine zu stecken, und an den ich im Verlaufe von neunzehn Jahren nicht ein einziges Wort richtete; gegen meinen Willen habe ich nach einem zehnjährigen Kampfe Herrn von Breteuil mit dem Departement meines Hauses und dem Gouvernement von Paris beauftragt: gegen meinen Willen habe ich zu meinem ersten Minister den Erzbischof von Toulouse, einen Atheisten, ernannt; gegen meinen Willen endlich habe ich Oesterreich die Millionen bezahlt, die es Holland auspressen wollte. Heute noch, zu dieser Stunde, wo ich mit Ihnen spreche, wer räth, als Nachfolger der todten Maria Theresia, der Königin, wer lenkt sie? Ihr Bruder Joseph II., welcher glücklicher Weise stirbt. Durch wen räth er ihr? Sie wissen es so gut als ich: durch das Organ ebendieses Abbé von Vermond, des Baron von Breteuil und des Gesandten von Oesterreich, Mercy d’Argenteau. Hinter diesem Greise ist ein anderer Greis verborgen, Kaunitz, der siebenzigjährige Minister des hundertjährigen Oesterreich. Diese zwei Alten lenken die Königin von Frankreich durch Mademoiselle Bertin, ihre Putzmacherin, und durch Herrn Leonard, ihren Friseur, denen sie Pensionen bezahlen; und wohin lenken sie sie? Zur Allianz mit Oesterreich! mit Oesterreich, das immer unheilbringend für Frankreich gewesen – als Freund und als Feind, Oesterreich! das einst katholische und devote Oesterreich, das heute abschwört und sich zur Hälfte philosophisch macht unter Joseph II.; das unkluge Oesterreich, das gegen sich sein eigenes Schwert, Ungarn, wendet; das unvorsichtige Oesterreich, das sich durch die belgischen Priester den schönsten Theil seiner Krone, die Niederlande, nehmen läßt: das abhängige Oesterreich, das den Rücken Europa zuwendet, welches es nie aus dem Blicke verlieren sollte, und gegen die Türken, unsere Verbündeten, seine besten Truppen zum Vortheil von Rußland gebraucht. Nein, nein, nein, Herr von Charny, ich hasse Oesterreich, und Oesterreich hassend konnte ich mich ihm nicht anvertrauen.«
»Sire, Sire,« versetzte Charny, »solche vertrauliche Eröffnungen sind sehr ehrenvoll, zugleich aber auch sehr gefährlich für denjenigen, welchem man sie macht! Sire, wenn Sie eines Tags bereuen würden, sie mir gemacht zu haben!«
»Oh! ich befürchte das nicht, und zum Beweise diene, daß ich vollende.«
»Sire, Eure Majestät hat mir befohlen, zu hören, ich höre.«
»Dieser Vorschlag zur Flucht ist nicht der einzige, der mir gemacht worden. Kennen Sie Herrn von Favras?«
»Den Marquis von Favras, den ehemaligen Kapitän im Regiment Belzunce, den ehemaligen Lieutenant bei der Garde von Monsieur? ja, Sire.«
»Das ist er,« sprach der König, indem er einen besondern Nachdruck aus die letzte Qualification legte, »den ehemaligen Lieutenant bei der Garde von Monsieur, Was denken Sie von ihm?«
»Es ist ein braver Soldat, ein wackerer Edelmann; ruinirt zum Unglück, was ihn unruhig macht und zu einer Menge von gefährlichen Versuchen, von wahnsinnigen Projecten antreibt, aber ein Mann von Ehre, Sire, der ohne einen Schritt zurückzuweichen, ohne eine Klage auszustoßen, sterben wird, um das gegebene Wort zu halten. – ein Mann, dem Eure Majestät sich für einen Handstreich anzuvertrauen Recht hätte, der aber, wie ich befürchte, als Haupt eines Unternehmens nichts taugen würde,«
»Das Haupt des Unternehmens ist auch nicht er,« sagte der König mit einer gewissen Bitterkeit; »es ist Monsieur . . .ja, es ist Monsieur, der Geld macht; es Monsieur, der Alles vorbereitet; es ist Monsieur, der, bis zum Ende sich aufopfernd, bleibt, wenn ich abgereist sein werde, reise ich wirklich mit Favras ab.«
Charny machte eine Bewegung.
»Nun! was haben Sie, Graf?« fuhr der König fort. »Das ist nicht die Partei von Oesterreich, das ist die Partei der Prinzen, der Emigranten, des Adels.«
»Sire, entschuldigen Sie mich; ich habe es Ihnen gesagt, ich zweifle weder an der Redlichkeit, noch am Muthe von Herrn von Favras; an welchen Ort Herr von Favras Euer Majestät zu führen verspricht, er wird sie führen, oder in ihrer Vertheidigung unter Weges sterben. Aber warum reist Monsieur nicht mit Eurer Majestät ab? warum bleibt Monsieur?«
»Aus Ergebenheit, und dann auch vielleicht, – für den Fall, daß das Bedürfniß, den König abzusetzen und einen Regenten zu ernennen, sich fühlbar machen würde, – damit das Volk, müde, unnütz einem Regenten nachgelaufen zu sein, seinen Regenten nicht zu fern zu suchen hätte.«
»Sire,« rief Charny, »Eure Majestät sagt mir erschreckliche Dinge.«
»Ich sage, was die ganze Welt weiß, mein lieber Graf, was Ihr Bruder mir gestern schreibt; im letzten Rothe der Prinzen in Turin ist nämlich davon die Rede gewesen, mich abzusetzen und einen Regenten zu ernennen; in demselben Rathe hat Herr von Condé, mein Vetter, den Vorschlag gemacht, gegen Lyon zu marschiren, was auch dem König widerfahren möchte. Sie sehen also, daß ich Favras eben so wenig annehmen kann, als Breteuil, Oesterreich oder die Prinzen. Dies, mein lieber Graf, habe ich Niemand, als Ihnen gesagt, und dies sage ich Ihnen, damit Sie, da Niemand, nicht einmal die Königin, sei es aus Zufall, sei es absichtlich, – Ludwig XVI. betonte besonders die von uns unterstrichenen Worte, – damit Sie, da Niemand, nicht einmal die Königin Ihnen ein Vertrauen bewiesen hat, wie das, welches ich Ihnen zeige, auch Niemand so ergeben seien, wie mir.«
»Sire,« fragte Charny, indem er sich vorbeugte, »soll das Geheimniß meiner Reise vor Jedermann bewahrt werden?«
»Gleichviel, mein lieber Graf, ob man weiß, daß Sie reisen, wenn man nur nicht weiß, in welcher Absicht Sie reisen.«
»Und der Zweck soll Herrn von Bouillé allein enthüllt werden?«
»Herrn von Bouillé allein, und auch ihm nur, nachdem Sie sich seiner Gesinnung wohl versichert haben. Der Brief, den ich Ihnen für den Gouverneur übergebe, ist ein einfacher Einführungsbrief. Sie kennen meine Lage meine Befürchtungen, meine Hoffnungen besser als die Königin, meine Frau, besser als Herr Necker, mein Minister, besser als Herr Gilbert, mein Rath, Handeln Sie dem gemäß, ich lege den Faden und die Schere in Ihre Hände, entrollen Sie oder schneiden Sie ab.«
Hierauf übergab er dem Grafen einen offenen Brief und fügte bei:
»Lesen Sie.«
Der Graf nahm den Brief und las:
»Ich hoffe, mein Herr, Sie sind fortwährend mit Ihrer Stellung als Gouverneur von Metz zufrieden. Der Herr Graf von Charny, Lieutenant meiner Garde, der durch diese Stadt reist, wird Sie fragen, ob es in Ihren Wünschen liege, daß ich etwas Anderes für Sie thue; ich würde in diesem Falle die Gelegenheit ergreifen, Ihnen angenehm zu sein, wie ich diese ergreife, Ihnen die Versicherung meiner Hochachtung zu wiederholen.
»Und nun,« sagte der König, »gehen Sie; Sie haben Vollmacht in Betreff der Herrn von Bouillé zu machenden Versprechungen, wenn Sie glauben, es sei nöthig, ihm Versprechungen zu machen; verbinden Sie mich aber nur in dem Maße von dem, was ich halten kann.«
Und er reichte ihm zum zweiten Male die Hand.
Charny küßte diese Hand mit einer Gemüthserschütterung, die ihn neuer Betheuerungen überhob, und er entfernte sich aus dem Cabinet und ließ den König überzeugt zurück; Ludwig XVI. hatte sich auch in der That durch sein Vertrauen das Herz des Grafen besser erworben, als er es durch alle Reichthümer und alle Gunstbezeugungen, über die er in den Tagen seiner Allmacht verfügt, hätte thun können.
XXIII
Bei der Königin
Charny ging, das Herz voll von entgegengesetzten Gefühlen, vom König weg.
Aber das erste von diesen