Александр Дюма

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4


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käme, um mit einer Freundin zu reden.«

      Ein bitteres Lächeln trat leicht aus den Lippen von Charny hervor.

      »Ja, Graf,« sprach die Königin, »ich begreife dieses Lächeln, und ich weiß, was Sie sich innerlich sagen. Sie sagen sich, ich sei ungerecht in Versailles gewesen, und in Paris sei ich launenhaft.«

      »Ungerechtigkeit oder Laune, Madame,« versetzte Charny, »Alles ist einer Frau erlaubt, um so viel mehr einer Königin.«

      »Ei! mein Gott! mein Freund,« sprach Marie Antoinette mit allem Zauber, den sie in ihre Augen und ihre Stimme legen konnte, »Sie wissen wohl Eines: daß, – die Laune mag von der Frau oder von der Königin kommen, – die Königin Sie nicht als Rath, die Frau Sie nicht als Freund entbehren kann.«

      Und sie reichte ihm ihre zarte, weiße Hand, welche, wenn auch ein wenig abgemagert, immer noch würdig war, als Modell für einen Bildhauer zu dienen.

      Charny nahm diese königliche Hand und schickte sich, nachdem er sie ehrerbietig geküßt, an, sie wieder fallen zu lassen, als er fühlte, daß Marie Antoinette die seinige zurückhielt.

      »Nun wohl, ja,« sprach die arme Frau, durch diese Worte aus die Bewegung antwortend, die er gemacht, »nun wohl, ja, ich bin ungerecht, mehr als ungerecht, ich bin grausam gewesen, mein lieber Graf! Sie haben in meinem Dienste einen Bruder verloren, den Sie mit väterlicher Zärtlichkeit liebten; dieser Bruder war für mich gestorben; ich mußte ihn mit Ihnen beweinen; in jenem Moment haben der Schrecken, der Zorn, die Eifersucht, – was wollen Sie, Charny, ich bin Weib! – die Thränen in meinen Augen zurückgehalten  . . . Als ich aber allein geblieben, während der zehn Tage, wo ich Sie nicht gesehen, habe ich Ihnen weinend meine Schuld bezahlt, und zum Beweise, schauen Sie mich an, mein Freund, ich weine noch,« fügte Marie Antoinette bei.

      Und sie warf leicht ihren schönen Kopf zurück, damit Charny ihre wie Diamanten durchsichtigen Thränen in der Furche, welche der Schmerz in ihren Wangen zu graben anfing, herabrollen sehen könnte.

      Ach! hätte Charny wissen können, welche Menge von Thränen denen, die vor ihm floßen, folgen sollte, er wäre ohne Zweifel, von einem ungeheuren Mitleid bewegt, vor der Königin auf die Kniee gefallen und hätte sie um Verzeihung gebeten für das Unrecht, das sie gegen ihn hatte.

      Doch die Zukunft ist, durch die Erlaubniß des barmherzigen Gottes, in einen Schleier gehüllt, den keine Hand aufheben, kein Blick vor der Stunde durchdringen kann, und der schwarze Stoff, aus welchem das Geschick den von Marie Antoinette gemacht hatte, schien noch genug mit goldenen Stickereien geschmückt zu, sein, daß man nicht bemerkte, es sei ein Trauerstoff . . .

      »Glauben Sie mir, Madame,« sprach Charny, »ich bin sehr dankbar für diese Erinnerung, die sich an mich wendet, und für diesen Schmerz, der sich an meinen Bruder wendet; leider habe ich kaum die Zeit, Ihnen meine Dankbarkeit auszudrücken  . . .«

      »Wie so, und was wollen Sie hiermit sagen?« fragte Marie Antoinette erstaunt.

      »Ich will hiermit sagen, daß ich Paris in einer Stunde verlasse.«

      »Sie verlassen Paris in einer Stunde?«

      »Ja, Madame.«

      »Oh! mein Gott! verlassen Sie uns wie die Andern?« rief die Königin. »Wandern Sie aus, Herr von Charny?«

      »Ach!« erwiederte Charny, »Eure Majestät hat mir durch diese grausame Frage bewiesen, daß ich, allerdings ohne mein Wissen, viel Unrecht gegen sie gehabt habe.«

      »Verzeihen Sie, mein Freund, Sie sagen mir, Sie reisen ab . . . Warum reisen Sie?«

      »Um eine Sendung zu vollbringen, mit welcher mich der König zu beauftragen mir die Ehre erwiesen hat.«

      »Und Sie verlassen Paris?« fragte die Königin mit Bangigkeit.

      »Ich verlasse Paris, ja, Madame.«

      »Auf wie lange?«

      »Ich weiß es nicht.«

      »Aber vor acht Tagen schlugen Sie eine Sendung aus, wie mir scheint?«

      »Das ist wahr, Madame.«

      »Warum, nachdem Sie vor acht Tagen eine Sendung ausgeschlagen, nehmen Sie heute eine an?«

      »Weil in acht Tagen, Madame, viele Veränderungen in der Existenz eines Menschen und in Folge hiervon in seine Entschließungen eintreten können.«

      Die Königin schien eine Anstrengung mit ihrem Willen und zugleich mit den verschiedenen Organen zu machen, welche diesem Willen unterthan und ihn zu übertragen betraut sind.

      »Und Sie reisen allein?« fragte sie.

      »Ja, Madame, allein.«

      Marie Antoinette athmete.

      Dann sank sie, wie gelähmt durch die Anstrengung, die sie gemacht, einen Moment auf sich selbst zusammen, schloß die Augen, strich mit ihrem Batisttaschentuch über ihre Stirne und fragte noch:

      »Und wohin gehen Sie so?«

      »Madame,« erwiederte Charny ehrerbietig, »der König, ich weiß es, hat keine Geheimnisse für Eure Majestät: die Königin frage ihren erhabenen Gemahl sowohl nach dem Zwecke meiner Reise, als nach dem Gegenstande meiner Sendung, und ich bezweifle nicht eine Secunde, daß er ihr Beides sagt.«

      Marie Antoinette öffnete die Augen wieder und heftete einen erstaunten Blick auf Charny.

      »Warum sollte ich mich aber an ihn wenden, da ich mich an Sie wenden kann?« sagte sie.

      »Weil das Geheimnis, das ich in mir trage, das des Königs ist, Madame, und nicht das meinige.«

      »Mein Herr,« versetzte Marie Antoinette mit einer gewissen Hoheit, »mir scheint, wenn es das Geheimniß des Königs ist, so ist es auch das der Königin.«

      »Ich bezweifle es durchaus nicht, Madame,« erwiederte Charny, indem er sich verbeugte; »darum getraue ich mich auch Eure Majestät zu versichern, der König werde keine Schwierigkeit machen, es ihr anzuvertrauen.«

      »Ist aber diese Sendung im Inneren von Frankreich oder nach dem Auslande?«

      »Der König allein kann Eurer Majestät hierüber die Aufklärung geben, die sie verlangt.«

      »Also,« sprach die Königin mit einem tiefen Schmerze, der für den Augenblick die Oberhand über die Gereiztheit gewann, welche in ihr die Zurückhaltung von Charny verursachte, »also Sie reisen, Sie entfernen sich von mir, Sie werden ohne Zweifel Gefahren preisgegeben sein, und ich werde weder wissen, wo Sie sind, noch welche Gefahren Sie lausen!«

      »Madame, wo ich auch sein mag, Sie werden da, wo ich bin, darauf kann ich Ihnen einen Eid schwören, einen getreuen Unterthan, ein ergebenes Herz haben, und welchen Gefahren ich mich auch aussetze, sie werden mir süß sein, da ich mich ihnen für den Dienst der zwei Häupter aussetze, die ich am meisten aus der Welt verehre.«

      Und der Graf verbeugte sich und schien, um sich zurückzuziehen, nur die Erlaubniß der Königin zu erwarten.

      Die Königin stieß einen Seufzer aus, der einem unterdrückten Schluchzen glich, nahm ihren Hals in die Hand, als wollte sie ihren Thränen wieder in ihre Brust hinabsteigen helfen, und sagte dann:

      »Es ist gut, mein Herr, gehen Sie.«

      Charny verbeugte sich abermals und ging festen Schrittes nach der Thüre.

      Doch in dem Augenblick, wo der Graf die Hand aus den Drücker legte, rief die Königin, die Arme gegen ihn ausstreckend:

      »Charny!«

      Der Graf bebte und wandte sich erbleichend um.

      »Charny,« fuhr Marie Antoinette fort, »kommen Sie hierher!«

      Er näherte sich schwankend.

      »Kommen Sie hierher, näher,« fügte die Königin bei, »schauen Sie mir in’s Gesicht . . .Nicht wahr, Sie lieben mich nicht mehr?«

      Charny fühlte einen ganzen Schauer seine Adern durchlaufen; er glaubte einen Augenblick in Ohnmacht zu sinken.

      Es war dies das erste Mal, daß