Александр Дюма

Die Holländerin


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giebt doch sonderbare Zufälle, sprach sie dann nach der Erzählung.

      – In der That, entgegnete Tristan, einen Seufzer ausstoßend, wie hätte ich denken können, daß ich nach Holland kommen und der Gast eines so freundlichen, wohlwollenden Hauses werden würde!

      Um Euphrasia zu schmeicheln, stieß Tristan einen zweiten Seufzer aus.

      – Herr Van-Dick hat mir gesagt, daß Sie ihm gleich gefallen hätten.

      – Und ich, Madame, muß gestehen, daß mich eine unerklärliche Sympathie an ihn fesselt.

      – Er ist auch ein vortrefflicher Mann, nicht wahr?

      – Ja, Madame, eine auserlesene Natur!

      – Herr Tristan, ich fühle mich so zu Ihnen hingezogen, als ob Sie bereits einer meiner ältesten Freunde wären; darum kann ich Ihnen gestehen, daß, obgleich Herr Van-Dick ein höchst achtbarer Mann ist, ich doch nicht immer glücklich mit ihm gewesen bin.

      – Ist es möglich, Madame! rief unser Tenor mit einer Miene, die Ueberraschung, Erstaunen und Mitleiden zugleich ausdrückte.

      – Was ich sagte, Herr Tristan, ist die reine, traurige Wahrheit. Herr Van-Dick ist ein Mann des Handels, ein Mann, der wohl eine Frau von vierzig Jahren glücklich machen konnte, aber nicht ein junges Mädchen von sechzehn Jahren, wie ich war, als ich ihn heirathete.

      – Wie, Madame, rief Tristan, Sie sind schon sechsundzwanzig Jahre alt? Sie scheinen kaum zweiundzwanzig zu zählen! Als ich den großen Knaben sah, der dort im Garten spielt, wollte ich nicht glauben, daß er Ihr Sohn sei; ich hätte wetten mögen, daß er Ihr Bruder wäre.

      – O Sie Schmeichler, sprach sie erröthend, der Franzose ist in Ihnen nicht zu verkennen!

      – Ich ein Schmeichler, Madame? O Sie scheinen mich nicht zu kennen!

      – Ich weiß genau, wie alt ich bin, weiß auch, daß ich nicht nur sechsundzwanzig Jahre alt scheine, sondern dreißig Jahre.

      – Sie scherzen, Madame!

      – O nein! Ich habe sehr viel gelitten! Alle die Seufzer, die Madame Van-Dick bis jetzt ausgestoßen hatte, waren nichts gegen den, den sie bei diesen Worten ausstieß.

      »Wenn das so fort geht, dachte Tristan, wird mein Aufenthalt in diesem Hause nicht immer der angenehmste sein.«

      – Sie haben gelitten? Welcher Dämon, eifersüchtig auf Ihre Schönheit,ist im Stande gewesen, den Blumen Ihrer Bahn und den Tagen Ihres Lebens Duft und Glanz zu rauben?

      Tristan biß die Lippen zusammen, ein gewöhnliches Mittel, sich des Lachens zu erwehren.

      – Sie zweifeln, weil Sie meiner äußern Ruhe glauben, ohne in das Innere zu blicken.

      – Verzeihen Sie mir diese Reflexion, Madame; aber worin hätten Sie unglücklich gewesen sein können? Ihr Gemahl liebt Sie, Ihr Sohn betet Sie an; Sie sind jung, reich, schön, die Männer müssen Sie bewundern, oder sie haben keine Augen, und die Frauen müssen Sie beneiden, oder sie haben keine Eigenliebe mehr. Was wünschen Sie noch mehr?

      – Rechnen Sie für nichts, mein Herr, wenn man die Träume seines Lebens nach und nach hat verschwinden gesehen? Ach, ihr Mädchenträume, wo seid ihr hin?

      Nachdem Euphrasia wehmüthig gen Himmel geblickt, ließ sie das Haupt melancholisch auf den vollen Busen herabsinken, was in der ganzen Welt ein Zeichen tiefer Trauer ist.

      – Welch’ ein lächerliches, unangenehmes Weib! dachte Tristan. Hätte mir ihr Mann dies Alles vorhergesagt, ich weiß nicht, ob ich ihm gefolgt wäre. Armer Wilhelm!

      – Haben Sie je geliebt, Herr Tristan? fragte Euphrasia nach einer Pause.

      – O ja, Madame.

      – Oft?

      – Nur einmal.

      Madame Van-Dick schien den jungen Mann mit Bewunderung zu betrachten.

      – Ach, es muß doch schön sein, nur einmal geliebt zu haben! Und sind Sie von ihr wiedergeliebt, Herr Tristan?

      – Ich glaube, ja.

      – Und jetzt?

      – Jetzt ist sie todt.

      – Armer junger Mann!

      Eine gehorsame Thräne glänzte in den Augen Euphrasia’s.

      – War es vielleicht ein junges Mädchen, das Sie entführt haben? fragte Madame Van-Dick weiter, die hoffte etwas von dem Roman aus Tristans Leben kennen zu lernen.

      – Nein, Madame, es war meine Frau.

      – Ihre Frau?

      – Ja.

      – Sie liebten Ihre Frau! So giebt es in der Welt doch verheirathete Männer, welche ihre Frauen lieben.

      – Sie sollten doch weniger als irgend Jemand daran zweifeln, denn Ihr Mann betet sie an.

      Madame Van-Dick senkte den Kopf.

      – Bevor Sie Ihre Frau heiratheten, Herr Tristan machten Sie ihr den Hof, nicht wahr?

      – Gewiß.

      – Abends gingen Sie in dunkeln, einsamen Alleen mit ihr spazieren?

      – Ja.

      – Sie drückte Ihnen die Hand und Nachts träumte einer von dem andern?

      – Ganz recht.

      – Leider!

      Ein Seufzer ertönte.

      – Haben Sie dieses Glück, Madame, das Sie mir so genau beschreiben, nicht auch empfunden?

      – Nein, dieses Glück ist ein Traum, der bis jetzt noch nicht in Erfüllung gegangen.

      »Ein Satz, dachte Tristan, der für Herrn Wilhelm nicht sehr schmeichelhaft ist.«

      – Aber für dieses Glück, das Sie bedauern nicht genossen zu haben, fügte er laut hinzu, genossen Sie das häusliche Glück, Familienfreuden und die Annehmlichkeiten des Reichthums. Und wenn Ihre Vergangenheit – in Ihrem Alter, Madame, hat man übrigens noch keine Vergangenheit – wenn Ihre Vergangenheit ohne Leidenschaft war, das heißt, ohne Sturm, ist ihre Zukunft ohne Unruhe. In Ihrem Leben, dessen Tage ruhig dahinflossen, bildet sich am Morgen stets derselbe reine, klare Horizont, der am Abend verschwand. Da Sie nur von Liebe geträumt, haben Sie nie Enttäuschung, Sehnsucht und Verlangen kennen gelernt. Hätte ich, Madame, der ich in demselben Alter stehe, wie Sie, zwischen Ihrem Glücke und dem meinigen zu wählen, ich gäbe dem Ihrigen den Vorzug, denn Sie glauben noch, ich aber glaube nicht mehr.

      – Und doch wäre ich glücklich gewesen, rief Euphrasia in erkünstelter Exaltation, hätte ich anstatt eines so materiellen Ehemannes einen liebenden Gatten gefunden, wie Sie sind! Sie scheinen mir einer von den Männern zu sein, die aus tiefem Herzen lieben.

      – Holla! dachte Tristan, als er die Blicke bemerkte, mit welchen Euphrasia diese Worte begleitete. Madame Van-Dick hat Lust, den Herrn Wilhelm zu hintergehen.

      – Es ist wahr, Madame, fuhr er laut fort, ich liebte aus tiefem Herzen; aber eine solche Liebe, wie ich sie empfand, verbrennt das Herz und läßt nur einen Haufen Asche zurück, unter dem auch nicht ein Fünkchen Feuer mehr glimmt.

      Tristan hielt diesen albernen Satz, den er mit einer wahren Zerknirschung gesprochen hatte, für geeignet, Euphrasia in Bezug auf sich vollkommen aufzuklären, im Fall sie sich geneigt fühlen sollte, ihn mit jener Leidenschaft zu beehren, welche sie bedauerte, nicht empfunden zu haben.

      Euphrasia fuhr fort, sich mit ihrer Stickerei zu beschäftigen, ihre Blicke aber, anstatt wie früher nach Wilhelms Bureau hinüberzuschweifen, richteten sich verstohlen auf Tristan, der mit einer Feder auf einem Stück Papier zeichnete, das vor ihm liegen geblieben war.

      – Was machen Sie da, Herr Tristan? fragte Euphrasia.

      – Ich zeichne die Parthie des Gartens, in welcher sich jenes alte Haus erhebt, das viel Charakter hat.

      – Ich muß Sie um etwas bitten, Herr Tristan.

      – Reden