letzten Regen, gnädiger Herr, höhlten die Wege aus, und wenn ich nicht, angeeifert durch Euren Brief, Hindernissen aller Art getrotzt hätte, so wäre ich noch nicht angekommen.«
»Oh! Du hast wohl daran gethan, Dich zu beeilen, Aloyse, denn wahrhaftig, wozu nützt es, allein glücklich zu sein? Siehst Du diesen Brief, den ich so eben empfangen habe? er ist von Deinem andern Kind, er ist von Diana, und er verkündigt mir, daß die Hindernisse, die sich unserer Liebe entgegenstellten, gehoben werden können, daß der König die Heirath von Diana mit Franz von Montmorency nicht mehr fordert, daß Diana mich liebt! daß sie mich liebt! und Du bist da, um Alles dies zu hören, Aloyse; sprich, stehe ich nicht wahrhaftig auf dem Gipfel des Glücks?«
»Gnädiger Herr,« entgegnete Aloyse, ohne von ihrem traurigen Ernste abzuweichen, »gnädiger Herr, wenn Ihr dennoch auf Frau von Castro verzichten müßtet?«
»Unmöglich, Aloyse, da sich nun alle Hindernisse wie von sich selbst ebnen!«
»Man kann immerhin die Schwierigkeiten besiegen, welche von den Menschen kommen« sprach die Amme, »doch nicht diejenigen welche von Gott kommen. Gnädiger Herr, Ihr wißt, ob ich Euch liebe und ob ich mein Leben hingeben würde, um dem Eurigen den Schatten eines Kummers zu ersparen; nun wohl! wenn ich zu Euch sagte: »Ohne nach dem Grund zu fragen, gnädiger Herr, verzichtet auf Frau von Castro hört auf, sie zu sehen, erstickt diese Liebe durch alle Mittel, welche Ihr in Eurer Gewalt habt. Ein furchtbares Geheimniß, dessen Enthüllung nicht von mir zu fordern, ich Euch in Eurem eigenen Interesse beschwöre, waltet zwischen Euch Beiden ob.« Wenn ich so zu Euch spräche, flehend und auf den Knieen, was würdet Ihr mir antworten, gnädiger Herr?«
»Solltest Du mich auffordern mein Leben zu vernichten, ohne nach dem Grund zu fragen, so würde ich Dir gehorchen. Doch meine Liebe liegt außer dem Bereiche meines Willens, Amme, und sie kommt auch von Gott.«
»Herr,« rief, die Amme die Hände faltend, »er spricht eine Gotteslästerung. Doch Du siehst, daß er nicht weiß, was er thut, vergib ihm, o Herr!«
»Du erschreckst mich, Aloyse! Halte mich nicht so lange in dieser tödtlichen Angst, und was Du auch sagen willst oder mußt, sprich, sprich, ich flehe Dich an.«
»Ihr wollt es, gnädiger Herr? Ich muß Euch durchaus das Geheimniß enthüllen, welches zu bewahren ich vor Gott geschworen hatte, das mir aber Gott selbst nicht länger zu verbergen befiehlt? Nun wohl! gnädiger Herr, Ihr habt Euch getäuscht, hört mich, Ihr müßt Euch über die Natur der Zuneigung getäuscht haben, die Euch Diana einflößte! Es war kein heißes Verlangen, keine Gluth, dessen seid sicher, sondern eine ernste, ergebene Zuneigung, ein Bedürfniß, freundschaftlichen, brüderlichen Schutz zu gewähren, nichts Zärtlicheres, nichts Eigennützigeres gnädiger Herr.«
»Das ist ein Irrthum, Aloyse, die reizende Schönheit von Diana . . .«
»Es ist kein Irrthum,« sprach Aloyse hastig, »und Ihr werdet darin mit mir übereinstimmen; denn der Beweis wird Euch so klar und unumstößlich erscheinen als mir. Wißt also, aller Wahrscheinlichkeit nach ist Frau von Castro . . . ach! Muth gefaßt, mein Kind! ist Frau von Castro . . . Eure Schwester!«
»Meine Schwester« rief Gabriel auffahrend, als ob ihn eine Feder emporheben würde, »meine Schwester!« rief er beinahe wahnsinnig. »Wie könnte die Tochter des Königs und von Frau von Valentinois meine Schwester sein?«
»Gnädiger Herr, Diana von Castro ist geboren im Mai 1539, nicht wahr? der Graf Jacques von Montgommery ist verschwunden im Januar desselben Jahres, und, wißt Ihr auf welchen Verdacht hin? Wißt Ihr, was man Eurem Vater zur Last legte? Man beschuldigte ihn, er sei der glückliche Liebhaber von Diana von Poitiers und, der bevorzugte Nebenbuhler des Dauphin, der heute König von Frankreich ist. Vergleicht nun die Zeitangaben, gnädiger Herr.«
»Himmel und Erde!« rief Gabriel. »Doch sprecht, sprecht,« sagte er, alle Kräfte seines Wesens zusammenraffend, »mein Vater war angeklagt, doch wer beweist, daß die Anklage gegründet war? Diana ist fünf Monate nach dem Tode meines Vaters geboren, doch wer beweist, daß Diana nicht die Tochter des Königs ist der sie liebt, wie sein Kind?«
»Der König kann sich täuschen, wie ich mich ebenfalls täuschen kann, gnädiger Herr; bemerkt wohl, daß ich nicht sagte: Diana ist Eure Schwester. Doch es ist wahrscheinlich, daß sie es ist; es ist möglich, daß sie es ist, wenn Ihr wollt. War es nicht meine Pflicht, Euch dieses Geständniß zu thun, Gabriel? Ja, nicht wahr, da Ihr ohne dieses Geständniß nicht auf sie verzichten wolltet? Nun mag Euer Gewissen das Urtheil über Eure Liebe sprechen und Gott mag Euer Gewissen richten.«
»Oh! dieser Zweifel ist tausendmal gräßlicher, als das Unglück selbst,« sprach Gabriel. »Mein Gott, wer wird mich diesem Zweifel entreißen.«
»Das Geheimnis war nur zwei Personen in der Welt bekannt, gnädiger Herr,« sagte Aloyse, »und nur zwei menschliche Geschöpfe hätten Euch antworten können: Euer Vater der heute in einem unbekannten Grabe liegt, und Frau von Valentinois, die wohl nie zugestehen wird, daß sie den König getäuscht hat, und daß ihre Tochter nicht die Tochter des Königs ist.«
»Ja,« versetzte Gabriel, »und jedenfalls, wenn ich nicht die Tochter meines Vaters liebe, so liebe ich die Tochter des Mörders meines Vaters! Denn an dem König, an Heinrich II. habe ich Rache zu nehmen für den Tod meines Vaters, nicht wahr, Aloyse?«
»Wer weiß das außer Gott?« antwortete die Amme.
»Ueberall Verwirrung und Finsternis! Zweifel und Schrecken!« sprach Gabriel. »Oh! ich werde ein Narr werden, Amme! Doch nein,« sagte der thatkräftige junge Mann, »ich will kein Narr werden, ich will es nicht! ich werde zuerst alle Mittel erschöpfen, um die Wahrheit zu ergründen. Ich werde zu Frau von Valentinois gehen und sie um ihr Geheimnis fragen. Sie ist katholisch, gottesfürchtig, ich werde von ihr einen Eid erhalten, der mir ihre Aufrichtigkeit bezeugt. Ich werde zu Catharina von Medicis geben, die vielleicht etwas erfahren hat. Ich werde zu Diana gehen und, die Hand auf meinem Herzen, die Schläge meines Herzens befragen. Wohin werde ich nicht geben? Ich würde zum Grabe meines Vaters gehen, wenn ich es wüßte, wenn ich es finden könnte, Aloyse, und ich würde ihn mit einer so mächtigen Stimme beschwören, daß er sich unter den Todten erheben müßte, um mir zu antworten.«
»Armes, theures Kind!« murmelte Aloyse, »so kühn und so muthig, selbst nach diesem furchtbaren Schlag! so stark gegen ein so grausames Geschick.«
»Und ich werde keine Minute verlieren, um zum Werk zu schreiten,« sprach Gabriel, indem er, von einem gewissen Thätigkeitsfieber bewegt, aufstand.
»Es ist vier Uhr: in einer halben Stunde bin ich bei der Frau Großseneschallin; eine halbe Stunde hernach bei der Königin; um sechs Uhr da, wo mich Diana erwartet, und wenn ich diesen Abend zurückkomme, Aloyse, habe ich vielleicht eine Ecke von diesem dunkeln Schleier meines Schicksals aufgehoben. Diesen Abend sehen wir uns wieder.«
»Und ich, gnädiger Herr, kann ich nichts thun, um Euch bei Eurer furchtbaren Aufgabe zu unterstützen?« fragte Aloyse.
»Du kannst zu Gott beten, Aloyse, bete zu Gott.«
»Für Euch und für Diana, ja, gnädiger Herr.«
»Bete auch für den König, Aloyse,« sprach Gabriel mit finsterer Miene.
Und er ging mit hastigen Schritten hinaus.
XIV.
Diana von Poitiers
Der Connetable von Montmorency war noch bei Diana von Poitiers und sprach zu ihr mit hochmüthigem Tone, ebenso rauh und gebieterisch, als sie sich sanft und weich gegen ihn zeigte.
»Ei! Gottes Tod! es ist am Ende Eure Tochter,« sagte er, »und Ihr habt bei ihr dieselben Rechte und dieselbe Gewalt wie der König, fordert diese Heirath.«
»Mein Freund,« erwiderte Diana, »bedenkt, da ich bis jetzt, was die Zärtlichkeit betrifft, sehr wenig Mutter gewesen bin, so kann ich nicht hoffen, genug Mutter hinsichtlich der Gewalt zu sein: ich kann nicht schlagen, ohne geliebkost zu haben. Wir, Frau von Angoulême und ich, sind wie Ihr wißt, sehr kalt gegen einander, und trotz ihres anfänglichen Entgegenkommens haben wir uns beständig nur in seltenen Zwischenräumen gesehen. Sie hat