stehe Ihnen nicht dafür,« sprach der Baron mit einer verdrießlichen Miene den Kopf schüttelnd, während Andrée im Gegentheil mit aller Gewalt horchte. »Ich bin sehr ungläubig, das muß ich Ihnen zum Voraus bemerken.«
»Wozu nützt es Sie dann, eine Frage an mich zu stellen, deren Antwort Sie nicht hören werden?«
»Gut, ich will Ihnen glauben, sind Sie damit zufrieden?«
»So wiederhole ich Ihnen, was ich bereits gesagt: ich habe Sie nicht nur gesehen, sondern sogar bei der Belagerung von Philippsburg gekannt.«
»Sie waren damals ein Kind?«
»Ohne Zweifel.«
»Sie mochten höchstens vier bis fünf Jahre alt sein?«
»Nein; ich war ein und vierzig.«
»Ah! ah! ah!« rief der Baron mit einem schallenden Gelächter, während Nicole sein Echo bildete.
»Ich sagte es Ihnen, mein Herr,« sprach mit ernstem Tone Balsamo; »Sie glauben mir nicht?«
»Wie soll man das glauben! . . . geben Sie mir einen Beweis.«
»Es ist indessen ganz klar,« versetzte Balsamo, ohne die geringste Verlegenheit zu offenbaren; »ich zählte damals ein und vierzig Jahre, das ist richtig; aber ich sage nicht, daß ich der Mensch war, der ich bin.«
»Ah! ah! doch das rührt vom Heidenthum her,« rief der Baron. »Gab es nicht einen griechischen Philosophen, – diese verfluchten Philosophen hat es zu allen Zeiten gegeben! – gab es nicht einen griechischen Philosophen, der keine Bohnen aß, weil er behauptete, sie hätten Seelen, wie mein Sohn dies von den Negern behauptet? . . . Wer erfand dies doch? Es war . . . wie Teufels nennen sie ihn?«
»Pythagoras,« sprach Andrée.
»Ja, Pythagoras, die Jesuiten lehrten mich das früher. Der Pater Porée ließ mich Verse hierüber im Wettstreit mit dem kleinen Arouet machen. Ich erinnere mich sogar, daß er die meinigen unendlich viel besser fand, als die seinigen. Pythagoras, so ist es.«
»Nun! wer sagt Ihnen, daß ich nicht Pythagoras gewesen bin?« entgegnete Balsamo ganz einfach.
»Ich leugne nicht, daß Sie Pythagoras gewesen sind,« versetzte der Baron, »doch Pythagoras war nicht bei der Belagerung von Philippsburg. Wenigstens habe ich ihn nicht dabei gesehen.«
»Sicherlich, doch Sie haben den Vicomte Jean des Barreaux gesehen, der bei den schwarzen Musketieren stand?«
»Ja, ja, den sah ich wohl; doch das war kein Philosoph, obgleich er einen Abscheu vor den Bohnen hatte und nur davon aß, wenn er es nicht anders machen konnte.«
»So ist es. Erinnern Sie sich, daß am andern Tage nach dem Duell von Herrn von Richelieu des Barreaux mit Ihnen im Laufgraben war?«
»Vollkommen.«
»Denn Sie entsinnen sich wohl des Umstandes, daß die schwarzen Musketiere und die Chevauxlegers alle sieben Tage mit einander den Posten bezogen?«
»Ganz richtig, und dann?«
»Die Kartätschen fielen wie Hagel an diesem Abend. Des Barreaux war traurig, er näherte sich Ihnen und bat Sie um eine Prise, die Sie ihm aus einer goldenen Dose boten.«
»Worauf das Portrait einer Frau war.«
»So ist es. Ich sehe sie noch vor mir; blond, nicht wahr?«
»Bei Gott! Sie haben Recht,« sprach der Baren ganz bestürzt. »Hernach?«
»Hernach,« fuhr Balsamo fort, »als er diese Prise schlürfte, packte ihn eine Kugel am Halse, wie einst Herrn von Berwick, und riß ihm den Kopf weg,«
»Ach! ja, der arme des Barreaux!«
»Nun, mein Herr, Sie sehen, daß ich Sie bei Philippsburg gekannt habe, denn ich war des Barreaux in Person,« sprach Balsamo.
Der Baron warf sich von einem Anfall des Schreckens, oder vielmehr des Erstaunens ergriffen, der sogleich dem Fremden den Vortheil verlieh, in seinem Lehnstuhle zurück.
»Das ist Hexerei,« rief er; »vor hundert Jahren hätte man Sie verbrannt, mein lieber Gast. Ei, mein Gott! es kommt mir vor, als spürte man hier den Geruch eines Geistes, eines Gehenkten, eines Verbrannten.«
»Herr Baron,« entgegnete lächelnd Balsamo, »ein wahrer Zauberer wird weder gehenkt, noch verbrannt, prägen Sie sich das wohl ein; nur die Dummköpfe haben es mit dem Scheiterhaufen oder dem Stricke zu thun. Doch beliebt Ihnen, daß wir diesen Abend hier bleiben? Fräulein von Taverney schläft ein. Es scheint, die metaphysischen Discussienen und die verborgenen Wissenschaften interessiren sie nur in geringem Grade.«
Durch eine unbekannte, unwiderstehliche Kraft unterjocht, wiegte Andrée in der That sanft ihre Stirne, wie eine Blume, deren Kelch einen zu starken Thautropfen empfangen hat.
Doch bei den letzten Worten des Barons machte sie eine Anstrengung, um den beherrschenden Einfall eines Fluidums, das sie niederdrückte, zurückzutreiben; sie schüttelte kräftig den Kopf, stand auf und verließ, Anfangs wankend, dann von Nicole unterstützt, den Speisesaal
Zu gleicher Zeit, wo sie verschwand, verschwand auch das an die Scheiben gedrückte Gesicht, in welchem Balsamo längst das von Gilbert erkannt hatte.
Einen Augenblick nachher hörte man Andrée lebhaft die Tasten ihres Klaviers bearbeiten.
Balsamo war ihr mit dem Auge gefolgt, so lange sie wankend den Speisesaal durchschritt.
»Aus,« sprach er triumphirend, sobald sie verschwunden war, »ich kann wie Archimedes sagen:
»Eureka.«
»Wer ist Archimedes?«
»Ein braver Gelehrter, den ich vor zweitausend ein hundert und fünfzig Jahren gekannt habe.«
VII.
Eureka
Schien dem Baron die Gasconnade diesmal zu stark, hatte er sie nicht gehört, oder hatte er sie gehört, und war es ihm nicht unangenehm, das Haus von seinem seltsamen Gaste zu befreie . . . er folgte Andrée mit den Augen, bis sie verschwunden war, und machte sodann, als ihm das Geräusch ihres Klavieres bewies, daß sie sich im anstoßenden Zimmer beschäftigte, Balsamo das Anerbieten, ihn in die nächste Stadt führen zu lassen.
»Ich habe ein schlechtes Pferd, das vielleicht dabei krepiren wird,« sagte er, »doch es wird an Ort und Stelle kommen, und Sie sind wenigstens sicher, daß Sie eine entsprechende Lagerstätte erhalten. Nicht als ob es in Taverney an einem Zimmer und an einem Bette gebräche, nein, aber ich habe meine eigenen Begriffe von der Gastfreundschaft. Gut oder nichts, das ist mein Wahlspruch.«
»Sie schicken mich also fort?« erwiederte Balsamo, seinen Aerger unter einem Lächeln verbergend, »das heißt mich als Ueberlästigen behandeln.«
»Nein, bei Gott! das heißt Sie als Freund behandeln, mein lieber Gast. Sie hier einzuquartieren hieße im Gegentheil feindselig gegen Sie verfahren. Zu meinem großen Bedauern und zur Entlastung meines Gewissens sage ich Ihnen dies; denn in der That, Sie gefallen mir ungemein.«
»Gefalle ich Ihnen, so nöthigen Sie mich nicht, aufzustehen, während ich müde bin, zu reiten, indeß ich meine Arme ausstrecken und meine Beine in einem Bette von der Erstarrung befreien könnte. Uebertreiben Sie Ihre unbemittelte Lage nicht, soll ich nicht etwa an einen bösen Willen glauben, der mich persönlich betreffen würde.«
»Oh! wenn es sich so verhält, so werden Sie im Schlosse schlafen,« sprach der Baron.
Dann schaute er umher, um La Brie zu suchen, und als er ihn erblickte, rief er ihm zu:
»Vorwärts, alter Schuft!«
La Brie machte schüchtern einige Schritte.
»Vorwärts, beim Teufel! Glaubst Du, daß das rothe Zimmer sich anbieten läßt?«
»Ganz gewiß, gnädiger Herr, denn es ist das, welches Herr Philipp bewohnt, wenn er nach Taverney kommt.«
»Es kann sehr