Александр Дюма

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1


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er sich für den glücklichen Eigenthümer eines solchen Schatzes hielt, mußte ihm Balsamo denselben aus der Hand nehmen und selbst in seine Tasche stecken.

      Er verbeugte sich bis auf den Boden und wollte sich rückwärts entfernen, als Balsamo ihn zurückhielt.

      »Was ist Morgens Gewohnheit im Schlosse?« fragte dieser.

      »Herr von Taverney bleibt lange im Bette liegen, mein Herr, doch Fräulein Andrée steht frühzeitig auf.«

      »Um wie viel Uhr?«

      »Gegen sechs Uhr.«

      »Wer schläft über diesem Zimmer?«

      »Ich, mein Herr.«

      »Und unter demselben?«

      »Niemand. Unter diesem Zimmer ist die Hausflur.«

      »Gut, ich danke, mein Freund,«

      »Gute Nacht, mein Herr,«

      »Gute Nacht; wacht darüber, daß mein Wagen in Sicherheit ist.«

      »Oh! seien Sie unbesorgt.«

      »Solltet Ihr Lärm hören oder Licht erblicken, so erschreckt nicht darüber. Der Wagen wird von einem alten, kraftlosen Diener bewohnt, den ich mitführe. Empfehlt Herrn Gilbert, ihn nicht zu stören; ich bitte, sagt ihm auch, er möge sich morgen früh nicht entfernen, ehe ich ihn gesprochen habe. Werdet Ihr dieses Alles wohl behalten, mein Freund?«

      »Oh! ja, gewiß. Doch sollte uns der Herr so bald verlassen?«

      »Je nachdem,« sprach Balsamo mit einem Lächeln. »Ich würde wohl daran thun, mich morgen Abend in Bar-le-Duc einzufinden.«

      La Brie stieß einen Seufzer der Resignation aus, warf einen letzten Blick auf das Bett und näherte die Kerze dem Herde, um dem großen, feuchten Zimmer, in Ermanglung von Holz, durch das Verbrennen alter Papiere etwas Wärme zu geben.

      Doch Balsamo hielt ihn zurück

      »Nein,« sagte er, »laßt alle diese alten Zeitungen, wo sie sind; wenn ich nicht schlafe, werde ich mich damit ergötzen, daß ich sie lese.«

      La Brie verbeugte sich und ging hinaus.

      Balsamo näherte sich der Thüre und horchte auf die Tritte des alten Dieners, welche die Treppe krachen machten. Bald erschollen diese Tritte über seinem Kopfe; La Brie war in seine Stube zurückgekehrt.

      Dann ging der Baron an das Fenster.

      Seinem Fenster gegenüber, im andern Flügel des Pavillon, war eine Mansarde mit schlecht geschlossenen Vorhängen beleuchtet. Es war die von Legay. Die Zofe legte langsam ihr Kleid und ihr Halstuch ab. Wiederholt öffnete sie das Fenster und neigte sich in den Hof, um hinauszusehen.

      Balsamo betrachtete sie mit einer Aufmerksamkeit, die er ihr ohne Zweifel bei dem Abendbrod nicht hatte zugestehen wollen.

      »Seltsame Aehnlichkeit,« murmelte er.

      In diesem Augenblick erlosch das Licht der Mansarde, obgleich die Bewohnerin derselben noch nicht zu Bette gegangen war. Balsamo blieb auf die Mauer gelehnt.

      Das Klavier erklang immer noch.

      Der Baron schien zu horchen, ob sich kein anderes Geräusch mit dem des Instrumentes vermische  . . . Als er sich überzeugt hatte, daß die Harmonie allein unter dem allgemeinen Stillschweigen wachte, öffnete er wieder seine Thüre, welche La Brie geschlossen hatte, stieg behutsam die Treppe hinab und machte sachte die Thüre des Salon auf, welche sich geräuschlos auf ihren Angeln drehte.

      Andrée hörte nichts.

      Sie ließ ihre schönen, mattweißen Hände auf dem vergelbten Elfenbein hingehen; ihr gegenüber befand sich ein Spiegel in einem geschnitzten Parquet, dessen geschuppte Vergoldung unter einer Lage grauer Farbe verschwanden war.

      Die Melodie, welche Andrée spielte, hatte einen schwermüthigen Ausdruck. Uebrigens waren es mehr einfache Accorde, als eine Melodie. Sie improvisirte ohne Zweifel und wiederholte auf dem Klavier die Erinnerungen ihres Geistes oder die Träume ihrer Einbildungskraft. Ihr durch den Aufenthalt in Taverney so traurig gestimmter Geist verließ vielleicht für den Augenblick das Schloß, um sich in den ganz mit lustigen Kostschülerinnen bevölkerten ungeheuren, schattigen Gärten des Annonciaden-Klosters von Nancy zu verirren. Wo er auch für den Augenblick sein mochte, ihr umherschweifender, halb verschleierter Blick verlor sich in dem vor ihr angebrachten düsteren Spiegel, der die Finsterniß wiedergab, die in diesem großen Zimmer das Licht der auf dem Klaviere stehenden, einzigen Kerze, welche die Tonkünstlerin beleuchtete, nicht zu zerstreuen vermochte.

      Zuweilen hielt sie plötzlich an, dann erinnerte sie sich der seltsamen Vision des Abends und der unbekannten Eindrücke in Folge davon. Denn ehe ihr Geist etwas in dieser Hinsicht genau ermittelt und festgestellt, hatte ihr Herz geschlagen, hatte ein Schauer ihre Glieder durchlaufen. Sie bebte, als ob sie, obgleich in diesem Augenblick vereinzelt, die Berührung eines belebten Wesens gestreift und durch dieses Streifen in Unruhe versetzt hätte.

      Plötzlich, während sie sich von diesen seltsamen Eindrücken Rechenschaft zu geben suchte, fühlte sie dieselben abermals. Ihre ganze Person schauerte, als würde sie von einem elektrischen Schlage berührt. Ihre Blicke bekamen Bestimmtheit, ihr Geist stellte sich gleichsam fest, und sie sah etwas wie eine Bewegung im Spiegel.

      Es war die Thüre des Salon, die sich geräuschlos öffnete.

      Hinter dieser Thüre erschien ein Schatten.

      Andrée bebte, ihre Finger verirrten sich auf den Tasten.

      Nichts war indessen natürlicher, als diese Erscheinung.

      Konnte der Schatten, der sich, noch in die Finsterniß getaucht, unmöglich erkennen ließ, nicht der von Herrn von Taverney, oder der von Nicole sein? Hatte nicht La Brie, ehe er sich schlafen legte, wegen irgend eines Geschäftes in den Zimmern umherzugehen und in den Salon einzutreten? Das kam häufig bei ihm vor, und bei solchen Runden machte der bescheidene, treue Diener nie Lärmen.

      Doch das Mädchen sah mit den Augen der Seele, daß es weder die eine, noch die andere der drei Personen war.

      Der Schatten näherte sich mit lautlosem Tritte und machte sich in der Finsternis immer mehr unterscheidbar. Als er in dem Kreise anlangte, den das Licht umfaßte, erkannte Andrée den mit seinem bleichen Gesichte und seinem schwarzen Sammetrocke so beängstigenden Fremden.

      Er hatte ohne Zweifel aus einem geheimnißvollen Beweggrunde das seidene Kleid, das er trug, abgelegt.6

      Sie wollte sich umwenden, schreien.

      Doch Balsamo streckte seine Arme aus, und sie rührte sich nicht.

      Sie sprach mit einer Anstrengung:

      »Mein Herr, mein Herr! im Namen des Himmels, was wollen Sie?«

      Balsamo lächelte, der Spiegel wiederholte diesen Ausdruck seiner Physiognomie, und Andrée zog ihn gierig ein.

      Doch er antwortete nicht.

      Andrée versuchte es noch einmal, sich zu erheben, aber es gelang ihr nicht; eine unüberwindliche Kraft, eine Erstarrung, welche nicht ohne Reiz war, fesselten sie an ihren Stuhl, während ihr Blick gleichsam auf den magischen Spiegel genietet blieb.

      Die neue Empfindung erschreckte sie, denn sie fühlte sich gänzlich in die Gewalt dieses Menschen gegeben, und dieser Mensch war ein Unbekannter.

      Sie machte eine übermenschliche Anstrengung und wollte um Hülfe rufen; ihr Mund öffnete sich; aber Balsamo streckte seine beiden Hände über dem Haupte des jungen Mädchens aus, und kein Ton kam aus diesem Munde hervor.

      Andrée blieb stumm; ihre Brust füllte sich mit einer gewissen wunderbaren Wärme, welche langsam bis zu ihrem Gehirne aufstieg und sich wie ein Dunst mit bewältigenden Wirbeln entrollte.

      Das Mädchen hatte weder mehr Kraft, noch Willen; es ließ seinen Kopf auf seine Schulter zurückfallen.

      In diesem Augenblick kam es Balsamo vor, als hörte er ein leichtes Geräusch in der Gegend des Fensters; er wandte sich rasch um und glaubte außerhalb