Meister Maurevel, wenn Ihr der Teufel wäret, das würde meinem Vetter von Guise vielleicht Freude machen?«
Maurevel nahm sein höhnisches Lächeln wieder an und seinen von Schrecken bleichen Lippen entfielen die Worte:
»Sire, ich habe aber nicht die Gewalt, die Erde öffnen.«
»Ihr habt sie, wenn ich mich recht erinnere, dem Mouy geöffnet. Ihr werdet mir hernach sagen, daß es mit der Pistole geschah. Habt Ihr sie nicht mehr, diese Pistole?«
»Verzeiht, Sire,« versetzte der Räuber, »aber ich schieße beinahe noch besser mit der Büchse, als mit der Pistole.«
»Oh!« rief Karl IX., gleichviel, Pistole oder Büchse. Ich bin überzeugt, mein Vetter von Guise wird nicht sehr häkelig bei der Wahl des Mittels sein.«
»Aber ich müßte ein Gewehr haben,« versetzte Maurevel, »auf dessen Genauigkeit ich mich verlassen könnte, denn ich hätte vielleicht von ferne zu schießen.«
»Ich habe habe zehn Büchsen in diesem Gemache,« versetzte Karl IX., »mit denen ich einen Goldthaler auf hundertfünfzig Schritte treffe. Wollt Ihr eine versuchen?«
»Oh! Sire, mit dem größten Vergnügen,« rief Maurevel, auf die Büchse zuschreitend, welche in einer Ecke stand und an demselben Morgen Karl IX. gebracht worden war.
»Nicht diese,« sagte der König, »nicht diese, denn ich habe sie mir selbst vorbehalten. Ich werde in den nächsten Tagen eine große Jagd haben, wo sie mir hoffentlich von Nutzen ist. Aber Ihr könnt jede andere wählen.«
»Und der Feind, Sire, wer ist es?« fragte der Mörder.
»Weiß ich es?« antwortete der König, den Elenden mit seinem verächtlichen Blicke niederschmetternd.
»Ich werde also Herrn von Guise fragen,« stammelte Maurevel.
Der König zuckte die Achseln und erwiederte:
»Fragt nicht, Herr von Guise würde nicht antworten. Verantwortet man dergleichen Dinge? Es ist die Sache derjenigen, welche nicht gehängt werden wollen, sie zu errathen.«
»Aber woran soll ich ihn erkennen?«
»Ich habe Euch bereits gesagt, er käme jeden Morgen um zehn Uhr an dem Fenster des Canonicus vorüber.«
»Es gehen viele Leute vor diesem Fenster vorüber. Wollte Eure Majestät nur die Gnade haben, mir irgend ein Zeichen anzugeben.«
»Oh, das ist sehr leicht. Morgen zum Beispiel wird er ein Portefeuille von rothem Maroquin unter dem Arme haben.«
»Sire, es genügt.«
»Ihr habt immer noch das Pferd, das Euch Herr von Mouy geschenkt hat, und das so gut läuft?«
»Sire, ich habe ein vortreffliches Barberroß.«
»Oh! ich bin nicht bange um Euch; nur ist es gut, wenn Ihr wißt, daß das Kloster eine Hinterpforte hat.«
»Ich danke, Sire; betet zu Gott für mich.«
»Er, tausend Teufel, betet lieber zu dem Höllischen, denn ohne seinen Schutz könnt Ihr dem Strange nicht entgehen.«
»Gott befohlen, Sire.«
»Gott befohlen. Doch halt, Herr von Maurevel, Ihr wißt, daß es, wenn man aus irgend eine Art vor übermorgen um zehn Uhr von Euch sprechen hört, oder wenn man nachher nicht von Euch hört, im Louvre eine Oubliette5 gibt.«
Und Karl IX. fing wieder an, ruhig und richtiger als je seine Lieblingsmelodie zu pfeifen.
IV.
Der Abend des 24. August 1572
Unser Leser hat wohl nicht vergessen, daß in dem vorhergehenden Kapitel von einem Edelmann Namens de La Mole die Rede war, welcher mit einer gewissen Ungeduld von Heinrich von Navarra erwartet wurde. Dieser Edelmann ritt, wie es der Admiral vorhergesagt hatte, durch die Porte Saint-Marcel gegen Abend am 24. August 1572 in Paris ein und ließ, einen verächtlichen Blick auf die zahlreichen Wirthshäuser werfend, welche zu seiner Rechten und zu seiner Linken ihre malerischen Schilder ausstreckten, sein völlig dampfendes Pferd bis in das Herz der Stadt dringen, wo er, nachdem er über die Place Maubert, über den Petit-Pont, über den Pont Notre-Dame und die Quais hingezogen war, am Ende der Rue de Bresec anhielt, aus der man seitdem die Rue de l’Arbre-Sec gemacht hat, ein Name, den wir zur Erleichterung der Leser beibehalten wollen.
Der Name gefiel ihm ohne Zweifel, denn er ritt hinein, und da zu seiner Linken ein prachtvolles, an seiner Stange knarrendes Schild von Eisenblech seine Aufmerksamkeit erregte, so machte er einen zweiten Halt und las die Worte: »Zum schönen Gestirne,« welche unter ein Gemälde geschrieben waren, welches das anlockendste Bildniß für einen ausgehungerten Reisenden darstellte. Es war ein gebratenes Huhn, das mitten an einem schwarzen Himmel schwebte, während ein Mensch in einem rothen Mantel nach diesem Gestirne einer neuen Art seine Arme und seine Börse ausstreckte.
»Das ist ein Wirthshaus, das sich gut ankündigt,« sprach der Edelmann zu sich selbst, »und der Wirth muß, bei meiner Seele, ein kluger Bursche sein. Ich habe immer sagen hören, die Rue de l’Arbre-Sec wäre ein Quartier des Louvre, und wenn diese Anstalt nur einigermaßen dem Schilde entspricht, so werde ich mich hier vortrefflich befinden.«
Während der Ankömmling sich diesen Monolog zum Besten gab, hielt ein Anderer, der durch das entgegengesetzte Ende der Straße, das heißt durch die Rue Saint-Honoré eingeritten war, ebenfalls an und beschaute mit einer gewissen Begeisterung das Schild des schönen Gestirnes. Derjenige, welchen wir kennen, oder wenigstens dem Namen nach kennen, ritt einen Schimmel von spanischer Race und trug ein schwarzes, mit Schmelz verziertes Wamms. Sein Mantel war von dunkelveilchenblauem Sammet, er hatte schwarze lederne Stiefel, ein Schwert mit cisilirtem eisernem Griffe und einen Dolch ähnlicher Art. Gehen wir von seiner Tracht zu seinem Gesichte über, so bemerken wir: es war ein Mann von vierundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren, von dunkler Gesichtsfarbe, mit blauen Augen, zartem Schnurrbarte, und glänzenden Zähnen, welche, wenn er seinen Mund zu einem seinen, schwermüthigen Lächeln öffnete, sein Antlitz zu erleuchten schienen.
Der zweite Reisende bildete einen völligen Contrast mit dem ersten. Unter seinem Hute mit der aufgeschlagenen Krämpe erschienen reiche, krause, mehr rothe als blonde Haare. Unter diesem Hute glänzte auch ein graues Auge, das bei dem geringsten Anlasse in so heftige Flammen gerieth, daß man es dann hätte für schwarz halten sollen. Das Uebrige des Gesichtes bestand aus einem rosenfarbigen Teint, aus einer dünnen Lippe, über der ein falber Schnurrbart hervorstand, und aus bewunderungswürdigen Zähnen. Er war im Ganzen mit seiner weißen Haut, mit seinem hohen Wuchse und seinen breiten Schultern ein sehr schöner Reiter in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes, und seit einer Stunde, da er die Nase nach allen Fenstern emporhob, unter dem Vorwande, Wirthsschilder zu suchen, hatten ihn die Frauen viel angeschaut. Was die Männer betrifft, welche vielleicht Anfangs sich geneigt fühlten, zu lachen, als sie seinen Mantel, seine knappen Hosen und seine Stiefeln von alterthümlicher Form erblickten, so verwandelten sie dieses angefangene Lachen in einen artigen Gruß bei der Prüfung dieser Physiognomie, welche in einer Minute zehnerlei verschiedene Ausdrücke annahm, abgesehen von dem wohlwollenden Ausdrucke, welcher stets das Gesicht des verlegenen Provinzbewohners charakterisiert.
Er war es, der sich zuerst an den andern Edelmann wandte, welcher, wie gesagt, ebenfalls das Schild des Gasthofes zum schönen Gestirne betrachtete.
»Mordi, Herr!« sprach er, mit einem furchtbaren Gebirgsaccente, in welchem man den Piemontesen unter hundert Fremden erkennen würde, »ist man hier nicht in der Nähe des Louvre? Jedenfalls glaube ich, daß Ihr denselben Geschmack habt, wie ich, und das ist schmeichelhaft für meine Herrlichkeit.«
»Mein Herr,« antwortete der Andere mit einem Provençalen Accente, der dem piemontesischen Accente des Ersten in keiner Beziehung nachgab, »ich glaube in der That, dieser Gasthof liegt in der Nähe des Louvre. Uebrigens frage ich mich noch, ob ich die Ehre haben werde, Eurer Meinung zu sein. Ich gehe mit mir zu Rathe.«
»Ihr seid nicht entschlossen, mein Herr? das Haus ist doch gewiß einladend. Dann habe ich mich durch Eure Gegenwart anlocken lassen.