Admiral bewohnte, lag, wie gesagt, in der Rue de Béthisy. Es war ein großes Haus, das sich im Hintergrunde eines Hofes mit zwei rückwärts nach der Straße laufenden Flügeln erhob. Eine durch ein großes Thor und zwei kleine Gitter geöffnete Mauer bildete den Eingang zu diesem Hofe.
Als die drei Parteigänger von Guise das Ende der Rue Béthisy erreichten, welche die Fortsetzung der Rue des Fossès-Saint-Germain-l’Auxerrois bildet, sahen sie das Hotel von Schweizern, von Soldaten und bewaffneten Bürgern umgeben. Alle hielten in der rechten Hand entweder Schwerter, oder Pieken, oder Büchsen, und Einige in der Linken Fackeln, welche über diese Scene ein düsteres, schwankendes Licht verbreiteten, das, den Bewegungen der Träger folgend, sich über das Pflaster ausdehnte, an den Mauern hinstieg oder über diesem lebendigen Meere flammte, wo jede Waffe ihren Glanz von sich gab. Rings um das Hotel und in den Rues Tirechappe, Etienne und Bertin-Poirée erfüllte sich das furchtbare Werk. Man vernahm ein langes Geschrei, das Musketenfeuer rasselte und von Zeit zu Zeit sprang ein Unglücklicher, halbnackt, bleich, blutig, wie ein verfolgter Hirsch, in einem Lichtkreise, umher, worin sich eine Welt von Teufeln zu bewegen schien.
In einem Augenblick befanden sich Coconnas, Maurevel und La Hurière, durch ihre weißen Kreuze bezeichnet und von dem Willkommensgeschrei empfangen, im dicksten Haufen. Ohne Zweifel hätten sie nicht durchkommen können; aber Einige erkannten Maurevel und ließen ihm Platz machen, Coconnas und La Hurière schlüpften ihm nach und allen Dreien gelang es, in den Hof zu dringen.
Mitten in diesem Hofe, dessen drei Thore man eingestoßen hatte, stand ein Mann, um welchen die Mörder achtungsvoll freien Raum ließen, gestützt auf einen entblößten Raufdegen und die Augen auf einen etwa fünfzehn Fuß hohen Balcon geheftet, der sich vor dem Hauptfenster des Hotel ausdehnte. Dieser Mann stampfte ungeduldig mit dem Fuße und wandte sich von Zeit zu Zeit, um diejenigen, welche sich zunächst bei ihm befanden, zu befragen.
»Noch nichts?« murmelte er, »Niemand… Er ist wohl gewarnt worden und entflohen. Was denkt Ihr davon, Du Gast?«
»Unmöglich, Monseigneur.«
»Warum? Habt Ihr nicht gesagt, einen Augenblick vor unserer Ankunft sei ein Mensch, den bloßen Degen in der Hand und laufend, als ob er verfolgt würde, erschienen, habe an die Thüre geklopft und es sei ihm geöffnet worden?«
»Ja, Monseigneur, aber beinahe in demselben Augenblick kam Herr von Besme; die Thüren wurden eingestoßen, das Hotel umzingelt. Der Mensch ist wohl hineingegangen, aber sicherlich nicht wieder herausgekommen.«
»Seht,« sagte Coconnas zu La Hurière, »wenn mich nicht Alles täuscht, ist dies Herr von Guise.«
»Er selbst, gnädiger Herr; ja, es ist der große Heinrich von Guise in Person. Er wartet ohne Zweifel, bis der Admiral herauskommt, um ihm dasselbe zu thun, was der Admiral seinem Vater gethan hat.
Jeder kommt an die Reihe, und, Gott sei Dank! heute ist sie an uns!«
»Holla, Besme! Holla!« rief der Herzog mit seiner mächtigen Stimme, »ist es denn noch nicht aus?«
Und mit der Spitze seines Schwertes ließ er in seiner Ungeduld Funken aus dem Pflaster springen.
In diesem Augenblick hörte man Geschrei in dem Hotel, dann Schüsse, dann eine große Bewegung von Füßen und ein Geräusch an einander gestoßener Waffen, worauf ein abermaliges Schweigen folgte.
Der Herzog machte eine Bewegung, um in das Haus zu stürzen.
»Monseigneur, Monseigneur!« sagte Du Gast, sich ihm nähernd und ihn zurückhaltend, »Euere Würde befiehlt Euch, zu bleiben und zu warten.«
»Du hast Recht, ich danke, Du Gast, ich werde warten. Aber in der That, ich sterbe vor Ungeduld und Unruhe. Ah! wenn er mir entginge!«
Plötzlich näherte sich der Lärm von Tritten … Die Scheiben des ersten Stockes wurden von Reflexen, denen einer Feuersbrunst ähnlich, beleuchtet. Das Fenster, nach welchem der Herzog so oft die Augen aufgeschlagen hatte, öffnete sich oder zersprang vielmehr in Stücke, und ein Mensch mit bleichem Gesichte und blutbeflecktem Kragen erschien auf dem Balcon.
»Besme!« rief der Herzog, »bist Du es endlich! Nun?«
»Hier, hier!« antwortete kalt der Deutsche, der sich bückte und sogleich wieder aufstehend, eine, wie es schien, beträchtliche Last emporhob.
»Aber die Andern,« sagte ungeduldig der Herzog, »wo sind die Andern?«
»Die Andern machen die Andern fertig.«
»Und Du, was hast Du gethan?«
»Ich? Ihr sollt es sehen! Weicht ein wenig zurück …«
Der Herzog machte einen Schritt zurück.
In diesem Augenblick konnte man den Gegenstand unterscheiden, den Besme mit so großer Anstrengung an sich zog. Es war der Leichnam eines Greises. Er hob ihn über den Balcon, wiegte ihn einen Augenblick im leeren Raume und warf ihn zu den Füßen seines Herrn.
Das dumpfe Geräusch des Falles, die Blutwellen, welche aus dem Körper hervorsprangen und das Pflaster bespritzten, setzten sogar den Herzog in Schrecken. Aber dieses Gefühl dauerte nicht lange. Die Neugierde machte, daß jeder einige Schritte vorwärts ging, und eine Fackel zitterte über dem Opfer.
»Der Admiral!« riefen gleichzeitig zwanzig Stimmen, welche gleichzeitig auch wieder schwiegen.
»Ja, der Admiral,« sagte der Herzog, sich dem Leichname nähernd, um ihn mit stiller Freude zu betrachten.
»Der Admiral! der Admiral!« wiederholten mit halber Stimme alle Zeugen dieser furchtbaren Scene, drängten sich an einander und näherten sich schüchtern dem großen, niedergeschmetterten Greise.
»Ah, Du bist endlich hier, Gaspard,« sprach der Herzog von Guise triumphirend.« »Du hast meinen Vater ermorden lassen, ich räche ihn.«
Und er wagte es, den Fuß aus den Leib des protestantischen Helden zu setzen; aber alsbald öffneten sich die Augen des Sterbenden mit großer Anstrengung, seine blutige, verstümmelte Hand zog sich zum letzten Male krampfhaft zusammen und der Admiral sprach, fortwährend unbeweglich, zu dem ruchlosen mit einer Gräberstimme:
»Heinrich von Guise, Du wirst auch eines Tages den Fuß eines Mörders auf Deiner Brust fühlen. Ich habe Deinen Vater nicht getödtet … Sei verflucht!«
Bleich und unwillkürlich zitternd, fühlte der Herzog, wie ein eisiger Schauer seinen ganzen Körper durchlief. Er fuhr mit der Hand über seine Stirne, als wollte er die unheilschwangere Vision verjagen. Als er die Hand aber wieder fallen ließ, als er es wagte, den Blick wieder auf den Admiral zu richten, waren seine Augen geschlossen, seine Hand wieder träg geworden, und es hatte sich ein schwarzer Blutstrom aus seinem Munde auf den weißen Bart ergossen, ein Strom, der unmittelbar auf die Worte gefolgt war, welche dieser Mund ausgesprochen hatte.
Der Herzog hob sein Schwert mit einer Geberde verzweifelter Entschlossenheit in die Höhe.
»Nun, Monseigneur,« sagte Besme zu ihm, »seid Ihr zufrieden?«
»Ja, mein Braver, ja,« versetzte Heinrich, »denn Du hast gerächt …«
»Den Herzog Franz, nicht wahr?«
»Die Religion,« versetzte Heinrich mit dumpfer Stimme. »Und nun,« fuhr er fort, sich gegen die Schweizer, die Soldaten und die Bürger, welche den Hof und die Straße füllten, umwendend, »zum Werke, meine Freunde, zum Werke!«
»Ei, guten Morgen, Herr von Besme,« sagte Coconnas, sich mit einer Art von Bewunderung dem Deutschen nähernd, der, immer noch auf dem Balcon, ruhig seinen Degen trocknete.
»Ihr habt ihn also abgefertigt!« rief La Hurière begeistert. »Wie habt Ihr das gemacht, mein würdiger Herr?«
»Oh, ganz einfach, ganz einfach! Er hörte Lärmen, öffnete seine Thüre und ich stieß ihm meinen Degen in den Leib. Aber das ist noch nicht Alles. Ich glaube, Téligny ist daran, ich höre schreien.«
Man vernahm wirklich in diesem Augenblick Angstgeschrei, welches von einer weiblichen Stimme ausgestoßen zu werden schien. Röthliche Reflexe beleuchteten einen von den zwei Flügeln. Man sah zwei Menschen, welche, verfolgt von einer