spielen müsse, wenn der Marquis von Escoman so chevalereske Gesinnungen zur Schau trug. Aber der Zorn des jungen Secretärs war so groß, daß er an eine andere Klippe stieß, während er die eine zu vermeiden suchte.
»Wenn ich nur, wüßte,« antwortete er, »wer die schändlichen Reden geführt hat, so würde ich beweisen, daß der von dem Blute der Feinde des Königs noch geröthete Degen meines Vaters auch von mir mit Ehren geführt wird.«
»Nehmen Sie sich in Acht,« sagte der Marquis mit höhnischem Tone. »Wenn es Ihre Vorgesetzten hörten, so würden Sie durch die Bezeichnung: Feinde des Königs, gewiß nicht sehr erbaut werden. Doch das kümmert mich nicht – Sie wünschen also die Personen zu kennen, die der Meinung sind, daß der Secretär des Herrn Unterpräfecten nicht in unsere Salons gehöre?«
»Nennen Sie sie,« erwiederte Fontanieu, der die kalte, gleichgültige Haltung des Marquis falsch deutete; »und Sie werden sich Ansprüche auf meinen Dank und meine Freundschaft erwerben.«
»Beide sind mir so schätzenswerth, daß ich nicht umhin kann Ihre Bitte zu gewähren.«
Fontanieu wartete in angstvoller Spannung.
»Ich habe es gesagt,« setzte der Marquis von Escoman hinzu und sah den Secretär mit einem festen, ja herausfordernden Blicke an.
Fontanieu gab sein Erstaunen in so naiver Weise zu erkennen, daß Guiscard und Montglas in ein lautes Gelächter ausbrachen.
Dieses einstimmige Zeugniß der Ungeschicktheit, mit der er sein Anliegen vorgebracht, führte ihn einigermaßen zur Besinnung
»Belieben Sie die Waffen zu wählen, Zeit und Ort zu bestimmen,« sagte er ernst zu dem Marquis von Escoman.
»Nur nicht so voreilig, mein Herr!« höhnte der Marquis, »man sieht, daß Sie in solchen Dingen nicht bewandert sind. Unsere Zeugen werden das Nöthige verabreden. Hier sind die meinigen,« setzte er hinzu, indem er einen Schritt zurücktrat und auf Guiscard und den Chevalier zeigte.
Guiscard verneigte sich, aber der Chevalier von Montglas trat vor und entgegnete:
»Entschuldigen Sie, lieber Marquis. Ich habe mit diesem Herrn eine Sache auszugleichen, für die ich die Priorität beanspruche.«
»Genug, Montglas,« unterbrach der Marquis; »ich habe mit Herrn von Fontanieu eine Ehrensache, und Ihre Späße sind jetzt nicht am rechten Orte. Begnügen Sie sich daher bis auf Weiteres, die Leute mit Worten zu bombardiren.«
Dieser neue Zweifel an der Wahrheit seiner Aussagen brachte den Chevalier vollends in Harnisch.
»Sacrebleu!« erwiederte er; »ich will Ihnen beweisen, Marquis, daß mein Degen nicht stumpf geworden ist, und behaupte mein Recht.«
»Ich meine,« sagte Guiscard zu dem Marquis, »Du solltest ihm vorschlagen, seine angebliche Priorität gegen fünfundzwanzig Louisd’or einzusetzen; seine Hartnäckigkeit wird dann wie Wachs schmelzen. Wir kennen den Chevalier.«
Die Mühe werde ich mir nicht nehmen; ich werde dem Chevalier nur zu bedenken geben, daß er mir schon sowohl an Darlehen, als an Spielschulden Geld genug schuldet, für welches er nur seine Person verpfändet hat; es wäre seht unzart von ihm, mein Pfand aufs Spiel zu setzen.«
Wie sehr sich die Beiden auch bestrebten, dem Gespräch seine scherzhafte Wendung zu geben, so war der Inhalt doch sehr beleidigend für den Chevalier von Montglas.
Louis von Fontanieu gewahrte mit Freude die schwache Seite, welche ihm seine Gegner darboten, und er fühlte mit Stolz, daß er unfähig war, einem Feinde zu sagen, was der Marquis und Guiscard einem Freunde gesagt hatten.
»Mein Herr,« sagte er, auf den Chevalier zutretend, »wenn das Anerbieten einer leider ziemlich schlaffen Börse Ihnen für einige Tage angenehm ist, so erlauben Sie mir die meinige zu Ihrer Verfügung zu stellen.
Der Chevalier nahm hastig die Brieftasche, die ihm der junge Mann reichte, dankte ihm mit einem flüchtigen Blick – der alte Roué fand die Sache ganz natürlich – und begann sogleich den Inhalt zu untersuchen.
Die Brieftasche enthielt eine Banknote zu tausend und eine zu fünfhundert Franken nebst einigen Goldstücken.
Er nahm eine Banknote und vier Louisd’or heraus, übergab sie Guiscard und steckte die Brieftasche ein.
»Wir Beide wollen zuerst mit einander abrechnen,« sagte er.
»Mit dem größten Vergnügen, Chevalier, und ich verhehle Ihnen nicht, daß Sie nur gewinnen, wenn Sie in Zukunft so glücklich sind wie heute.«
»Ich war Ihnen eintausendundachtzig Francs schuldig, Sie haben diese Summe erhalten, nicht wahr?«
»Allerdings,« antwortete Guiscard.
»Ich schulde Ihnen also nur noch einen Degenstoß, und den sollen Sie morgen haben.«
»Glauben Sie?«
»Sie können sich darauf verlassen; ich werde mich künftig durch meine kaufmännische Pünktlichkeit auszeichnen.«
»Ich nehme die tausendundachtzig Franken an, Chevalier; aber den Degenstoß werde ich Ihnen hoffentlich geben.«
Der Marquis von Escoman und Guiscard entfernten sich.
Der Chevalier von Montglas trat nun auf Fontanieu zu und reichte ihm die Hand.
»Wir sind jetzt allein,« sagte er; »bitten Sie um Verzeihung.«
»Um Verzeihung!« erwiederte der junge Mann entrüstet; »ich soll Sie um Verzeihung bitten? Nein, nein!«
»Armer Teufel!« sagte der Chevalier von Montglas, den Kopf schüttelnd; »es gibt wirklich keinen rechten Mann mehr. Sie haben sich als echter französischer Cavalier benommen, Sie haben sich zu der Ritterlichkeit Ihrer Ahnen erhoben, und nun verhunzen Sie Ihre schöne That dadurch, daß Sie einen armen Teufel, der Ihr Geld angenommen hat und den Degen nicht gegen Sie ziehen kann, zwingen wollen, sich zu entschuldigen und Ihnen Worte zu sagen, die in Ihrem Munde sehr passend, in dem meinigen aber lächerlich sein würden. Pfui! die Revolution hat auch ihn verdorben!«
»Sie haben mich nicht verstanden, Herr Chevalier,« sagte Fontanieu; »ich bin Ihr Gläubiger geworden, aber es war keineswegs meine Absicht, die erbärmliche Summe Geldes als ein Hindernis zum Ausfechten unserer Ehrensache zu betrachten.«
»Ich habe das Geld angenommen,« entgegnete der Chevalier, »weil ich Sie nicht mehr als Gegner betrachten wollte. Vormals hätten wir, ungeachtet dieses mir erwiesenen Dienstes, unsere gegenseitige Stellung bewahren können, aber die Zeiten haben sich geändert; jetzt würde man sagen, ich hätte Ihnen nach dem Leben getrachtet, um unsere Rechnung auszugleichen. Fallen Sie daher nicht aus Ihrer Rolle, junger Mann. Es ist ja keine Schande, sich vor einem grauen Haupte zu beugen. Und ich habe graue Haare, ich muß es mir zuweilen selbst gestehen.«
Bis dahin war Louis von Fontanieu unschlüssig geblieben, da er nicht wußte, was er von dem Chevalier denken sollte. In der eleganten Welt erfährt man die Lächerlichkeiten und schwachen Seiten derer, die ihr angehören, zugleich mit ihren Namen. Der Chevalier von Montglas war bisher für den Neuangekommenen nur ein alter Wüstling gewesen, der wegen seiner Prahlereien verhöhnt, wegen seiner Laster fast verachtet wurde. Fontanieu hatte Mitleid mit der traurigen Lage des armen Teufels und zürnte denen, die über seine Noth und seine Leidenschaften spotteten. Seine offene, entschlossene Sprache, sein ehrliches Gesicht verwandelte dieses Mitleid in Theilnahme. Fontanieu ergriff die Hand, die ihm der Chevalier darbot, und drückte ihm sein Bedauern aus, daß er nicht so achtungsvoll gesprochen, wie es das Alter des Mannes erforderte.
»Gut, gut,« erwiederte der Chevalier; »ich habe nicht das Recht, es allzu genau zu nehmen. Morgen wird‘s besser sein, und in einigen Tagen sind wir vielleicht Freunde. Inzwischen verfügen Sie über mich, junger Mann; reden Sie, wenn ich Ihnen in etwas dienen kann. Ich kann nicht vergessen, daß ich zu unserm Wortwechsel Anlaß gab, ich möchte daher gern mein Unrecht wieder gut machen.«
»Ich danke Ihnen tausendmal, Herr Chevalier, und um Ihnen zu beweisen, wie hoch ich Ihr Wohlwollen schätze, ersuche ich Sie mir zu erklären, warum der Marquis von Escoman so erbittert gegen mich ist. Diese Feindseligkeit scheint mir durch politische Gründe