schreiben.
In diesem Briefe, der nur im Falle eines Unglücks abgeschickt werden sollte, schüttete er sein ganzes Herz aus und gab allen seinen zärtlichen Gefühlen einen Ausdruck. Bei den letzten Zeilen flossen seine Thränen.
Es war weder Furcht noch Schwäche, sondern eine ungemein starke Aufregung.
Er siegelte den Brief, aber nun schien es ihm, als ob er seiner Mutter noch viel zu sagen hätte.
Er erbrach das Siegel und schrieb noch vier Seiten voll.
Dann ging er zu Bett und dachte an Margarethe Gelis.
Sein Schlaf war ziemlich ruhig.
Er träumte, sein Schlummer werde von den beiden Frauen bewacht. Sie standen auf beiden Seiten seines Bettes, und allmälig bekamen sie Flügel, so daß zwei Engel daraus wurden.
Gegen fünf Uhr erwachte er. Der Tag brach an. Louis hatte noch eine halbe Stunde Zeit, an die beiden Gestalten zu denken, welche die ganze Nacht an seinem Lager gewacht hatten.
Um sechs Uhr kamen Mauroy und Apremont. Sie fanden ihn völlig angekleidet und bereit ihnen zu folgen.
Sie brachten Degen mit, welche sowohl dem Marquis von Escoman als dessen Gegner unbekannt waren.
Die Freunde sprachen noch eine Viertelstunde von gleichgültigen Dingen und brachen dann auf.
« Der Wagen Mauroys hielt vor der Thür.
Ein junger Arzt war zum Stelldichein beschieden. Fünf Minuten nachher war Louis von Fontanieu auf dem Kampfplatz.
Einige Minuten nachher kam auch der Marquis von Escoman in Begleitung Guiscard’s und des Chevalier von Montglas.
Die Gegner begrüßten sich mit einer leichten, aber höflichen Verbeugung; die vier Sekundanten traten zusammen, der Arzt blieb in einiger Entfernung.
Die Unterredung der Sekundanten war kurz, die Bedingungen waren ja bereits festgestellt worden. Es blieben nur die Degen zu wählen.
Man warf ein Goldstück in die Höhe; der Marquis hatte die Wahl. Er wählte die Degen seines Gegners, ohne dieselben in Augenschein zu nehmen.
Die Degen wurden den Gegnern von den Secundanten überreicht, und jeder von ihnen zog seinen Rock aus.
Der Chevalier von Montglas und der Vicomte von Mauroy stellten sich, mit dem Stock in der Hand, neben die Kämpfenden und gaben das Zeichen.
Die Klingen kreuzten sich. Der Marquis von Escoman schien vollkommen ruhig und gefaßt; ein spöttisches Lächeln spielte um seine Lippen, und hätte sich seine Stirn nicht in leichte Falten gezogen, so hätte man glauben können, es sei eine gewöhnliche Fechtübung gewesen.
Louis von Fontanieu war mehr fest und entschlossen als ruhige seine Füße schienen am Boden festgeniete;z man sah es ihm an, daß er den festen Vorsatz hatte, keinen Schritt zurückzuweichen; seine etwas emporgezogene Oberlippe zeigte unter dem kleinen Schnurrbart die fest aufeinandergedrückten weißen Zähne; sein Auge funkelte von Muth und zugleich von Lebenslust; man sah es ihm an, daß er nicht sterben wollte und mit seiner ganzen Willenskraft am Leben festhielt.
Der Marquis von Escoman hatte anfangs geglaubt, mit seinem Gegner leicht fertig zu werden, aber schon im ersten Gange erkannte er an der Kraft und Gewandtheit Fontanieu‘s den Meister in der Fechtkunst. Er war daher vorsichtig, um das Spiel seines Gegners zu beobachten; dann aber fiel er plötzlich mit aller Gewalt aus, und er würde seinen Gegner durch und durch gestoßen haben, wenn seine Degenspitze nicht auf einem harten Gegenstande abgeglitten wäre; sie streifte nur die Rippen Fontanieu‘s
Dieser parirte instinctmäßig die Klinge, die er in seiner Seite fühlte, und zwar mit solcher Heftigkeit, daß dem Marquis der Degen aus der Hand fiel.
Fontanieu’s Hemd färbte sich mit Blut.
Ehe sich der Marquis bückte, um seinen Degen wieder aufzunehmen, stellte Louis behende den Fuß auf die Klinge.
Wie muthig und sorglos auch der Marquis war, so fühlte er doch in den wenigen Secunden, welche dieser Zwischenfall dauerte, einen Todesschauer durch seine Adern laufen. Er mußte denken, sein Gegner, durch die Wunde gereizt, werde den Stoß erwiedern. Aber statt nachzustoßen, hob Fontanieu den Degen des Marquis auf und überreichte ihm denselben.
Der Marquis legte sich wieder aus und Fontanieu kreuzte mit gleicher Schnelligkeit die Klinge.
Aber als der Kampf wieder anfangen sollte, trat der Chevalier von Montglas vor und trennte die Klingen durch einen tüchtigen Stockschlag.
»Es ist genug, meine Herren!« sagte er; »der Ehre ist Genüge geleistet. Marquis, vergessen Sie, daß Herr von Fontanieu in Ermanglung eines hinlänglichen Vermögens eine Stellung gesucht, ohne auf die Cocarde Rücksicht zu nehmen, und drücken Sie als Freund die Hand, in welcher einen Augenblick Ihr Leben war.«
Die andern Zeugen stimmten dem Chevalier bei und erklärten, daß sie eine Fortsetzung des Kampfes nicht dulden würden.
Der Marquis von Escoman fügte sich willig ihren dringenden Bitten.
»Von Herzen gern, Montglas; ich habe Herrn von Fontanieu Unrecht gethan, und er hat sich so ehrenvoll gerächt, daß mir nichts übrig bleibt, als um die Ehre seiner Freundschaft zu bitten.«
Fontanieu nahm die Hand, die ihm der Marquis reichte.
»In der That,« sagte Escoman, »es freut mich, daß meine tiefe Quart keinen bessern Erfolg gehabt hat. Es ist ein Opfer, das meine Eigenliebe dem Gewissen bringt, denn ich hatte die Ueberzeugung, diesen von einem Fechtmeister meines Regiments erlernten Stoß meisterhaft zu führen. Ich glaube übrigens, daß das wunderbare Gelingen Ihrer Parade weniger eine Folge des von Ihrem Degen beschriebenen Halbkreises als eines Hindernisses war, das meine Klinge unter Ihren Kleidern traf.«
Fontanieu, der noch sehr aufgeregt war, sah in den Worten des Marquis mehr als eine einfache und gleichgültige Frage, er glaubte, sein Gegner setze Zweifel in seine Ehrlichkeit und riß schnell sein Hemd auf, um seine entblößte Brust zu zeigen.
Man sah die von dem Degen des Marquis gezogene blutige Furche.
Der Marquis errieth die Gedanken seines Gegners.
»Glauben Sie denn,« setzte er hinzu, »daß ich nach der ritterlichen Großmuth, welche Sie gegen mich bewiesen, einem bösen Gedanken Raum geben könne? Nein, ich vermuthe blos, daß meine Degenspitze Ihre Uhr und eine jener Kleinigkeiten welche die jungen Leute als Talisman oder Amulette bei sich zu tragen pflegen, getroffen hat. Ich selbst bin nicht mehr jung und trage doch noch solche Siebensachen.«
»Escoman hat Recht,« sagte der Chevalier von Montglas, »und es ist erlaubt, eine sonderbare Thatsache aufzuklären. Ich habe im Jahre 1814 erlebt, daß ein Dragoneroffizier des Usurpators, mit dem ich mich schlug, seinen Degen an meinen Berlocken zerbrach; er hätte mir sonst die Klinge durch den Leib gestoßen. Ich stieß nach —«
Der Chevalier hielt erröthend inne. Er erinnerte sich, daß er ebenfalls eine Ehrensache hatte, und daß die Erzählung seiner Heldenthaten nicht am rechten Orte war.
»Ich glaube, daß Sie Recht haben, Herr Marquis,« sagte Louis von Fontanieu, der inzwischen in seine Westentasche gegriffen hatte. »Belieben Sie sich selbst zu überzeugen.«
Er zog die ganz vergessene kleine Börse heraus, welche seinen blutigen Fingern entglitt und auf den Rasen fiel.
Montglas nahm die Börse auf, zog das Goldstück heraus und betrachtete es aufmerksam.
»Ein Seitenstück zu dem Degenstoß auf meine Berlocken,« sagte er frohlockend. »Sehen Sie, Herr Marquis, das Gold hat trotz seiner Härte eine Schramme. Dieses Geld war gut angelegt, wie einst ein geistreicher Mann sagte.«
Der Chevalier reichte dein Marquis die Börse und das Goldstück.
Fontanieu erblaßte; er fürchtete, der Marquis werde einen Gegenstand erkennen, welcher, wie Louis glaubte, seiner Geliebten gehörte.«
Er suchte daher der Gefahr zu begegnen.
»Der Zufall ist um so sonderbarer,« sagte er, »da die Börse nicht mir gehört.«
»Wirklich?«
»Nun,