bin ich es nicht mehr. Man sagt ja, daß die Wahnsinnigen nicht weinen, und ich fühle Thränen in meinen Augen. – O, wenn meine gute Mutter bei mir wäre! sie ist jetzt vielleicht recht heiter und sorglos, ohne zu ahnen, daß sie ihren Sohn vielleicht nie wieder sehen wird!«
Fontanieu sprach mit so tiefem, wahrem Gefühl, daß die junge Dame gerührt wurde.
»Armer junger Mann!« sagte sie, »Gott wird Ihrer Mutter den letzten Trost nicht rauben; suchen Sie daher bei Gott den Trost, dessen Sie bedürfen.«
»Sie sehen, daß ich nicht so schuldig war, wie ich schien,« sagte Fontanieu, indem er ein Knie vor der jungen Dame beugte. »Gewähren Sie mir also die Verzeihung, um die ich Sie bitte, und nehmen Sie mit diesem Goldstück Ihre Börse zurück. Ach! ich hätte gern einen Talisman daraus gemacht, der die Stelle Ihres holden Bildes in meinem Herzen vertreten haben würde.«
Die Marquise von Escoman nahm ihre Geldbörse und rollte sie, wie in Gedanken vertieft, zwischen den Fingern zusammen.
In diesem Augenblicke hörte man auf dem Fahrwege das Rollen eines Wagens. Dieses Geräusch erinnerte die Marquise an die Nothwendigkeit, dieser Scene ein Ende zu machen. Sie ging an Louis von Fontanieu vorüber und sagte mit einem beinahe freundlichen Wink:
»Fassen Sie Muth. Ich kann Ihnen zwar nicht bieten, was Sie suchen; aber wenn Sie glauben, daß das Gebet einer fremden Person nicht schaden könne, so werde ich Sie in mein Gebet mit einschließen.«
Sie entfernte sich schnell und mit vornehmer Haltung . Fontanieu machte keine Bewegung, sie zurückzuhalten.
Er schaute den beiden Frauen nach, bis sie in der Dunkelheit verschwunden waren. Dann stand er auf, und als er sich mit der Hand auf die Erde stützte, faßte er die Geldbörse, welche die Marquise in der Eile hatte fallen lassen.
Er drückte die Börse an seine Lippen und eilte fort um sie der Eigenthümerin zurückzugeben; aber er besann sich und stand wieder still. Warum sollte er sich von einem Gegenstande trennen, der ihn an dieses schöne wunderholde Weib erinnerte – an ein Wesen, das ihn entzückte, dem er sein ganzes Leben zu widmen beschloß!
Nicht ohne einiges Zögern gab er der Versuchung nach. Der Louisd’or steckte wieder in der Börse, und um so mehr war er verpflichtet, sie der Eigenthümerin zurückzugeben.
Während er noch mit seinem Gewissen zu Rathe ging, fühlte er einen leisen Schlag ans seiner Schulter.
Er sah sich um und erkannte die alte Dame, die wieder umgekehrt war.
»Mein Herr«s sagte Susanne fast athemlos und daher nicht in so feierlichem Tone, wie sie wohl beabsichtigt hatte, »ich habe wohl gewußt, daß Sie morgen ein Duell haben, ich weiß auch mit wem. Schonen Sie Ihren Gegner nicht, und wenn Gott Sie zum Werkzeuge seiner Rache, oder vielmehr seiner Gerechtigkeit macht, so hoffen Sie. Denn ich werde dann die beste Freundin des Mannes sein, der meinem armen Kinde Freiheit und Glück wiedergibt.«
Und ohne Fontanieu‘s Antwort abzuwarten, verschwand Susanne Mottet wieder in der Dunkelheit.
Wie räthselhaft unserm Helden auch die Worte der alten Dame schienen, so machten sie doch seiner Unschlüssigkeit ein Ende. Er dachte, der Verlust der Geldbörse sei wohl nicht ganz unfreiwillig, und nahm sich fest vor, über das ihm so seltsam scheinende Verhältniß des Marquis von Escoman zu Margarethe Gelis genaue Erkundigung einzuziehen.
Er steckte die Börse mit dem darin befindlichen Goldstück in die Westentasche und flüsterte den Namen Margarethe mit schwärmerischer Zärtlichkeit.
Viertes Capitel.
Das Duell
Louis von Fontanieu kam in einer kaum zu beschreiben den Aufregung nach Hause. Er fand nun Alles erklärlich, was ihm der Chevalier von Montglas über die leidenschaftliche Liebe des Marquis von Escoman für Margarethe Gelis gesagt hatte; ein so reizendes Geschöpf zu lieben, war gewiß verzeihlich.
Nach und nach aber erblickte er die Wirklichkeit durch die in seinem Geiste zurückgebliebene glänzende Luftspiegelung. Morgen sollte er dem Marquis von Escoman, der schon manche Ehrensache muthig ausgefochten, im Zweikampf gegenüberstehen. Er hingegen hatte noch nie ein Duell gehabt.
Man wird es vielleicht befremdend finden, wenn ich behaupte, daß der Muth mindestens eben so sehr eine Sache der Gewohnheit wie des Temperamentes sei. Man gewöhnt sich an die Gefahr wie an Alles; wenn man einigemale eine, und dieselbe Gefahr glücklich überstanden hat, so scheint dieselbe geringer als im Anfange, und zum fünften oder sechsten Male geht man ihr mit weit ruhigerem Herzen entgegen, als das erste Mal.
Es war daher natürlich, daß Louis von Fontanieu von Zeit zu Zeit von einem bangen Gefühl ergriffen wurde, und obgleich er seine Gedanken mit andern Dingen zu beschäftigen suchte, so gedachte er doch nicht ohne tiefe Worte des Evangeliums: Mensch, Du bist Staub, und wirst wieder zu Staub werden!
Gegen zehn Uhr Abends wurde die Glocke an seiner Thür gezogen und sein Diener meldete die Herren von Mauroy und von Apremont.
Mauroy, der Vetter Fontanieu‘s, hatte ihn, wie wir wissen, in die vornehme Gesellschaft von Châteaudun eingeführt,und kam nun, um über seine Unterredung mit den Sekundanten des Marquis von Escoman Rechenschaft zu geben. Herr von Apremont war der Freund, der ihn begleitet hatte.
Die Sache war schnell abgethan worden. Als Waffe hatten beide Parteien den Degen gewählt, und das Duell sollte am andern Morgen um sieben Uhr in einem nahen Wäldchen stattfinden.
Herr von Mauroy sah seinen Vetter scharf an, während er ihm Bericht abstattete; er suchte zu errathen, ob im entscheidenden Augenblicke auf die Stärke seiner Nerven zu zählen sei.
Louis von Fontanieu hörte ganz ruhig zu.
»Sie sind also mit dem Degen vollkommen vertraut?« fragte Mauroy.
»Vertraut ist viel gesagt,« erwiederte Louis; »ich führe morgen den Degen zum ersten Male in einer ernsten Sache; ich bin aber auf dem Fechtboden eben nicht ungeschickt gewesen.«
»In der That,« sagte Apremont, »ich sehe dort an der Wand Rapiere und Masken.«
»Würde es Ihnen unangenehm sein, lieber Vetter,« fragte Herr von Mauroy, »mir eine Probe Ihrer Fechtkunst zu geben?«
»Durchaus nicht,« sagte Louis von Fontanieu; »ich will noch einige Kerzen anzünden, es ist nicht hell genug.«
Fontanieu zündete alle Kerzen und Lampen an, die er in seiner Wohnung hatte, und das Zimmer, in welchem sich die drei Herren befanden, wurde taghell erleuchtet.
Mauroy und er nahmen die Mensur, nahmen die Rapiere und fingen ihre Fechtübung an.
Louis von Fontanieu war, wie schon erwähnt, ein Zögling der Militärschule von St. Cyr, und hatte natürlich auch Fechtunterricht erhalten. Seine große, kräftige, geschmeidige Gestalt war ihm dabei sehr zu Statten gekommen, und er war aus dem Fechtboden einer der Besten geworden.
Er traf seinen Vetter dreimal, während dieser ihn nur einmal mit der Spitze seines Rapiers berührte.
»Ich bin sehr mit Ihnen zufrieden, lieber Vetter,« sagte Mauroy; ich habe mich mit dem Marquis von Escoman nie gemessen und kann Ihnen daher über seine Fechtart nichts Näheres sagen. Aber ich glaube, daß Herr von Apremont dem Marquis etwa gleichkommt. Wollen Sie mir erlauben, ihm das Rapir zu übergeben?«
»Herr von Apremont wird mir viel Ehre erweisen,« antwortete Fontanieu mit jener natürlichen Höflichkeit, dir aus einem Fechtboden fast zur Etikette wird.
Apremont nahm das Rapir und legte sich aus.
Dieses Mal waren sich die beiden Gegner ziemlich gleich. Apremont stand in dem Rufe eines guten Fechters und Pistolenschützen. Nach einer Viertelstunde war er viermal, Louis dreimal getroffen worden.
»Sie können’s mit dem Marquis sehr wohl aufnehmen,« sagte Apremont.
Fontanieu dankte seinen beiden »Gevattern«, die sich mit dem Versprechen entfernten, ihn in der Frühe um halb sieben Uhr abzuholen.
Louis blieb allein, die beiden Rapiere und die Maske in der Hand haltend; die zweite Maske war noch aus seinem Gesicht.
Er