gestrickt worden, es ist ein platonisches Andenken.«
»Sie irren sich,« erwiederte aber Fontanieu; »es ist nicht einmal ein Andenken, ich habe diese Börse gestern auf der Landstraße gefunden.«
»Wenn das ist,« sagte der Chevalier, »so müssen Sie die Eigenthümerin aufsuchen und kniefällig bitten, Ihnen diesen Talisman zu lassen, den Sie künftig wie ein Agnus Dei am Halse tragen werden.«
»Sie haben Recht, Montglas,« sagte der Marquis, der die Börse aufmerksam betrachtete; »ich werde ihn zu der Eigenthümerin führen, und wenn’s nöthig ist, meine Bitten mit den seinigen vereinigen.«
»Sie, Marquis?«
»Ja, ich – Herr von Fontanieu, haben Sie dieses Kleinod nicht am Ufer des Loir gefunden?«
»Ich glaube – ja,« stammelte Louis.
»Sie werden sehen,« sagte der boshafte Chevalier, »daß die schöne Margarethe auf einem sentimentalen Spaziergange diese Börse verloren hat. Nehmen Sie sich in Acht, Marquis, Sie haben heute kein Glück, und Sie vergessen etwas unbesonnen die Warnung der Schrift: wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.«
»Herr Chevalier,« antwortete der Marquis lächelnd, »ich kenne wirklich die Eigenthümerin dieser Börse; aber wenn ich Jemanden die Ehre erwiesen habe, ihm die Hand zu bieten und meinen Freund zu nennen, so stelle ich ihm, trotz Ihrer Warnung, Alles was ich besitze, zu seiner Verfügung.«
»O! diese Opferwilligkeit geht nur bis an die Schwelle einer mir wohlbekannten Thür,« erwiederte der Chevalier.
»Sie irren sich,« sagte der Marquis, der sich in die Enge getrieben sah; »und um es Ihnen zu beweisen, lade ich Sie und Herrn von Fontanieu aus diesen Abend zum Souper bei Margarethe ein.«
Das Gespräch hatte eine so beunruhigende Wendung genommen, daß Fontanieu, um seine Verlegenheit zu verbergen, zu dem von seinen Zeugen mitgebrachten jungen Arzt ging und ihm seine Wunde zeigte.
Der Schüler des Aeskulap erklärte, es sei nur eine unbedeutende Schramme und legte einen leichten Verband an.
Für den Fall, daß einer der beiden Gegner fiele oder schwer verwundet würde, hatten Guiscard und Montglas, die ihren Strauß noch auszufechten hatten, zwei Freunde in das Wäldchen bestellt. Letztere erschienen nun wirklich.
Der Marquis von Escoman bot alle Beredtsamkeit auf, um den Chevalier mit Guiscard zu versöhnen. Der Letztere sah wohl ein, daß ein solcher Zweikampf für ihn nur lächerliche Folgen haben könne und zeigte sich zu einer Aussöhnung bereit; aber alle Bemühungen des Marquis scheiterten an der Hartnäckigkeit des Chevaliers, und der Marquis fuhr mit Louis von Fontanieu, den er zur Annahme eines Platzes in seinem Wagen zwang, in die Stadt zurück.
Als der Wagen am den ersten Vorstadthäusern vorbeifuhr, bemerkte Fontanieu hinter einer halb verfallenen Gartenmauer eine Frau, deren Gesicht und Gestalt ihm auffiel. Er steckte schnell den Kopf zum Schlage hinaus und erkannte die alte Dame, die ihm Abends zuvor empfohlen hatte, den Marquis nicht zu schonen.
Sie schien die Rückkehr des Wagens zu erwarten. Als sie ihn kommen sah, lehnte sie sich über die Mauer, um das Innere der Kutsche zu beobachten, und als sie Louis von Fontanieu neben dem Marquis sitzen sah, machte sie ein zorniges Gesicht, bückte sich und verschwand hinter der Gartenmauer.
Der Marquis von Escoman hatte Susanne Mottet nicht bemerkt, und Fontanieu hielt es nicht für gerathen, sein Erstaunen über die seltsame Erscheinung merken zu lassen.
Louis glaubte, der Marquis werde ihn nach Hause begleiten; er war daher etwas verwundert, als der Wagen vor einem der ältesten und stattlichsten Häuser der Stadt hielt und ein schweres Hausthor sich knarrend aufthat.
»Wohin führen Sie mich denn, Herr Marquis?« fragte er.
»An den Ort, wo ich mein Versprechen halten muß.«
»Was für ein Versprechen meinen Sie?«
»Undankbarer, haben Sie denn die kleine Geldbörse schon vergessen?«
»O nein.«
»Ich habe Sie ja der Eigenthümerin vorzustellen.«
»Wie!« erwiederte Louis erstaunt, »wohnt denn Margarethe Gelis in diesem Hause?«
»Ei! wer spricht denn von Margarethe Gelis? Sind Sie etwa mit dem Chevalier einverstanden? Steigen Sie aus und folgen Sie mir.«
Der Marquis sprang aus dem Wagen; Fontanieu folgte ihm.
Wir haben noch zu sagen, was unterdessen zwischen dem Chevalier von Montglas und Georg von Guiscard vorging.
Auf die Weigerung des Ersterem eine Entschuldigung anzunehmen, hatte sich Guiscard bereit erklärt, Satisfacntion zu geben.
Die beiden Gegner ergriffen daher die Degen, welche, der Marquis von Escoman und Louis von Fontanieu zurückgelassen hatten. Bei dem dritten Gange stieß Montglas seinem Gegner den Degen zwischen die Rippen.
Der junge Arzt erklärte, daß die Wunde zwar nicht tödtlich sei, aber doch große Schonung und sorgfältige Pflege erheische.
Der Zweikampf hatte somit ein Ende und die beiden Gegner entfernten sich.
Der Chevalier von Montglas begab sich zu Fuß in die Stadt zurück, Guiscard wurde in den Wagen gesetzt und langsam zu seiner Wohnung gefahren.
Fünftes Capitel.
Gute Absichten und Nebenabsichten
Wir haben Louis von Fontanieu an der Thür des Hotel Escoman gelassen.
Er machte gar keine Gegenvorstellungen, erlaubte sich keine Frage, obgleich er über die Folgen dieser Unterredung nicht ohne Besorgniß war.
Er befand sich mit dem Marquis vor einem jener alten düsteren Häuser aus dem sechzehnten Jahrhundert, deren Quadersteine und Ziegel die gleiche röthlichbraune Farbe angenommen haben. Beide blieben vor einer halbrunden Außentreppe stehen.
»Ist die Frau Marquise zu Hauses?« fragte Escoman den Diener, der an den Wagen kam.
Diese Worte überzeugten Louis von Fontanieu, daß er Abends vorher einen großen Irrthum begangen; er sann nur auf ein Mittel, sich einer Unterredung zu entziehen, in welcher er jedenfalls eine sehr lächerliche Rolle spielen müßte.
»Um des Himmels willen, Herr Marquis,« sagte er, »lassen Sie mich nach Hause!«
»Nach Hause? Warum denn?«
»Weil ich mich in diesem Anzug, mit meinen blutigen Kleidern und schmutzigen Stiefeln nicht vor einer Dame zeigen kann. Und diese Dame —?«
Fontanieu stockte.
»Nun ja, die Dame, deren Börse Sie aufgenommen haben, ist die Marquise von Escoman. Finden Sie das so außerordentlich? Warum machen Sie so große Augen?«
»Weil ich – ich gestehe, daß ich —«
»Wußten Sie nicht, daß ich verheiratet bin?«
»Nein.«
»Das wundert mich nicht: Sie sind noch nicht lange hier, und ich führe im Grunde ein Junggesellenleben, das ich Ihnen ebenfalls empfehle, falls Sie einmal in die Verlegenheit kommen eine Frau nehmen zu müssen.«
Und ohne seinem Begleiter Zeit zu weiterem Nachdenken zu lassen, schob ihn der Marquis in die Vorhalle und sagte zu dem Diener: »Frage die Frau Susanne, ob die Marquise uns empfangen kann.«
»Frau Susanne ist in der Frühe ausgegangen,« antwortete der Diener.
In diesem Augenblicke that sich eine Seitenthür auf und die Marquise erschien. Ihre Augen waren verweint und sie war so zerstreut, daß sie die Anwesenheit Fontanieu‘s reicht bemerkte.
Als sie ihren Mann so heiter und vergnügt sah, hob sie die Hände empor, und fühlte sich so tief ergriffen, daß. sie sich an der Thürbekleidung halten mußte, um nicht zu fallen.
»Er lebt!« mehr vermochte sie nicht zu sagen.
Der Marquis trat rasch auf sie zu, um sie zu halten.
»Ich bitte Dich,« sagte er leise und