Александр Дюма

Liebesdramen


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wollte, denn ich dachte, es würde Dir nichts angenehmer sein als der Anblick des Mannes, der Dich noch nicht zum Witwenschleier verurtheilen wollte. Der schwarze Schleier würde deinem blonden Haar indessen sehr hübsch stehen; Susanne würde mir gewiß beistimmen, wenn sie da wäre.«

      »Wie können Sie in einem solchen Moment scherzen, Marquis!« erwiederte Emma, welche die tiefe Verbeugung Fontanieu’s nur mit leichtem Kopfnicken beantwortete.

      »Parbleu!« sagte der Marquis, »warum soll man sich nicht freuen? Aber wenn Sie durchaus ernsthaft sein wollen, so hören Sie Herrn von Fontanieu an, der ein wichtiges Anliegen an Sie hat.«

      »An mich?« sagte die Marquise erstaunt.

      »Ja wohl, an Sie.«

      »Ich höre,« sagte die Marquise.

      »Es handelt sich um eine Börse, welche Sie in einem sehr günstigen Augenblicke verloren haben, denn sie hat uns Beiden einen großen Dienst geleistet. Herr von Fontanieu wird Ihnen die ganze Geschichte erzählen. Ich verlasse Sie, denn die Anwesenheit eines Ehernannes würde der gegenseitigen Mittheilung nur hinderlich sein. – Bieten Sie der Marquise Ihren Arm, mein junger Freund.«

      Der Marquis ging trällernd die zu seiner Wohnung führende Treppe hinauf, er war froh, nicht mehr Zeuge der Freude zu sein, welche die Marquise über seine Rückkehr zu erkennen gab.

      Fontanieu wartete, daß ihm die Marquise einen Wink gebe ihr zu folgen. Er trat tief bewegt in den Salon.

      Die Marquise setzte sich und bot ihm einen Stuhl.

      »Mein Herr,« sagte sie, ohne ihn zu Worte kommen zu lassen, »ich will die Vortheile, die Sie mir eingeräumt, nicht mißbrauchen: ich bin Ihnen zu dankbar für Ihr Benehmen gegen den Marquis. Ich verspreche Ihnen, daß ich mich in Zukunft nie des Unrechts erinnern werde, dessen Sie sich gegen mich schuldig gemacht haben; ich will es Ihrer Jugend und Ihrem Leichtsinn zuschreiben. Aber Sie müssen mir versprechen, jenes unangenehmen Auftrittes, den Sie gewiß bedauern werden, nie wieder zu erwähnen.«

      Diese mit Sanftmuth gesprochenen Worte verfehlten aber ihre Wirkung. Einer vornehmen Dame zu begegnen, wo er nur Margarethe Gelis zu finden geglaubt, war in den Augen des jungen Mannes ein unverhofftes Glück. Seine gestrigen Träumereien nahmen nun eine bestimmte Gestalt an. Seine Phantasie schuf, wie Pygmalion, ein Weib. Sein launenhafter Uebermuth wurde zur Liebe. Einige der alten Dienerin entschlüpften Worte, die ihm bis dahin unverständlich gewesen waren, bekamen nun einen Sinn für ihn, und der kalte Hohn des Marquis erfüllte ihn mit ehrgeizigen Hoffnungen. Weit entfernt daher, eine Entschuldigung zu stammeln, sann er auf ein Mittel, das Spiel des Zufalls auf Rechnung eines überlegten Planes zu schreiben.

      »Ach! Frau Marquise,« erwiederte er, »das Schicksal hat Alles so gefügt, daß ich Ihnen nicht gehorchen kann.«

      »Das Schicksal!« erwiederte die Marquise erstaunt. »Was hat denn das Schicksal damit zu thun?«

      »Hat Ihnen der Herr Marquis nicht gesagt, daß ich Sie um eine Gunst zu bitten habe?«

      »Ja wohl, aber ich gestehe, daß ich nicht begreife, was für eine Gunst Sie von mir erwarten können.«

      »Die Erlaubniß, diese kleine Börse behalten zu dürfen, Madame. Der Zufall setzte mich in den Besitz derselben, und auf meiner Brust wehrte sie einen Degenstich ab, der sonst tödtlich gewesen sein würde. Urtheilen Sie selbst, Madame, ob ich unser gestriges Zusammentreffen vergessen kann – selbst wenn mir alle Stimmen in meinem Innern nicht zuriefen, daß ich erst seit jener Stunde angefangen habe zu leben.«

      Aber die Marquise unterbrach ihn.

      »Verzeihen Sie,« sagte sie, »daß ich Ihnen ins Wort falle. Sie werden aber gestehen, daß es keineswegs schmeichelhaft für mich ist, in Ihrem Roman eine Rolle zu spielen, die mir gar nicht zugedacht war – mit einem Worte nur ein Lückenbüßer in Ihrem kleinen Intriguenstücke zu sein.«

      »Madame —«

      »Sie werden doch nicht behaupten,« fuhr die Marquise fort, »daß ich die erste Inspiration der Gefühle, welche Sie mit so viel Wärme ausdrücken, für mich in Anspruch nehmen könne? Ich habe gestern sehr wohl gemerkt, daß Sie keineswegs mit der Marquise von Escoman zu sprechen glaubten: Sie erlauben mir daher, dem Kaiser zu lassen, was des Kaisers ist.«

      Die Stimme der Marquise war bewegt, als sie diese Anspielung auf Margarethe Gelis machte. Fontanieu bemerkte, daß die Augen der jungen Frau feucht wurden, und daß zwei Thränen an ihren langen Wimpern zitterten.

      Die Marquise errieth an den Blicken des jungen Mannes, daß ihre Thränen nicht unbemerkt bleiben würden.

      »Entschuldigen Sie,« setzte sie hinzu, »verzeihen Sie, daß ich mich nicht zu beherrschen vermag; aber das Unglück kennt ja kein Ansehen, der Person, und Niemand hat mir bis jetzt noch das Recht der Thränen streitig gemacht.«

      Diese Worte, welche die Marquise mit erzwungenem Lächeln sprach, machten einen tiefen Eindruck auf Fontanieu. Er blieb einige Augenblicke stumm. Er verglich in Gedanken seine gemeinen niedrigen Gefühle mit der wahrhaft großen Ergebung dieser Frau, und er schämte sich. Sein Uebermuth schwand allmälig vor dem ehrerbietigen Mitleid, das sich in ihm regte. Je ernster aber die Liebe wurde, desto inniger, edler wurde sie.

      Diese Umwandlung seiner Gefühle war auf seinem Gesicht bemerkbar. Er erröthete und erblaßte abwechselnd; endlich füllten sich auch seine Augen mit Thränen. Er sprang auf und fiel der Marquise zu Füßen.

      »Verzeihen Sie mir,« sagte er mit dem Ausdruck der innigsten, aufrichtigsten Reue.

      »Sie sind gut,« erwiederte Emma und drückte ihm die Hand; »ich hoffe, daß wir Freunde sein können, wenn Sie sich nemlich entschließen können, vernünftig zu werden.«

      »Wenn Sie damit sagen wollen, daß ich Sie nicht mehr vergöttern soll, so irren Sie sich, Madame, in diesem Sinne werde ich nie vernünftig werden!«

      »Wie thöricht sind Sie,« erwiederte Emma, sich abwendend; »kann man denn hoffnungslos lieben?«

      »Die Beantwortung dieser Frage kommt nicht mir, sondern Ihnen zu, Madame.«

      Emma erblaßte.

      »Sie dürfen mich nicht lieben,« erwiederte sie fast mit Schrecken, »wenigstens nicht so, wie Sie es meinen. Sie klagten gestern, daß Sie von den Personen, die Ihnen theuer sind, entfernt sein müssen: ichs will Ihre Schwester, Ihre Freundin, Ihre Mutter sein; aber Sie müssen, so lange es noch Zeit ist, jedes Gefühl unterdrücken, das Ihnen nur Schmerz bereiten könnte. Wenn Sie wüßten, welchen Schmerz eine nicht getheilte Liebe bereitet! Wenn Sie wüßten, wie der Gram am Herzen nagt, wie man das Leben müde wird und sich nach dem Tode sehnt! Diesen Schmerz mischte ich Ihnen ersparen. Und wenn es nothwendig ist, Ihnen zu sagen was ich seit drei ewig langen Jahren gelitten habe und noch leide, so will ich‘s thun, wenigstens versuchen. Aber keine Liebe, keine Liebe! Hören Sie mich an.«

      »Nein, Madame,« sagte Louis von Fontanieu, rasch aufstehend. »Ich will lieber nichts hören. Was könnten Sie mir auch sagen? daß Sie den Marquis lieben, vergöttern. O, ich weiß es nur zu gut, daß Sie ihn lieben, es ist nicht nothwendig, daß sie mir’s sagen.« Meine Liebe ist Wahnsinn, ich gebe es zu: aber dieser Wahnsinn wird mir in meiner Traurigkeit vielleicht liebliche Täuschungen, süße Hoffnungen bereiten, wie schnell sie auch schwinden mögen. Ich beschwöre Sie, rauben Sie mir diesen geringen Trost nicht; zerreißen Sie mir das Herz nicht durch das Bekenntniß ihrer Liebe für den Marquis, nicht durch die mahnende Stimme Ihres Gewissens, falls Sie keine Liebe für ihn fühlen. Vergessen Sie nicht, daß ich mit Ihnen geweint.«

      »Ich werde mich dessen erinnern,« erwiederte Emma; »und eben deshalb werden Sie mich ohne Erbarmen finden gegen diese Leidenschaft, die ich scharf rügen würde, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß sie noch keine tiefen Wurzeln geschlagen. Ich danke Ihnen für die gute Meinung welche Sie von mir haben: Sie irren sich nicht, daß die Stimme des Gewissens mich bewahren würde vor einer Sünde, welche die Welt einen Fehltritt zu nennen pflegt – selbst wenn ich den Marquis nicht so innig liebte.«

      »Ach, Madame, zwingen Sie mich nicht ihn anzuklagen.«

      »Was habe ich denn zu fürchten? Mich an die Vergehen