Александр Дюма

Memoiren einer Favorite


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welche unsere beiden Zimmer trennte, verschlossen. Ich stand auf und lugte durch das Schlüsselloch. Er saß an seinem Sekretär und schrieb.

      Er war ein wenig bleich, schien aber vollkommen ruhig zu sein.

      Ich legte mich wieder zu Bett.

      Ich hörte der Reihe nach alle Stunden der Nacht schlagen. Gegen sechs Uhr morgens schloß ich, von der Müdigkeit überwältigt, die Augen und schlief wider Willen ein.

      Als ich wieder erwachte, war es heller Tag. Ich hatte zwar unruhig, aber doch drei Stunden lang geschlafen. Ich sprang aus dem Bett und öffnete die Tür von Sir Harrys Zimmer. Dieses Zimmer war leer.

      Ich warf ein Negligé über, klingelte dem Diener und befragte ihn.

      Sein Herr hatte am Abend vorher befohlen, daß der Wagen früh dreiviertel auf Sieben angespannt sein solle. Schlag sieben Uhr hatten Sir Harrys Sekundanten ihn abgeholt und alle drei waren dann zusammen fortgefahren. Es stand nicht zu bezweifeln – Sir Harry war fort, um sich zu schlagen.

      Über zwei Stunden lang war ich eine Beute der furchtbarsten Angst und Unruhe. Gegen elf Uhr hörte ich endlich das Geräusch eines in den Hof herein rollenden Wagens.

      Ich eilte an das Fenster und sah Sir Harry mit seinen Freunden aussteigen. Ich stieß einen Freudenschrei aus und eilte nach der Treppe.

      Sir Harry hatte sich auf Pistolen geschlagen, sein Gegner hatte eine Kugel in den Schenkel bekommen; er selbst war unversehrt geblieben.

      Dieses Duell machte in der eleganten Welt von London großes Aufsehen.

      Natürlich stellte man die Sache in dem Lichte dar, welches mir am ungünstigsten war. Man behauptete, ich hätte Sir Harry erst aufgefordert, dem Wagen, der sich von uns entfernt, nachzufahren, während ich doch im Gegenteil in der Überzeugung, daß ich abermals beleidigt werden würde, alles mögliche getan, um Sir Harry abzuhalten, unsern ersten Platz zu verlassen.

      Während der ganzen Zeit, welche Lord Camberwells Wiederherstellung in Anspruch nahm, schickte Sir Harry jeden Tag zu ihm, und ließ sich nach seinem Befinden erkundigen.

      Der Sommer nahte heran. Sir Harry besaß ein prächtiges Landgut in Up-Park in der Grafschaft Sussex. Dorthin fühlte er mich nun und gewährte mir alle Rechte einer Frau vom Hause.

      Der usurpierte Titel Mylady, welchen mir Sir Harrys Freunde, die Tischgenossen seines Schlosses und die Schmarotzer seines Reichtums gaben, genügte meiner Eigenliebe, so lange wir unter uns blieben. Sobald wir aber einmal die Mauern der prachtvollen Villa im Rücken hatten, war Mylady Featherson weiter nichts als die Abenteurerin Emma Lyonna, das heißt eine »Unterhaltene«, die vielleicht ein wenig schöner war als die andern, keinesfalls aber achtbarer als diese.

      Die Folge hiervon war von Seiten unserer in gesetzlichen Verhältnissen lebenden Nachbarn eine Kundgebung von Verachtung, welche bei jeder Gelegenheit zu Tage trat und mich im tiefsten Herzen verwundete.

      Allerdings, über den kleinen Hof, welchen Sir Harry mir bereitet, herrschte ich als Königin, ich war Königin der Wettrennen, der Feste und der Jagden.

      Während der drei oder vier Monate, welche wir in Up-Park verbrachten, lernte ich reiten und erlangte hierin einen hohen Grad von Eleganz und Sicherheit. Abends fuhr ich fort Szenen aus Dramen vorzuführen und durch plastische Attitüden die berühmtesten Frauen des Altertums nachzuahmen.

      Mit Hilfe der außerordentlichen Beweglichkeit meiner Züge und der prachtvollen Kostüms, die ich nach den besten Zeichnungen, welche man von jenen berühmten Persönlichkeiten auftreiben konnte, fertigen ließ, gelang es mir, eine genaue Vorstellung von denselben zu geben, und oft hatte ich nicht einmal nötig zu sagen, wer die Heldin aus der griechischen, jüdischen oder römischen Geschichte, die ich vorstellen wollte, war, denn die Zuschauer errieten es sofort von selbst.

      Es möchte schwierig sein, zu sagen, auf welche Summe sich die täglichen Ausgaben für diese königliche Villegiatur beliefen.

      Zwei- oder dreimal reiste Sir Harry selbst nach London, um das zur Fortführung dieses Luxus notwendige Geld zu holen.

      Der Intendant, welcher für die ersten Bedürfnisse gesorgt, hatte endlich geschrieben, daß, da Sir Harrys Einkünfte schon auf zwei Jahre im voraus erschöpft wären, es schwierig sein würde, eher wieder Geld aufzutreiben, als bis Sir Harry, nachdem er sein fünfundzwanzigstes Jahr zurückgelegt, die Verwaltung seines Vermögens selbst in die Hände bekäme, welches dann allerdings ein ungeheures sein würde.

      Gegen Ende des Monats Juli sah er sich in großer Geldverlegenheit, daß er, um nach London reisen und eines seiner gewohnten Anlehen dort aufnehmen zu können, sich wegen Bestreitung der Reisekosten an mich wendete.

      Seine Freunde, welche diesen unvermeidlichen Ruin schon von weitem kommen gesehen, waren einer nach dem andern verschwunden. Die beiden letzten reisten mit ihm zugleich nach London ab und versprachen mit ihm wiederzukommen.

      Ich allein, ich sah nichts, ich ahnte nichts, sondern glaubte, Sir Harrys Börse sei eben so unerschöpflich wie die des Fortunatus.

      Drei Tage wartete ich, ohne mich sonderlich zu beunruhigen. Noch zwei Tage vergingen, ohne daß Nachricht kam – erst am Morgen des sechsten, seitdem Sir Harry Up-Park verlassen, empfing ich einen Brief von ihm. Dieser Brief war ein Donnerschlag. Er lautete wie folgt:

»Meine arme Emma!

      Ich bin vollständig ruiniert wenigstens für den Augenblick. Ich schulde ziemlich fünfzigtausend Pfund Sterling. Meine Familie will mich den Klauen der Wucherer und Advokaten nur unter der Bedingung entreißen, daß ich mich vollständig ändere. Unter dieser Änderung versteht man zunächst und vor allen Dingen die Verzichtung auf das Teuerste, was ich in der Welt besitze, das heißt auf Sie. Um meines guten Verhaltens und Gehorsams während der zwei oder drei Jahre, die mich noch von meiner Volljährigkeit trennen, sicher zu sein, verbannt man mich nach Indien, wo meine Familie mir eine Kompagnie gekauft hat. Alles dieses ist erst diesen Morgen festgesetzt worden. Heute abend bringt man mich auf das Schiff und wenn Sie diesen Brief erhalten, so schwimme ich schon auf offenem Meere.

      Leben Sie wohl, meine teure Emma! Sie haben mir acht Monate eines Glückes bereitet, welches nur wenigen Menschen beschieden ist. Verzeihen Sie, daß ich es Ihnen so übel vergelte.

      Ich, der ich Sie geliebt, ich liebe Sie noch und werde Sie stets lieben.

Harry.«

      Noch an demselben Tage fanden sich Gerichtsbeamte ein, um eine Liste über die von Sir Harry Featherson in dem Schlosse zu Up-Park gelassenen Gegenstände aufzunehmen, welche den Gläubigern, deren gerichtlichen Schritten man Einhalt getan, zum Pfand dienen sollten.

      In derselben Stunde verließ ich das Schloß und nahm weiter nichts mit, als die mir persönlich gehörenden Effekten und eine Summe von ungefähr zweihundertundfünfzig Pfund.

      Sechstes Capitel

      Diese Gemütserschütterung war eine der heftigsten, die ich in meinem Leben erfahren. Bis jetzt war ich von der Armut zum Luxus, vom Unglück zum Glück emporgestiegen. Plötzlich aber zerbrach gleichsam etwas in der Maschinerie meiner Existenz und ich hörte auf an meine Unverwundbarkeit zu glauben.

      Ich liebte Harry von ganzer Seele, und meine Seele ward dadurch, daß diese Liebe mir geraubt ward, vollständig zerrissen. Diese Liebe wurzelte in meinem ganzen Sein und dieses hatte daher nicht eine Stelle, welche dadurch nicht schmerzhaft berührt worden wäre.

      Auf die moralische Saite, die durch den ersten Schlag getroffen worden, folgte die materielle. Von dem Augenblicke an, wo ich mich von dem Schlage wieder emporrichtete, mußte ich mich mit den Sorgen für meinen Lebensunterhalt beschäftigen und für ein bekümmertes Herz ist dies eine furchtbare Aufgabe.

      Wo sollte ich hin? Was sollte aus mir werden? Wo sollte ich ein Obdach finden? Auf welchen Stein sollte ich mein Haupt niederlegen?

      Alles dies wußte ich nicht, und diese Fragen legte ich mir vor, während ich unter einem Baum der Allee saß, deren Staub ich noch acht Tage vorher unter den Rädern einer eleganten Equipage oder unter den Hufen eines stolzen Rosses aufgewirbelt.

      Ich hatte mir in der benachbarten Stadt einen Wagen