erkannt hatte. Der Herzog von Orleans, der die Gewohnheit hatte, seinen Günstlingen Beinamen zu geben, nannte ihn daher stets nur: »hon enfant.« Seit einiger Zeit aber schien Lafare’s Popularität bei den Damen des Hofes und der Oper etwas zu sinken; denn es hatte sich das Gerücht verbreitet, daß er die Lächerlichkeit begehe, ein ordentlicher Mensch werden zu wollen. Zwar behaupteten einige seiner Freunde, um seinen Ruf aufrecht zu halten, mit gedämpfter Stimme, daß diese scheinbare Bekehrung keinem andern Beweggrund habe, als die Eifersucht der Mademoiselle de Conti, Tochter der Herzogin von Conti und Enkelin des großen Condé, welche wie man versicherte, den Gardecapitain des Regenten mit einer ganz besonderen Zuneigung beehrte. Seine Verbindung mit dem Herzog von Richelieu unterstützte diese Ansicht.
Der Graf von Fargy, gemeinhin nur der schöne Fargy genannt, war in der That der schönste junge Mann seiner Zeit, was ihm in jener Epoche der Galanterie Verpflichtungen auferlegte, vor denen er niemals zurückgeschreckt war. Er war zu gleicher zeit zart und kräftig, ungemein liebenswürdig, kurz er vereinte in sich alle Eigenschaften eines Romanhelden jener Zeit Vereint man nun noch hiermit sein schönes Aeußere, seinen Verstand und Witz, so wie seinen kühnen Muth, so wird man sich der den glänzenden Ruf nicht wundern, den er in der Welt,in welcher er lebte, sich erworben hatte.
Was den Chevalier von Ravanne betraf, der rücksichtlich seiner Jugend, so seltsame Memoiren hinterlassen hat, daß man, trotz ihrer Authenticität, an ihrer Wahrhaftigkeit zweifeln möchte, so war derselbe damals kaum dem Pagenalter entwachsen, er war reich und stammte aus einer vornehmen Familie; er trat ein in das Leben, durch dessen goldenes Thor und jagte nach allen Freuden desselben mit der ganzen Begierde und Unvorsichtigkeit der Jugend: Er machte in seinem achtzehnten Jahre alle Fehler und Thorheiten seiner Zeit mit; man begreift daher, wie stolz er darauf war, Männern wie Lafare und Fargy als Secundant in einer Angelegenheit zur Seite zu stehen, von der man erwarten konnte, daß die großes Aufsehen erregen würde.
II.
Das Duell
So wie Lafare, Fargy und Ravanne ihre Gegner in die Allee treten sahen, eilten sie ihnen entgegen. Als sie sich einander bis auf zehn Schritte genähert hatten, zogen sie sämmtlich die Hüte und begrüßten sich mit jener zierlichen Höflichkeit, die bei ähnlichen Gelegenheiten ein Charakterzug der Aristokratie des achtzehnten Jahrhunderts bildete, wobei ihr anmuthiges Lächeln jedem Vorübergehenden hätte glauben machen können, daß hier von einer freundlichen Begegnung, nicht aber von einem feindlichen Zusammentreffen die Rede say.
»Meine Herren,« begann der Chevalier von Harmental, dem das erste Wort mit vollem Rechte gebührte, ich hoffe, daß weder Sie noch wir von irgend jemand hierher gefolgt wurden; aber es ist bereits ein wenig spät und wir könnten hier leicht gestört werden, ich halte es daher für rathsam, daß wir eine entlegnere Stelle suchen, wo wir mit mehr Ruhe und Bequemlichkeit das kleine Geschäft abmachen können, das uns hier zusammenführt.«
»Meine Herren, entgegnete Ravanne, »ich weiß den passendsten Ort. Kaum hundert Schritte von hier – man kann sich dort in einer Wüste wähnen.«
»So folgen wir dem Kinde, rief der Capitain, »die Unschuld führt zum Heil.«
Ravanne wandte sich und maaß den Mann mit den orangefarbenen Epauletts von Kopf bis zur Zehe.
»Haben Sie sich noch gegen keinen Anderen verpflichtet, mein großgewachsener Herr,« versetzte er in einem etwas ironischem Tone, »so bitte ich um den Vorzug.«
»Halt, Ravanne, halt,« fiel Lafare ein, »ich habe dem Herrn von Harmental zuvor einige Erklärungen zu geben.«
»Herr von Lafare, versetzte der Chevalier, »Ihr Muth ist so sehr erprobt, daß die Erklärungen, die Sie mir anbieten, ein Beweis Ihres Zartgefühls sind, welches ich mit Dank anerkenne. Diese Auseinandersetzungen würden aber unser Geschäft nur verzögern, und ich glaube, wir haben keine Zeit zu verlieren.«
»Bravo, Bravo!« rief Ravanne, das heiße ich gesprochen, wie es sich geziemt, haben wir uns einander erst den Hals gebrochen, dann, hoffe ich, werden Sie mir Ihre Freundschaft nicht versagen. Viel Gutes habe ich bereits von Ihnen gehört, und lange schon sehne ich mich nach der Ehre. Ihrer Bekanntschaft.«
Die beiden Herren verbeugten sich gegen einander.
»Voran also, Ravanne,« rief nunmehr Lafare, »da Du Dich zu unserm Führer aufgeworfen hast, so zeige uns den Weg.«
Ravanne sprang alsogleich in das Gebüsch, seine fünf Gefährten folgten; die Pferde und der Wagen blieben, wo sie sich befanden.
Nach einem Marsche von zehn Minuten, während dessen die Gegner das tiefste Schweigen beobachteten, theils um durch ein Gespräch ihre Anwesenheit nicht zu verrathen, theils weil in dem Augenblicke einer nahen Gefahr der Mensch sich immer in sich selbst zurückzieht, erreichten sie einen von Bäumen dicht umkränzten freien Platz.
»Nun; Ihr Herren,« fragte Ravanne zufrieden um sich blickend, was sagen Sie von dieser Stelle?«
»Ich meine,« versetzte der Capitain, »daß, wenn Sie sich rühmen, sie entdeckt zu haben, Sie nur schlecht einen kleinen Columbus spielen. Sie hätten mir nur zu sagen gebraucht, daß Sie hierher wollten, und ich hätte Sie mit geschlossenen Augen hierhergeführt.«
»Wolan, mein Herr,« erwiderte Ravanne, »so werden wir Sorge tragen, daß man Sie von hier so fortschaffe, wie Sie nach Ihrer Behauptung hergekommen seyn würden.«
»Sie wissen es, daß Sie es sind, Herr von Lafare, mit dem ich es zu thun habe,« rief Harmental, indem er seinen Hut auf die Erde warf
»Ganz recht, mein Herr,« entgegnete der Gardecapitain, indem er dem Beispiele seines Gegners folgte, »ich weiß aber auch, daß mir nichts mehr Ehre, aber auch zugleich mehr Schmerz verursachen könnte, als ein Zweikampf mit Ihnen und zwar um einer solchen Ursache willen.«
Harmental lächelte wie ein Mann, der diese höfliche Rede anzuerkennen wußte, aber er erwiderte nur, indem er den Degen zur Hand nahm.
»Ich glaube, Herr Baron,« sprach Fargy zu Valef gewandt, »daß Sie im Begriff stehen, nach Spanien abzureisen?«
»Ich wollte schon diese Nacht aufbrechen, mein lieber Graf,« erwiderte Valef, »nur das Vergnügen, diesen Morgen hier mit Ihnen zusammen zu treffen, konnte mich zurückhalten, so wichtige Geschäfte rufen mich dorthin.«
»Das macht mich untröstlich!« entgegnete Fargy, indem er seinen Degen entblößte, »denn, wenn es mir gelingen sollte, diese Ihre Reise noch länger zu verzögern, so würden Sie ohne Zweifel mein Todfeind werden.«
»Ganz gewiß nicht, mein lieber Graf,« lächelte Valef, »ich würde glauben, es geschähe aus lauter Freundschaft. Thun. Sie also Ihr Möglichstes, ich bin zu Ihren Diensten.
»Nun, mein Herr, nun,« rief Ravanne dem Capitain zu, welcher sorgfältig seinen Rock zusammenfaltete und ihn neben seinen Hut legte, »Sie sehen, daß ich auf Sie warte.«
»Werden wir nicht ungeduldig, lieber junger Mann,« antwortete der alte Soldat, indem er mit seinen Vorbereitungen fortfuhr. Eine der vorzüglichsten Eigenschaften bei dem Waffenhandwerk ist die Kaltblütigkeit. In Ihrem Alter machte ich es grade wie Sie; nach dem dritten oder vierten Degenstoße aber, den ich empfing, sah ich ein, daß ich auf einem falschen Wege war.«
Bei diesen letzten Worten zog er seinen Degen, der, wie wir bereits berichtet haben, von bedeutender Länge war.
»Alle tausend Teufel,« lachte Ravanne,. »was haben Sie da für eine Waffe! die erinnert mich wahrlich an den Bratspieß in der Küche meiner Mutter, und es thut mir jetzt leid, daß ich mir denselben nicht von unserm Haushofmeister erbat, um mich Ihnen würdig entgegenstellen zu können.«
»Ihre Frau Mutter ist eine sehr würdige Dame und ihre Küche eine sehr gute Küche, ich hörte von Beiden mit großem Lobe sprechen, mein Herr Chevalier, entgegnete der Capitain, in einem fast väterlichen Tone; »ich würde daher untröstlich seyn, Sie der einen und der anderen zu rauben, wegen einer armseligen Geschichte, wie diejenige, um derentwillen wir jetzt die Degen mit einander kreuzen sollen. Bilden Sie sich also ein, daß Sie nur eine Stunde bei Ihrem Fechtmeister nähmen und fallen Sie aus.»
Diese