Александр Дюма

Ritter von Harmental


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Capitain Roquefinette ritt im Schritt, Trab und Galopp im Bois de Boulogne umher, um sein neues Pferd zu prüfen, und als er sich überzeugt hatte, daß es wie Harmental versicherte, wirklich ein treffliches Thier say, lenkte er dasselbe zu der Restauration des Herrn Durand zurück, wo er ganz allein das Frühstück verzehrte, das für drei Personen bestellt war. – Noch an demselben Tage führte er sein Pferd auf den Roßmarkt, wo er es für sechzig Louisd’or verkaufte; es war nur die Hälfte seines Werthes, aber – man muß Opfer bringen, wenn man etwas prompt realisieren will.

      Was den Chevalier von Harmental betrifft, so kehrte er durch die elyseeischen Felder nach Paris zurück, wo er in seiner Wohnung, Straße Richelieu, zwei unterdessen angelangte Briefe vorfand. Einer derselben war von einer ihm nur zu gut bekannten Handschrift so daß er an allen Gliedern zitterte. Er berührte das Schreiben nur zögernd, so als ob er eine glühende Kohle erfassen wolle; endlich faßte er Muth, brach bebend das Siegel und las wie folgt:

      »Mein lieber Chevalier!

      »Sie wissen, man ist nicht der Gebieter seines Herzens. Es ist eine Schwäche unserer Natur, dieselbe Person und dieselbe Sache nicht lange Zeit lieben zu können. Was mich betrifft, so will ich vor anderen Frauen das Verdienst voraus haben, daß ich meinen Geliebten nicht betrüge. Kommen Sie also nicht zu der gewohnten Stunde zu mir, man würde Ihnen sagen, ich sei nicht zu Hause, und ich bin zu redlich, um meinen Kammerdiener oder meine Kammerfrau eine so grobe Lüge aussprechen zu lassen.«

      »Adieu also, mein lieber Chevalier, gedenken Sie meiner nicht mit allzugroßem Zorne und machen Sie daß ich nach zehn Jahren noch das von Ihnen sagen kann, was ich jetzt von Ihnen sage, daß ich Sie nämlich für einen der galantesten Cavaliere Frankreichs halte.

Sophie d’Averne.«

      »Alle Teufel!« rief Harmental, indem er mit der geballten Faust auf einen zierlichen Tisch schlug, daß er zusammenstürzt, »hätte ich den armen Lafare getödtet, ich hätte in meinem ganzen Leben keine Ruhe wiedergefunden.«

      Nach diesem Ausbruche, der den Chevalier etwas erleichterte, schritt derselbe mehrmals im Zimmer auf und ab, mit einem Wesen, welches dartat, daß er noch mehr solcher Enttäuschungen bedürfe, um sich zu der Höhe der philosophischen Moral zu erheben, welche ihm die schöne Treulose gepredigt hatte. Erst nach einiger Zeit gewahrte er auf dem Fußboden den zweiten Brief liegend, den er völlig vergessen hatte. Er schritt noch zwei- bis dreimal an demselben vorüber, ohne ihn mehr als eines gleichgültigen Blickes würdig zu achten. Endlich hob er ihn verächtlich auf, öffnete ihn langsam, betrachtete die Handschrift, welche ihm völlig unbekannt war, suchte nach der Unterschrift, die aber fehlte, und durch diesen Anflug vom Geheimnißvollen neugierig gemacht, las er folgende Zeilen:

      »Chevalier!

      »Wenn Sie in Ihrer Phantasie halb so viel Romantik, und in ihrem Herzen nur halb so viel Muth besitzen, wie Ihre Freunde behaupten, so ist man bereit, Ihnen ein Unternehmen anzuvertrauen, das Ihrer würdig ist und durch dessen Resultat Sie sich an einem Mann rächen können, den Sie in dieser Welt am meisten hassen, indem es Sie zugleich zu einem so glänzenden Ziele führen wird, wie Sie dasselbe in Ihren schönsten Träumen niemals gehofft. Der gute Genius, der Sie leiten soll, und dem Sie gänzlich vertrauen müssen, wird Sie in dieser Nacht zwischen zwölf und zwei Uhr auf dem Balle im Opernhause erwarten. Erscheinen Sie dort ohne Maske, wird er sich Ihnen nähern, kommen Sie aber maskiert, so werden Sie ihn an einem violetten Bande erkennen, das er auf der linken Schulter tragen wird. Die Parole ist »Sesans, öffne Dich!« Sprechen Sie sie kühn aus und es wird sich Ihnen eine Höhle erschließen, weit wunderbarer als die AliBaba’s.«

      »Meinethalben denn,« rief Harmental, »wenn der Genius mit dem veilchenblauen Bande nur halb so viel hält, als er verspricht, so hat er in mir seinen Mann gefunden.«

       III.

      Der Chevalier

      Der Chevalier Raoul von Harmental, mit dem unsere geneigten Leser, bevor wir weiter erzählen, eine etwas nähere Bekanntschaft machen müssen, war der einzige Abkömmling einer der vornehmsten Familien in Nivernais. Obgleich diese Familie niemals eine bedeutende Rolle in der Geschichte spielte, so erfreute sie sich doch einer gewissen Berühmtheit, die sie sich theils selbst erworben hatte, theils ihren Verbindungen verdankte. Als der Sire Gaston von Harmental, der Vater unseres Chevaliers, im Jahr 1672 nach Paris kam, und Lust verspürte, in den königlichen Equipagen zu fahren, hatte er den Beweis geführt, daß sein Stammbaum bis zum Jahr 1399 sich erstrecke. Sein Oheim mütterlicher Seite, Graf Torigny, hatte, als er im Jahr 1691 einen Orden erhielt, gleichfalls seine sechzehn Ahnen dargethan, und so war mehr als hinreichend geschehen, um den aristokratischen Anforderungen jener Zeit zu genügen.

      Den Chevalier konnte man weder arm noch reich nennen, das heißt: sein Vater hatte ihm eine Besitzung in der Gegend von Nevers hinterlassen, welche ihm jährlich 20- bis 25.000 Livres eintrug. Das war mehr als nöthig, um in seiner Provinz wie ein vornehmer Herr zu leben; der Chevalier aber hatte eine ganz vortreffliche Erziehung erhalten und fühlte sich vom Ehrgeize vorwärts getrieben. Er verließ also, nach erlangter Volljährigkeit im Jahr 1711, seine Heimath und begab sich nach Paris.

      Sein erster Besuch war bei dem Grafen von Torigny, auf dessen Einfluß er zuverlässig rechnete, um bei Hofe eingeführt zu werden. Unglücklicherweise hatte der Graf Torigny grade damals selbst dort den Zutritt nicht, da er sich aber ungemein für die Familie Harmental interessierte, so empfahl er seinen Neffen dem Chevalier von Villarceaux, und dieser führte bereitwillig den jungen Mann bei der Frau von Maintenon ein.

      Frau von Maintenon besaß eine treffliche Eigenschaft, nämlich: ihren frühern Liebhabern Freundin geblieben zu seyn. Sie empfing den Chevalier von Harmental mit großer Freundlichkeit, Dank den alten angenehmen Erinnerungen, die ihn bei ihr empfahlen, und als einige Tage darauf der Marschall von Villars ihr seine Aufwartung machte, legte sie ihm durch einige Worte ihren Schützling so dringend ans Herz, daß der Marschall, hocherfreut sich dieser Königin in partibus gefällig beweisen zu können, ihr erwiderte, daß er von dieser Stunde an zu seinem Generalstabe gehören solle, und daß er ihm in jeder Rücksicht behilflich seyn würde, die gute Meinung zu rechtfertigen, welche seine erhabene Beschützerin von ihm hege.

      Es war eine ungemeine Freude für den Chevalier, sich ein solches Glücksthor erschlossen zu haben. Ein Feldzug stand bevor. Ludwig der Vierzehnte stand in der letzten Periode seiner Regierung, in der der Unfälle. Tallard und Marsin waren bei Hochstein geschlagen worden; Villeroy hatte bei Ramillys eine Niederlage erlitten, und selbst der Marschall Villars hatte gegen Marlborough und Eugen die berühmte Schlacht bei Malplaquet verloren. Das auf einen Augenblick durch Colbert und Louvois niedergebeugte Europa, erhob sich in Massen gegen Frankreich. Der König, einem verzweiflungsvollen Kranken gleich, welcher täglich einen Arzt ändert, veränderte täglich sein Ministerium; jeder Versuch aber deckte nur neue Schwächen auf. Frankreich konnte keinen Krieg mehr führen, und war außer Stande den Frieden zu schließen. Vergebens erbot es sich Spanien zu räumen und seine Gränzen zu beschränken, das war noch nicht Demüthigung genug! Man verlangte, daß der König den fremden Heeren den freien Durchzug durch Frankreich gestatten solle, damit sie seinen Enkel vom Throne Spaniens wegjagten; und daß er die festen Plätze: Cambrai, Metz, La Rochelle und Bayonne überliefere; wenn er es anders nicht vorzöge, spätestens innerhalb eines Jahres ihn mit den Waffen in der Hand selbst zu entthronen.

      Unter diesen demüthigenden Bedingungen, war demjenigen ein Waffenstillstand zugestanden, der früher nach Willkür über Krieg und Frieden gebot, der sich »der Vertheiler von Kronen,« und »Zuchtruthe der Nationen« nannte, den man den Beinamen: »des Großen, des Unsterblichen« gegeben hatte, zu dessen Ehre man, seit einem halben Jahrhundert den Marmor und die Bronze bearbeitete, den Alexandriner abmaaß und den Weihrauch verschwendete! – Ludwig XIV. hatte in der Ministerversammlung geweint! – Seine Thränen hatten eine Armee in’s Leben gerufen, und diese Armee war unter den Befehl des Marschall Villars gestellt worden.

      Villars zog gradeswegs dem Feinde entgegen, dessen Lager sich bei Denain befand, und der, überzeugt, daß Frankreich in den letzten Zügen liege, in Sicherheit schlummerte, Noch niemals hatte auf einem einzigen Haupte eine größere Verantwortlichkeit geruht; von einem einzigen