Alfreds Gabe in Empfang zu nehmen, und komme jetzt zu Ihnen, um eine Beisteuer zu erbitten.«
Die zuvor sehr blassen Wangen der jungen Dame bedeckten sich mit einer lebhaften Röthe; sie schien zu zittern und wischte sich einige Schweißtropfen von der Stirn.
Aber plötzlich lächelte sie und zog einen Brillantring vom Finger.
»Hier ist meine Gabe,« sagte sie aufstehend.
Ich sah sie erstaunt an.
»Sie verweigern die Annahme?« fragte sie.
»Nein« Madame,« antwortete ich; »aber ich verstehe Sie nicht, dieser Ring ist fünfhundert Francs werth, ohne die Arbeit, die, wie es scheint, von Froment Meurice ist.«
Sie antwortete nicht und hielt mir fortwährend den Ring hin.
»Ich wollte Sie nur um eine kleine Gabe bitten,« setzte ich hinzu, »um ein Almosen, wie man es in die Büchse einer Sammlerei legt – einen Louisd’or zum Beispiel.«
Sie lächelte mit Wehmuth. Lieber Freund, dieses Lächeln werde ich nie vergessen!
»Herr von Villiers,« sagte sie, »einem Manne wie Sie sind kann man Alles sagen: einem Herzen wie das Ihrige kann man Alles anvertrauen.«
»Reden Sie« Madame.«
»Es gibt Augenblicke, wo es einer Frau, die über ihr Vermögen nicht verfügen kann, leichter ist einen Ring zu geben im Werthe von fünfhundert Francs – als einen Louisd’or.«
Sie ließ den Ring in meine Hand gleiten und verließ das Zimmer.
Ehe sie die Thür geschlossen hatte, hörte ich sie schluchzen.
Ich sah mich noch einmal im Salon um und war fast« entsetzt über den darin herrschenden Luxus.
»O mein Gott!« sagte ich, »ist es möglich, daß eine Frau, die ihrem Manne zwei Millionen Heirathsgut zugebracht, nach vierjähriger Ehe nicht einmal einen Louisd’or für Abgebrannte zu geben hat? Ach, eine solche Frau ist ärmer, elender, beklagenswerther, als die, für welche ihre Mildthätigkeit in Anspruch genommen wird.«
Ich drückte den Ring an meine Lippen und eilte aus dem Salon. Ich mußte in’s Freie, ich glaubte zu ersticken.
Und sie hatte sich in allen ihren Briefen an Josephine Gauthier nicht beklagt, sie hatte ihr zu verstehen gegeben, daß sie glücklich sei!
Sie mußte ein Engel seyn.
Denselben Abend brachte ich dem Pfarrer von Reuilly tausend Francs: vierhundert im Namen Alfreds, sechshundert im Namen der Frau von Chambray.
Diese sechshundert Francs waren der Werth des Ringes nach der Schätzung des ersten Juweliers in Evreux.
Zweiter Teil
I
Ich hatte nicht vergessen, was mir Gratian. der künftige Gatte der kleinen Zoe, gesagt hatte:
»Ich warte bis ich von einem unbekannten Onkel in Amerika dreitausend Franks erbe, um mich für meine Rechnung besetzen zu können; bis dahin begnüge ich mich mit meinem täglichen Erwerb von fünfzig Sous.«
Von meinem Gewinn blieben mir fünftausendfünfhundert Franks, überdies die dreihundert Francs. die mir Zoe. wie Gratian sagte. schuldig war.
Am Tage nach meinem Besuche bei Frau von Chambray, die einen Theil des auf ihrem Leben liegenden Schleiers gelüftet und deshalb einen so tiefen Eindruck auf mich gemacht hatte, reiste ich noch Bernay, ohne Alfred davon in Kenntniß zu setzen. Es sollte Niemand wissen, wohin ich ging.
Uebrigens war der liebe Alfred. das muß ich ihm lassen, nichts weniger als neugierig oder zudringlich.
Ich fragte ihn blos, ob ich eines seiner Reitpferde auf zwei oder drei Tage benutzen könne, und auf seine bejahende Antwort ließ ich satteln und einen leichten Mantelsack auflegen. Um meine Absichten nicht zu verrathen, ritt ich in einer andern Richtung fort und erreichte die nach Bernay führende Landstraße auf einem Umwege.
Bernay war das Ziel meiner kurzen Reise.
In Beaumont-la-Roger ließ ich mein Pferd ausruhen. Zwei-Stunden nachher war ich zu Bernay im Gasthause zum »goldenen Löwen.«
Ich war in Bernay ganz unbekannt. Ich war noch nie da gewesen. Ich mußte daher bei meinem Wirthe Erkundigungen einziehen.
Ich fragte zuerst nach dem Schlosse des Herrn von Chambray.
Das Schloß lag auf einem Hügel im Charentonnethale. Der reizende kleine Fluß, der dem Thale den Namen gibt, floß in malerischen Windungen an dem Park vorbei und begrenzte denselben auf der einen Seite. Etwas weiter aufwärts theilten sich die beiden Arme. um sich jenseits des Städtchens wieder zu vereinigen und in südlicher Richtung weiter zu fließen.
Dies war Alles was ich wissen wollte.
Ich ging auf das Schloß zu. – Es war ein Gebäude aus der neuesten Zeit, die ganze Facade zeigte die kahlen, geraden Formen, die den Bauwerken aus dem Anfange des neunzehnten Jahrhunderts eigen sind.
Sehr schön war Übrigens der Park, der das Schloß umgab. Er war etwa einen halben Kilometer von den letzten Häusern des Städtchens oder vielmehr Dorfes entfernt.
Am Ende des Ortes bemerkte ich einen Zettel an einer Hausthür. Es war ein hübsches, pittoreskes Häuschen, aus Bruchsteinen und Holz erbaut. Balken und Fensterläden waren grün angestrichen; oben auf dem Strohdache blühte ein ganzes Beet von Schwertlilien.
Thüren und Fensterläden waren geschlossen; aber auf dem Zettel stand, daß man sich an Herrn Dubois. Kirchengasse Nr. 12. zu wenden habe.
Die Kirchengasse war ganz in der Nähe. Ich schellte bei Herrn Dubois.
Der alte Mann machte eben seinen gewohnten Spaziergang; aber in seiner Abwesenheit erbot sich ein kleines Mädchen, das sich als seine Nichte zu erkennen gab, mir das Häuschen zu zeigen.
Ich nahm das Anerbieten an. Die Kleine nahm den Schlüssel und ging schnell und geschäftig voran; sie schien sich auf dieses Beschließeramt nicht wenig einzubilden.
Das kleine Haus hätte mir nicht besser gefallen können, wenn ich selbst den Plan gemacht hätte. Das Erdgeschoß bestand aus einem großen Zimmer, das als Kaufladen oder Waarenlager benutzt werden konnte, aus einem kleinen Zimmer und einer Küche. Im ersten Stocke waren zwei Zimmer.
Alles dies war naiv eingetheilt, wie in den kleinen hölzernen Häuschen, die man den Kindern als Spielzeug kauft und deren wohl dreißig sammt den aus Papier geschnittenen Bäumen in eine Schachtel gehen.
Ein Gärtchen gehörte zu dem Hause. Aus dem Gärtchen und den Fenstern sah man das Schloß Chambray.
Ich fragte nach dem jährlichen Miethpreise. Die Kleine sagte: hundertfünfzig Francs.
Auf meine Frage, ob das Haus zu verkaufen sey, antwortete die Kleine. sie wisse es nicht, ich müsse ihren Onkel Dubois fragen. Dieser Name fiel mir zum zweiten Male auf, ich glaubte ihn schon gehört zu haben.
In diesem Augenblicke hörte ich hinter mir ein Geräusch.
Ich sah mich um und bemerkte einen alten Mann. den ich leicht als den Eigenthümer erkannte.
Der alte Mann. ein Sechziger, hatte kleine lebhafte Augen und eine stark gebogene Nase; das ganze Gesicht hatte den Ausdruck der Schlauheit.
Wir begrüßten uns und ich erneuerte die Frage, die ich bereits an seine Nichte gerichtet hatte.
»Nun, das kommt auf den Preis an,« sagte er.
Ein Normann sagt bekanntlich nie ja oder nein.
»Auf was für einen Preis?« fragte ich.
»Auf den Preis, den Sie mir geben würden.«
»Ich habe den Preis nicht zu bestimmen, erwiederte ich; »Ihr habt als Verkäufer einen Preis zu fordern.«
»Auf dem Zettel steht, daß das Haus zu vermiethen ist, von einem Verkauf ist nicht die Rede.«
»Ihr wollt es also nicht verkaufen?«
»Das