Александр Дюма

Zwanzig Jahre nachher


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Ihr treibt nicht Euern Spott mit mir?«

      »Nein, auf Offizierswort; halt, hier ist die halbe Pistole.«

      Und er zeigte ihm die Bestechungsmünze, aber ohne sie ihm wirklich zu geben.

      »Ich will ihn fragen.«

      »Das ist gerade das Mittel, um nichts zu erfahren,« erwiderte d’Artagnan, »warte, bis er weggeritten ist. Dann forsche, frage, unterrichte Dich. Das ist Deine Sache; die halbe Pistole ist hier.«

      Und er steckte sie wieder in seine Tasche.

      »Ich begreife,« sagte das Kind mit einem listigen Lächeln, das nur den Pariser Straßenjungen eigenthümlich ist. Nun, ich werde warten.«

      Man hatte nicht lange zu warten. Nach fünf Minuten ritt Bazin, sein Pferd mit dem Regenschirme antreibend, in kurzem Trabe weg.

      Es war stets die Gewohnheit von Bazin gewesen, einen Regenschirm in Form einer Reitpeitsche zu tragen.

      Kaum hatte er sich um die Ecke der Rue de la Juiverie gewendet, als sich das Kind wie ein Leithund auf eine Spur stürzte.

      D’Artagnan nahm seinen Platz wieder an dem Tische, an den er sich bei seinem Eintritt gesetzt hatte, vollkommen überzeugt, er würde vor zehn Minuten erfahren, was er wissen wollte.

      Das Kind kehrte in der That, ehe diese Zelt abgelaufen war, zurück.

      »Nun?« fragte d’Artagnan.

      »Nun,« sagte der Junge, »man weiß es!«

      »Wohin ist er geritten?«

      »Die halbe Pistole ist immer noch für mich?«

      »Ganz gewiß. Antworte.«

      »Ich will sie sehen. Gebt sie mir, daß ich schauen kann, ob sie nicht falsch ist.«

      »Hier ist sie.«

      »He, Meister,« sprach das Kind, »der Herr wünscht Münze zu haben.«

      Der Wirth saß an seinem Zahltische, gab Münze und nahm die Pistole.

      Das Kind steckte die Münze in seine Tasche.

      »Und nun, wohin ist er gegangen?« sprach d’Artagnan, der lachend seinem Treiben zugesehen hatte.

      »Noch Noisy.«

      »Woher weißt Du dies?«

      »Ah! bei Gott, ich brauchte nicht viel Witz, um es zu erfahren. Ich erkannte in dem Pferde das eines Fleischers, welcher es zuweilen Herrn Bazin leiht. Ich dachte nun, der Fleischer leihe ihm sein Pferd nicht, ohne zu fragen, wohin er reite, obgleich er Herrn Basin wohl nicht für fähig hält, das Pferd zu übertreiben.«

      »Und er antwortete Dir, »Herr Bazin …«

      »Begebe sich nach Noisy. Dies scheint übrigens seine Gewohnheit zu sein, denn er reitet drei bis viermal in der Woche dahin.«

      »Kennst Du Noisy?«

      »Ganz gewiß; meine Amme ist dort.«

      »Ist ein Kloster daselbst?«

      »Ein prächtiges, ein Jesuiten-Klöster.«

      »Gut,« murmelte d’Artagnan; »es unterliegt keinem Zweifel mehr.«

      »Ihr seid also zufrieden?«

      »Ja. Wie heißt Du?«

      »Friquet.«

      »D’Artagnan nahm seine Schreibtafel und schrieb den Namen des Knaben und die Adresse der Schenke auf.

      »Sagt mir, Herr Offizier,« sprach das Kind, »sind noch mehr halbe Pistolen zu verdienen?«

      »Vielleicht,« antwortete d’Artagnan.«

      Und da er wußte, was er wissen wollte, so bezahlte er den Gewürzwein, den er nicht getrunken hatte, und schlug rasch wieder den Weg nach der Rue Tiquetonne ein.

       IX

      Wie d’Artagnan, während er Aramis sehr ferne suchte, wahrnahm, daß er hinter Planchet auf dem Pferde saß

      Als d’Artagnan eintrat, sah er einen Mann an der Ecke des Kamins sitzen: es war Planchet, aber Planchet, so gut metamorphosirt durch die alten Kleider, die der Eheherr zurückgelassen hatte, daß er selbst Mühe hatte, ihn wieder zu erkennen. Madeleine stellte ihn im Angesicht aller Aufwärter vor. Planchet wandte sich an den Offizier mit einer schönen flamändischen Phrase. Der Offizier antwortete ihm mit einigen Worten, welche keiner Sprache angehörten, und der Handel war abgeschlossen. Der Bruder der Madeleine trat in den Dienst von d’Artagnan.

      Der Plan von d’Artagnan war vollkommen festgestellt; aus Furcht, erkannt zu werden, wollte er nicht bei Tage in Noisy ankommen; Er hatte also Zeit vor sich, denn Noisy lag nur drei bis vier Lieues von Paris auf der Straße nach Meaux.

      Er fing damit an, daß er ein tüchtiges Frühstück zu sich nahm, was ein schlimmes Debut sein kann, wenn man mit dem Kopfe handeln will, was jedoch eine vortreffliche Vorsichtsmaßregel ist, wenn man, mit seinem Körper zu handeln gedenkt; hiernach wechselte er seine Kleider, befürchtend, die Kasake des Lieutenants der Musketiere könnte Mißtrauen einflößen. Dann nahm er den stärksten und solidesten von seinen drei Degen, den er nur an festlichen Tagen zu wählen pflegte, und endlich gegen zwei Uhr ließ er zwei Pferde satteln und ritt, von Planchet gefolgt, durch die Barriere de la Vilette hinaus. In dem Hause neben dem Gasthofe zur Rehziege stellte man immer noch die thätigsten Nachforschungen an, um Planchet aufzufinden.

      Anderthalb Lieues von Paris hielt d’Artagnan an, da, er sah, daß er in seiner Ungeduld immer noch zu früh abgegangen war, und ließ die Pferde verschnaufen. Die Herberge war voll von Leuten von verdächtigem Aussehen. Sie schienen im Begriff zu sein, eine nächtliche Unternehmung zu versuchen. Ein in einen Mantel gehüllter Mensch erschien an der Thüre. Als er aber einen Fremden sah, machte er ein Zeichen mit der Hand und zwei Trinker gingen mit ihm hinaus, um sich mit ihm zu besprechen.

      D’Artagnan näherte sich auf eine ganz gleichgültige Weise der Herrin des Hauses, lobte ihren Wein, einen abscheulichen Krätzer von Montreuil, machte einige Fragen an sie über Noisy und erfuhr, daß es in diesem Dorfe nur zwei Häuser von großartigem Aussehen gebe; das eine gehöre dem Erzbischof von Paris und werde in diesem Augenblick von seiner Nichte, der Frau Herzogin von Longueville, bewohnt; das andere sei ein Jesuitenkloster und der Gewohnheit gemäß das Eigenthum dieser würdigen Väter. Man konnte sich also nicht täuschen.

      Um vier Uhr begab sich d’Artagnan wieder auf den Weg; er ließ sein Pferd nur noch im Schritte marschieren, denn er wollte erst, wenn es völlig Nacht geworden wäre, an Ort und Stelle kommen. Wenn man aber im Schritt reitet, an einem Wintertage, bei einem nebeligen Wetter, in einer Gegend, wo man keinen Unfall zu befürchten hat, so hat man kaum etwas Besseres zu thun, als das, was, wie Lafontaine sagt, der Hase in seinem Lager thut, nachzudenken. D’Artagnan dachte also nach und Planchet ebenfalls; nur waren ihre Träumereien, wie man sehen wird, verschiedener Natur.

      Ein Wort der Wirthin hatte den Gedanken von d’Artagnan eine besondere Richtung gegeben. Dieses Wort war der Name der Frau von Longueville.

      Frau von Longueville hatte in der That Alles, was zum Nachdenken veranlassen kann: es war eine der vornehmsten Damen des Königreichs, es war eine der schönsten Frauen des Hofes. An den alten Herzog von Longueville verheirathet, den sie nicht liebte, galt sie Anfangs für die Geliebte von Coligny, der sich in einem Zweikampfe auf der Place-Royale von dem Herzog von Guise für sie tödten ließ. Dann sprach man von einer etwas zu zärtlichen Freundschaft, welche sie für den Prinzen von Condé gehabt haben soll, worüber sich die furchtsamen Seelen des Hofes scandalisirten. Ferner sagte man auch, ein wahrer und aufrichtiger Haß sei auf diese Freundschaft gefolgt, und die Herzogin von Longueville stehe in diesem Augenblicke, wie man ebenfalls sagte, in einer politischen Verbindung mit dem Prinzen von Marsillac, dem ältesten Sohne des alten Herzogs de la Rochefaucoult, aus welchem sie einen Feind des Herrn Herzogs von Condé, ihres Bruders, zu machen bestrebt war.

      D’Artagnan dachte an alle diese Dinge. Er dachte daran, daß er im Louvre oft die schöne Frau von Longueville strahlend und blendend an sich hatte darüber gehen sehen. Er dachte an Aramis, der, ohne mehr zu