Александр Дюма

Zwanzig Jahre nachher


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ist nicht wie bei Euch, mein lieber Aramis, denn Ihr seid immer derselbe. Ihr habt immer noch Eure schönen schwarzen Haare, Eure zierliche Taille, Eure Frauenhände, welche bewunderungswürdige Prälatenhände geworden sind.«

      »Ja,« sagte Aramis, »das ist wahr, ich pflege mich sehr. Wißt Ihr, mein Lieber, daß ich mich alt mache. Ich bin bald siebenunddreißig Jahre.«

      »Hört, mein Lieber,« sagte d’Artagnan lächelnd, da wir uns hier wieder finden, so wollen wir über einen Punkt übereinkommen, nämlich über das Alter, das wir in Zukunft haben werden.«

      »Wie so?« versetzte Aramis.

      »Ja, früher war ich zwei bis drei Jahre jünger als Ihr, und ich irre mich nicht, ich habe vierzig Jahre wohlgezählt.«

      »Wirklich?« sagte Aramis, »dann irre ich mich, denn Ihr seid stets ein vortrefflicher Mathematiker gewesen, mein Lieber. Eurer Rechnung nach wäre ich also drei und vierzig. Teufel! Teufel! mein Lieber, sagt es nicht im Hotel Rambouillet, das würde mir schaden.«

      »Seid unbesorgt,« erwiderte d’Artagnan, »ich komme nicht dahin.«

      »Ei, ei!« rief Aramis, »was macht denn das Thier von einem Bazin. Bazin, beeilen wir uns. Wir werden wüthend vor Hunger und Durst.«

      Bazin, der in diesem Augenblicke eintrat, hob seine Hände, von denen jede mit einer Flasche beladen war, zum Himmel empor.

      »Endlich,« sagte Aramis, »sind wir einmal fertig?«

      »Ja, gnädiger Herr, sogleich,« sagte Bazin. »Aber ich brauchte Zeit, um alle diese …«

      »Weil Du immer glaubst, Du habest Deine Meßner-Simarre aus dem Rücken,« unterbrach ihn Aramis, »und weil Du Dein ganzes Leben damit hinbringst, Dein Brevier zu lesen. Aber ich sage Dir, daß ich, wenn Du dadurch, daß Du fortwährend die Gegenstände in den Capellen polirst, meinen Degen zu putzen verlernst, ein großes Feuer aus allen Deinen geweihten Bildern mache und Dich darauf rösten lasse.«

      Voll frommen Aergers machte Bazin das Zeichen des Kreuzes mit der Flasche, die er in der Hand hielt. Mehr als je erstaunt über den Ton und die Manieren des Abbé d’Herblay, welche so sehr mit denen des Musketiers Aramis contrastirten, blieb d’Artagnan mit aufgesperrten Augen seinem Freunde gegenüber.

      Bazin bedeckte rasch den Tisch mit einem Damasttuche und ordnete auf diesem Tuche so viele vergoldete parfümierte und leckere Dinge, daß d’Artagnan ganz verblüfft war.

      »Ihr wartet auf Jemand?« fragte der Offizier.

      »Ah, ich habe immer einigen Vorrath. Dann wußte ich auch, daß Ihr mich aufsuchen würdet.«

      »Von wem?«

      »Von Meister Bazin, der Euch für den Teufel hielt, mein Lieben und herbei lief, um mich von der Gefahr zu benachrichtigen, die meine Seele bedrohte, wenn ich so schlechte Gesellschaft, wie die eines Musketieroffiziers, sehen würde.«

      »Ach gnädiger Herr!« rief Basin die Hände gefaltet und mit flehender Miene.

      »Stille, keine Heuchelei, Du weißt, daß ich sie nicht liebe. Du wirst besser daran thun, ein Fenster zu öffnen und ein Brod, ein Huhn und eine Flasche Wein Deinem Freunde Planchet hinabzulassen, der sich seit einer Stunde zu Tode klatscht.«

      Planchet, welcher seinen Pferden Häckerling und Haber gegeben hatte, war wirklich unter das Fenster zurückgekehrt und hatte zwei oder dreimal das angegebene Zeichen wiederholt.

      Bazin gehorchte, band an das Ende eines Strickes die drei genannten Gegenstände und ließ sie Planchet hinab, der ganz zufrieden damit sich unter seinen Schuppen zurückzog.

      »Nun wollen wir zu Nacht speisen,« sagte Aramis.

      Die zwei Freunde setzten sich zu Tische und Aramis fing an, mit völlig gastronomischer Geschicklichkeit junge Feldhühner und Schinken zu zerlegen.

      »Teufel,« sagte d’Artagnan, »wie Ihr Euch füttert?«

      »Ja, ziemlich gut. Ich habe für die Fasttage Dispens von Rom, die mir der Herr Coadjutor meiner Gesundheit wegen verschafft hat. Dann habe ich zum Koch den Exkoch von Lasolonne genommen, Ihr wißt, von dem ehemaligen Freunde des Cardinals, dem berühmten Gourmand, der statt jedes Gebetes nach seinem Mittagsmahle sagte; »»Mein Gott, habe die Gnade, gut zu verdauen, was ich so gut gegessen habe.««

      »Was ihn indessen nicht abhielt, an einer Unverdaulichkeit zu sterben.«

      »Was wollt Ihr?« versetzte Aramis mit ergebener Miene, »man kann seinem Geschicke nicht entfliehen.«

      »Mein Lieber, vergebt die Frage, die ich lau Euch machen will,« versetzte d’Artagnan.

      »Macht sie immerhin, Ihr wißt, unter Freunden gibt es keine Indiscretion.«

      »Ihr seid also reich geworden?«

      »Oh! mein Gott, nein; ich mache mir ein Dutzend tausend Livres jährlich, abgesehen von einer kleinen Rente, von tausend Thalern, die mir der Herr Prinz hat zukommen lassen.«

      »Und womit macht Ihr Euch diese 12,000 Livres?« sagte d’Artagnan. »Mit Euern Gedichten?«

      »Nein, ich habe auf die Poesie Verzicht geleistet, wenn ich nicht zuweilen einige Trinklieder, einige galante Sonette oder ein unschuldiges Epigramm dichte. Ich mache Reden, mein Lieber.«

      »Wie, Reden?«

      »Ja, aber vortreffliche Reden, wenigstens scheint es so.«

      »Die ihr predigt?«

      »Nein, die ich verkaufe.«

      »An wen?«

      »An diejenigen von meinen Collegen, welche durchaus große Redner sein wollen.«

      »Wirklich! Und Ihr habt nicht nach diesem Ruhme gestrebt?«

      »Allerdings, mein Lieber. Aber die Natur hat den Sieg davon getragen. Wenn ich auf der Kanzel stehe, und es schaut mich zufällig eine Frau an, so schaue ich sie auch an, wenn sie lächelt, lächle ich auch. Dann fange ich an zu fabeln. Statt von des Qualen der Hölle zu sprechen, spreche ich von den Freuden des Paradieses. Dies ist mir eines Tages in der Kirche Saint Louis im Marais begegnet. Ein Cavalier lachte mir in das Gesicht, ich unterbrach mich,um ihm zu sagen, er wäre ein alberner Tropf. Das Volk ging hinaus, um Steine zusammen zu raffen; aber während dieser Zeit wandte ich den Geist der Anwesenden so gut um, daß sie ihn steinigten. Allerdings fand er sich am andern Tage bei mir ein; er glaubte, er hatte es mit einem Abbé zu thun, wie alle andern Abbés sind.«

      »Und was war der Erfolg seines Besuches?« sprach d’Artagnan, sich vor Lachen die Hüften haltend.

      »Der Erfolg war, daß wir uns den andern Tag auf der Place-Royale zusammen bestellten. Bei Gott, Ihr wißt davon.«

      »Sollte ich zufällig gegen diesen Unverschämten Euch als Secundant gedient haben?« fragte d’Artagnan.

      »Allerdings, Ihr wißt, wie ich ihn zurichtete.«

      »Ist er gestorben?«

      »Ich weiß es nicht, aber ich habe ihm die Absolution in articulo mortis gegeben. Es ist hinreichend, den Körper zu tödten, ohne die Seele zu tödten.«

      Bazin machte ein Zeichen der Verzweiflung, welches wohl sagen wollte: er billige vielleicht diese Moral, er mißbillige aber sehr den Ton, mit dem sie ausgesprochen werde.

      »Bazin, mein Freund, Du bemerkst nicht, daß ich Dich in diesem Spiegel sehe, und daß ich Dir ein für allemal jedes Zeichen der Billigung oder der Mißbilligung untersagt habe. Du wirst mir also das Vergnügen machen uns spanischen Wein zu serviren und Dich zurückzuziehen denn mein Freund d’Artagnan hat mir etwas Geheimes mitzutheilen; nicht wahr, d’Artagnan?«

      D’Artagnan machte mit dem Kopfe ein bejahendes Zeichen, und Bazin zog sich zurück, nachdem er den spanischen Wem aus den Tisch gestellt hatte.

      Als die zwei Freunde allein waren, blieben sie einen Augenblick stillschweigend einander gegenüber. Aramis schien eine süße Verdauung zu erwarten. D’Artagnan dachte über einen Eingang nach. Jeder von ihnen wagte einen verstohlenen Blick, wenn der Andere ihn nicht anschaute.

      Aramis