Александр Дюма

Zwanzig Jahre nachher


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denkt Ihr, d’Artagnan,« sagte Aramis, »und welcher Gedanke macht Euch lächeln?«

      »Ich denke, mein Lieber, daß Ihr Euch, so lange Ihr Musketier waret, stets dem Abbé zuwandtet, und jetzt, da Ihr Abbé seid, Euch bedeutend dem Musketier zuzuwenden scheint.«

      »Das ist wahr,« sagte Aramis lachend. »Der Mensch, wie Ihr wißt, ist ein seltsames Thier und besteht ganz aus Contrasten. Seitdem ich Abbé bin, denke ich nur an Schlachten.«

      »Das sieht man an der Ausstattung Eurer Wohnung. Ihr habt Raufdegen von allen Arten und für jeden Geschmack. Fechtet Ihr immer noch gut?«

      »Ich fechte wie Ihr einst fochtet, und besser vielleicht noch, denn dies ist meine Beschäftigung den ganzen Tag hindurch.«

      »Mit wem?«

      »Mit einem vortrefflichen Fechtmeister, den wir hier haben.«

      »Wie, hier?«

      »Ja, hier in diesem Kloster, mein Lieber. Es gibt von Allem in einem Jesuitenkloster.«

      »Ihr hättet also Herrn von Marsillac getödtet, wenn er Euch allein angegriffen haben würde, statt an der Spitze von zwanzig Mann zu kommen?«

      »Ganz gewiß,« sagte Aramis . »und selbst an der Spitze von zwanzig Mann, wenn ich hätte vom Leder ziehen können, ohne erkannt zu werden.«

      »Gott vergebe mir, ich glaube, er ist noch mehr Gascogner geworden, als ich,« sagte d’Artagnan ganz leise, und er fügte dann laut bei:

      »Nun, mein lieber Aramis, Ihr fragtet mich, warum ich Euch ausgesucht habe?«

      »Nein, mein Lieber, ich fragte Euch nicht, sondern ich erwartete, daß Ihr es mir sagen würdet.«

      »Wohl, ich suchte Euch auf, um Euch ganz einfach ein Mittel zu bieten, Herrn von Marsillac zu tödten, wenn es Euch Vergnügen macht, obgleich er ein Prinz ist.«

      »Halt, halt, halt!« sagte Aramis, »das ist ein Gedanke.«

      »Den ich Euch zu benützen einlade, mein Lieber. Laßt hören, seid Ihr bei Eurer Pfründe von tausend Thalern und bei den zwölf tausend Livres, die Ihr Euch macht, reich? Sprecht offenherzig.«

      »Ich bin arm, wie Hiob, und wenn Ihr alle Taschen und Koffer durchwühlt, werdet Ihr, wie ich glaube, keine hundert Pistolen hier finden.«

      »Pest! hundert Pistolen!« sagte d’Artagnan ganz leise zu sich selbst.

      »Er nennt das arm, wie Hiob. Ich würde mich für so reich halten, wie Crösus, wenn ich sie immer vor mir hätte.« Dann ganz laut:

      »Seid Ihr ehrgeizig?«

      »Wie Encelade.«

      »Nun wohl, mein Freund, ich bringe Euch etwas, wodurch Ihr reich, mächtig werden, und Euch die Freiheit verschaffen könnt, Alles zu thun, was Ihr wollt.«

      Der Schatten einer Wolke zog über die Stirne von Aramis hin, so rasch, wie die Wolke, welche im August über die Getreidefelder schwebt; aber so rasch, sie auch war, so entging sie doch d’Artagnan nicht.

      »Sprecht,« sagte Aramis.

      »Vorhin noch eine Frage. Beschäftigt Ihr Euch mit Politik?«

      Ein Blitz zuckte aus den Augen von Aramis, rasch, wie der Schatten, der über seine Stirne gezogen war, aber nicht so rasch, daß es d’Artagnan nicht gesehen hätte.

      »Nein,« antwortete Aramis.

      »Dann werden Euch alle Vorschläge genehm sein, da Ihr für den Augenblick keinen andern Herrn habt, als Gott,« sagte lachend der Gascogner.

      »Das ist möglich.«

      »Mein lieber Aramis, habt Ihr zuweilen an die schönen Tage unserer Jugend gedacht, die wir lachend, trinkend und uns schlagend zubrachten?«

      »Ja, gewiß, ich habe sie mehr als einmal bedauert. Es war eine glückliche Zeit. Delectabile tempus

      »Ei, mein Lieber, diese schönen Tage können wieder kommen, diese glückliche Zeit kann zurückkehren. Ich habe den Auftrag erhalten, meine Kameraden aufzusuchen, und fing bei Euch an, der Ihr die Seele unserer Verbindung waret.«

      Aramis verbeugte sich mehr höflich, als liebevoll.

      »Ich soll mich wieder in die Politik machen?« sprach er mit erlöschender Stimme und sich in seinem Stuhle zurückbiegend. »Ah, lieber d’Artagnan, seht doch, wie ich regelmäßig und bequem lebe. Wir haben Undankbarkeit von den Großen erfahren, wie Ihr wißt.«

      »Das ist wahr,« erwiderte d’Artagnan; vielleicht bereuen die Großen ihren Undank.«

      »Ja diesem Falle wäre es etwas Anderes, sprach Aramis. »Barmherzigkeit jedem Sünder. Ueberdies habt Ihr in einem Punkte Recht, wenn uns die Lust erfaßte, uns in die Staatsangelegenheiten zu mischen, so wäre, glaube ich, der rechte Augenblick gekommen.«

      »Woher wißt Ihr dies, Ihr, der Ihr Euch nicht mit Politik beschäftigt?«

      »Ei, mein Gott, ohne mich persönlich mit der Politik zu beschäftigen, lebe ich doch in einer Welt, in der man sich damit abgibt. Während ich die Poesie pflegte, während ich Liebesgeschichten unterhielt, verband ich mich mit Herrn Sarrasin, der Herrn von Conti gehört, und Herrn Vouture, der ein getreuer Anhänger des Coadjutors ist, und mit Herrn Bois-Robert, welcher, seitdem er nicht mehr im Dienste des Cardinal von Richelieu steht, Niemand oder Jedermann gehört, wie Ihr wollt. So ist mir die politische Bewegung nicht ganz entgangen.«

      »Ich vermuthete es wohl,« sagte d’Artagnan.

      »Uebrigens, mein Lieber, nehmt das, was ich Euch sage, nur für Worte eines Klosterpfaffen, eines Manne, der wie ein Echo spricht, und ganz einfach das wiederholt, was er sagen gehört hat,« versetzte Aramis. »Ich habe nämlich gehört, der Cardinal Mazarin wäre in diesem Augenblick sehr unruhig über den Gang der Dinge. Es scheint, man hat für seine Befehle nicht alle Achtung, die man einst für die unserer seligen Vogelscheuche hatte, von der Ihr hier das Porträt seht; denn was man auch sagen mag, mein Lieber, man muß gestehen, Richelieu war ein großer Mann.«

      »Ich widerspreche Euch in dieser Hinsicht nicht,« versetzte d’Artagnan, »er hat mich zum Lieutenant gemacht.«

      »Meine erste Meinung war ganz für den Cardinal gewesen; ich hatte mir gesagt, ein Minister sei nie geliebt, aber mit dem Genie, das man diesem zugesteht, müsse er am Ende über seine Feinde triumphieren und sich gefürchtet machen, was vielleicht noch mehr werth ist, als sich geliebt zu machen.«

      D’Artagnan machte ein Zeichen mit dem Kopf, was wohl sagen mochte, er billige ganz diese zweifelhafte Maxime.«

      »Dies war also meine erste Meinung,« fuhr Aramis fort. »Da ich aber völlig in diesen Dingen unwissend bin, und da die Demuth, welche ich als mein Gewerbe treibe, mir es zum Gesetz macht, mich nicht aus mein eigenes Urtheil zu verlassen, so habe ich mich unterrichtet. Nun mein lieber Freund …«

      Aramis machte eine Pause.

      »Was nun?« fragte d’Artagnan.

      »Nun wohl,« versetzte Aramis, »ich muß meinen Stolz beugen, ich muß gestehen, daß ich mich täuschte.«

      »Wirklich?«

      »Ja, ich habe mich unterrichtet, wie ich Euch sagte, und mehrere Personen von verschiedenartigem Geschmack und Ehrgeiz antworteten mir, Herr von Mazarin sei kein Mann von Genie, wie ich es glaubte.«

      »Bah!« rief d’Artagnan.

      »Nein, es ist ein Mann von Nichts, der Bedienter des Cardinal Bentivoglio war und sich durch die Intrigue hervorgearbeitet hat, ein Emporkömmling, ein Mann ohne Namen, welcher in Frankreich nur einen Parteigängerweg machen wird. Er wird viele Thaler aufhäufen, die Einkünfte des Königs verschleudern, sich selbst alle Pensionen bezahlen, welche der verstorbene Cardinal Richelieu an alle Welt bezahlte; aber nie durch das Recht des Stärksten, des Größten, oder des Geehrtesten herrschen. Es scheint überdies, dieser Minister ist nicht Edelmann von Manier und von Herz; er ist eine Art von Bouffon, von Pulcinell, von Pantalon. Kennt Ihr ihn? ich kenne ihn nicht.«

      »Gewiß,« sprach d’Artagnan,