Artur Landsberger

Frau Dirne


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unter der Rubrik: Wohlfahrtsverein.«

      »Und wir,« sagte Wolfgang v. Erdt, »bilden den Ehrenausschuß.«

      Das entsprach ganz den Intentionen Frau Inas.

      »Fehlt nur noch die Anstalt selbst,« sagte Frau Olga.

      »Natürlich dürfen wir keine neue gründen, sondern müssen eine bestehende übernehmen,« meinte Frau Ina, »da wir uns sonst mit unseren eigenen Waffen schlagen.«

      »Aber das ist doch klar,« stimmte Mathilde Brückner zu.

      »Ich glaube, einen solchen Ehrenausschuß wird sich gern jedes Institut dieser Art gefallen lassen,« sagte Wolfgang v. Erdt. »Es ist entschieden etwas Neues.«

      »Und wird,« erwiderte die Baronin, »Sie werden sehen, sehr bald Nachahmung finden. Die Wohltätigkeit sucht längst ein neues Feld der Betätigung. Säuglings-, Armen-, Alters- und Genesungsheime haben abgewirtschaftet und ziehen nicht mehr. Die Leute, die ihr Geld für solche Dinge hinauswerfen, wollen auch einmal Abwechslung haben.«

      »Wirken wir außerdem also bahnbrechend,« sagte Frau Olga, die sich aus Gründen, die selbst Frau Ina nicht verriet, immer mehr für das Projekt erwärmte.

      »Und die Auswahl,« versicherte Frau Ina, »können wir getrost meinem Manne überlassen.«

      »Mir?« fragte der und sah ganz entgeistert seine Frau an.

      »Ja, dir!« wiederholte die nur um so bestimmter.

      »Ich bin, so lange ich lebe, nicht ein einziges Mal . . .«

      »Laß nur!« fiel sie ihm ins Wort und wandte sich wieder an die Anderen. »Wir können uns auf ihn verlassen. Und ich hoffe, Ihnen sehr bald mitteilen zu können, daß die Voraussetzungen erfüllt sind.

      Ihr Mann, der völlig ahnungslos war, wagte nicht mehr, zu widersprechen. Alle sahen ihn an und dachten: das hätten wir ihm garnicht zugetraut. Aber der Blick der Baronin, an die sie sich fragend wandten, sagte: ach! wenn Sie wüßten! er ist noch viel schlimmer.

      Jetzt nahm die Baronin wahr, daß Nellys Augen voller Tränen standen.

      »Oh!« sagte sie teilnahmsvoll. »Haben unsere Reden Sie gekränkt? – Nun ja, mein Kind, Sie sind noch zu jung, um den Kern der Sache, der durchaus moralisch ist, zu erfassen. Sie stößt das Äußere ab. Verschönen sie es, in dem Sie es auf ein höheres Niveau heben. Tragen Sie die Kunst hinein, die alles veredelt. Sorgen Sie dafür, daß diese moralische Anstalt zugleich ein Muster des guten Geschmacks wird. Betätigen Sie sich auf diese Weise. Sie werden der Sache damit einen großen Dienst erweisen. Erlaubt ist, was gefällt. Beweisen Sie, daß der Aufenthalt in einem Bordell unter Umständen stärkere ästhetische Wirkung ausübt als der Aufenthalt in einer Kirche mit schlechtem Meßgerät.«

      Nelly biß die Lippen aufeinander und erwiderte kein Wort. Frau Olga war aufgestanden und legte den Arm um sie:

      »Sie sind vom Leben noch unberührt.«

      Das wäre verständlich gewesen, wenn sie statt: vom Leben: gesagt hätte: vom Manne: Denn das meinte sie.

      Auch die Anderen erhoben sich. Frau Olga rief dem Papagei, der in tiefen Gedanken auf einer Truhe saß, einen inartikulierten Laut zu, auf den hin er sich auf den von Max Herzog bereit gehaltenen silbernen Stab setzte und schrill rief:

      »Schlagt den Juden tot!«

      Wolfgang v. Erdt hatte, was nur Nelly sah, tiefe Falten in der Stirn und steckte sich, ehe er ging, noch eine Zigarre an. Mathilde Brückner seufzte, als sie der Baronin die Hand reichte und sagte:

      »Die Ärmsten! selbst wenn wir ihnen helfen können, was besagt es schon. Es wird im besten Falle doch nur ein Tropfen auf einen hohlen Stein sein.«

      »Jeder muß tun, was in seiner Macht steht,« erwiderte die Baronin, und Frau Ina setzte eine feierliche Miene auf und sagte:

      »Vor allem sollen wir Gutes tun um des Guten willen. Dann trägt es auch Früchte.«

      »Wie gut Sie sind!« sagte Mathilde gerührt und drückte ihr innig die Hand. –

      Der Rittmeister begleitete die Gäste hinaus.

      Als sie draußen waren, sahen die Baronin und Frau Ina sich an und lachten.

      »Hätte ich, um mich zu halten, ein stubenreines Pensionat für alte Jungfern oder junge Mädchen errichtet,« sagte Frau Ina, »so wäre ich deklassiert und gesellschaftlich erledigt; nun, wo ich ein Bordell eröffne, wird man mich bewundern und sich um mich reißen.«

      »Wenn es allen so eingeht, wie ihnen,« erwiderte die Baronin und wies auf den Flur, in dem noch immer die Gäste standen und sich unterhielten.

      »Das laß meine Sorge sein. Worauf es jetzt ankommt, ist, daß es mir gelingt, diesem Katz das Geschäft zu entreißen.

      Die Baronin erschrak.

      »Du willst doch nicht etwa . . .?«

      »Doch, Mama! – Dieser Katz kompromittiert das ganze Unternehmen. – Und dann: was hat es für einen Sinn, zu teilen, nun, wo wir nichts mehr zu verbergen haben.«

      Der Rittmeister kam in den Salon zurück. Er schien erregt, wenigstens, soweit er dazu imstande war.

      »Willst du mir nun erklären, Ina, was alles das bedeutet?« fragte er weniger zaghaft als sonst.

      Frau Ina schüttelte den Kopf und sagte:

      »Nein! – Wozu? Du würdest es doch nicht verstehen.«

      »Aber du sagtest doch, daß ich die Auswahl treffen soll.«

      »Das fehlte noch!« mischte sich die Baronin in das Gespräch.

      Frau Ina gab ihm einen Klaps auf die Backe und sagte: »Nein! du wirst an die Kette gelegt; verstehst du? als Wachhund. Und dann auch aus Vorsicht – damit du nicht etwa auf dumme Gedanken kommst.

      Das heißt: einmal, da mache ich dich vielleicht los und gebe dir freie Fahrt. Aber sei vorsichtig, mein Junge! daß ich dich nicht ertappe. Auf Ehebruch steht Scheidung.«

      Strahlend sah der Rittmeister zu ihr auf:

      »Ich schwöre . .« begann er und erhob die Hand.

      »Ich weiß! ich weiß!« wehrte sie ab. »Und vorläufig kann auch noch keine Rede davon sein.«

      Er griff nach ihrer Hand; sie zog sie zurück.

      »Darf ich heute zu dir kommen?« fragte er zaghaft.

      »Wie abgeschmackt,« sagte die Baronin, die am Fenster stand und den Gästen nachsah. »In meiner Gegenwart!«

      »Ich bin leider nie allein mit Ina,« gab er zur Antwort.

      »Soll das ein Vorwurf sein?« fragte die Baronin, und Ina schalt ihn:

      »Du beleidigst Mama!«

      Er trat auf die Baronin zu, küßte ihr die Hand und bat um Entschuldigung. Dann sagte er gute Nacht. An der Tür blieb er stehen.

      »Worauf wartest du?« fragte Frau Ina.

      »Ina!« bettelte er.

      »Quäl' mich nicht!« gab sie zur Antwort.

      »Gestern waren es drei ein halb Jahre, daß wir zum letzten Male . . .«

      Ina trampfte mit dem Fuß auf.

      »Schweig!« befahl sie ihm.

      »Tyrann!« schalt die Baronin.

      Er wandte den Kopf, sagte:

      »Verzeih!« und ging.

* * *

      Am Gartentor der Villa trennten sich die Gäste.

      Frau Mathilde Brückner hing am Arm ihres Mannes.

      »Diese Frau Ina hat Gemüt und Geist,« sagte sie. »Das findet man selten bei einander.«

      »Schweig' Mama!« forderte Nelly mit Tränen in der Stimme. »Es ist Nordwind.« – Und sie klappte den Kragen ihrer Mutter hoch.

      »Gutes Kind!« dachte Mathilde, aber Nelly's Gedanken waren bei