der zum mindesten nicht alltäglichen Unterhaltung klug, angebracht und schicklich. Aber weshalb sie auch jetzt noch schluchzte, wo sie unter sich waren, begriff er nicht. Ihm brauchte sie doch nichts vorzumachen. Und daß sie sich für die Mutter bemühte, war höchst unwahrscheinlich.
»Was hast du denn?« fuhr er sie an, da sie sich gar nicht beruhigte.
»Furcht, daß du dich verplemperst!« stieß sie wie befreit hervor.
»Laß nur!« beruhigte er sie und legte den freien Arm um ihre Taille. »Ich weiß schon, was ich tu.«
»Was denn?« fragte sie zaghaft.
»Ich mache uns unabhängig.«
»Wen?« fragte sie und sah zu ihm auf.
Er gab keine Antwort, drückte sie an sich; sie verstand ihn.
»Liebster!« las er von ihren Lippen.
»Bemüh dich nicht, Wolf«, wollte Mathilde sagen. »Für uns sorge ich.«
Aber des Nordwinds wegen schwieg sie.
»Halt die Stange gerade!« befahl Frau Olga ihrem Manne nicht eben freundlich, als sie die Allee, die der Mertens'schen Villa gegenüberlag, entlang gingen. Und der Papagei kreischte wie immer, wenn Olga ihren Mann schalt:
»Schlagt den Juden tot!«
Max Herzog führte den Befehl aus.
Sie gingen schweigend nebeneinander her, aber in Beiden lebte noch die Erregung über die Vorgänge in der Mertens'schen Villa. Nach einer Weile sagte Frau Olga:
»Ich hatte schon lange das Gefühl: bei den Leuten stimmt was nicht. Wenn sie mit dem Grafen durchgegangen oder sonst auf rätselhafte Weise verschwunden wäre – nichts hätte mich überrascht. Aber diese Bordellgeschichte geht mir nicht ein.«
»Glaubst du wirklich,« fragte Max Herzog, »daß dieser Mertens Verbindungen zu anrüchigen Häusern hat?«
»Esel!« schalt ihn Frau Olga, und der Papagei kreischte in den Park hinein:
»Schlagt den Juden tot!«
»Ich habe geglaubt, er ist seiner Frau treu?«
»Ist er auch!« bestätigte Frau Olga. »Du kannst dich darauf verlassen, daß er so wenig Ahnung von einem Bordell hat wie du.«
»Ja, wenn er doch aber eins ausfindig machen soll.«
Nur mit Rücksicht auf den Papagei, der mit schiefem Kopf dem Gespräch folgte, unterdrückte Frau Olga diesmal das Wort »Esel«, das ihr auf den Lippen lag. Statt dessen hängte sie sich in den Arm ihres Mannes und sagte:
»Schäfchen,« was für den Papagei keinen Anlaß gab, sich zu echauffieren. »Das Bordell, das sie uns aufgeredet hat, ist längst da. Niemand braucht es zu suchen.«
»Ja, was will sie damit?«
»Das wüßte ich auch gern.«
»Und du hast allen Ernstes die Absicht, da mitzutun?«
»Stört es dich?« fragte sie gereizt.
»Du wirst schon wissen, was du tust.«
»Verlaß dich drauf, das weiß ich. Und wenn es keinen anderen Zweck hat, als deine Brüder zu kompromittieren, dann hat es sich auch gelohnt. Jeder, der unseren Namen hört, fragt: Sind Sie verwandt mit dem Bankhaus Herzog? – Was meinst du, wenn das Bordell Herzog internationale Berühmtheit erlangt und man denkt beim Nennen unseres Namens nicht mehr an das Bankhaus, sondern an das Bordell Herzog, wie das mit einem Schlage das gesellschaftliche Niveau deiner Brüder drückt.«
»Sie werden es leugnen.«
»Aber wir werden für Verbreitung sorgen.«
»Sie werden uns die Rente entziehen.«
»Wir werden uns das Zehnfache damit verdienen. Und wenn ich es geschickt anstelle, dann werde ich mir mit Hilfe dieses Bordells meine gesellschaftliche Position zurückerobern.«
»Aber ein Bordell ist doch etwas Anrüchiges.«
Auf eine Bewegung Frau Olgas hin kreischte der Papagei:
»Quatsch nicht.«
»Das Tier ist klüger als du,« sagte sie und hing, während er nur daran dachte, daß er den Stab gerade hielt, ihren Gedanken nach.
»Nett benommen hast du dich wieder,« sagte Doktor Rießer auf dem Heimwege zu seiner Frau.
»Deine Schuld,« erwiderte die.
»Die Geilheit sprang dir nur so aus den Augen.«
»Deine Schuld.«
»Glaubst du, die Frauen haben es nicht bemerkt?«
Mir höchst gleichgültig.«
»Was hälst du von dem Gedanken?«
»Welchem?«
»Na, der heute Nachmittag so ausgiebig ventiliert wurde – verrückt was?«
»Was ist nicht verrückt?«
»Da hast du recht.«
»Glaubst du, daß daraus etwas wird?«
»Ich hoffe es.«
»Warum?«
»Aus dem gleichen Grunde wie du.«
»Du meinst . . .?«
»Natürlich!«
»Das wäre ja unter Umständen dann eine Lösung.«
»Erlösung!« verbesserte Mira.
»Wir würden dann gewiß besser miteinander leben.«
»Wenn du dort findest, was du brauchst.«
»Dafür könnte man sorgen.«
»Das nehme ich an.«
»Und du?«
»Ich ebenfalls.«
»Ohne dich und mich zu kompromittieren.«
»Ich hoffe.«
»Wir würden dann endlich einmal zur Ruhe kommen.«
»Zeit ist es.«
»Daß wir nie von selbst auf den Gedanken kamen.«
»Sonderbar!«
»Heute zum Beispiel – an einem Abend wie diesem. . .« Er faßte sie unter den Arm. »Wo wir uns in allem Anderen doch so gut verstehen; und du eine so kluge Frau bist.«
»Wenn wir erst älter sind, fällt alles das ja von selbst fort.«
»Dann wird nichts Trennendes mehr zwischen uns stehn.«
»Ich freu' mich drauf.«
»Komm', trinken wir eine Flasche Pommery!«
Sie gingen in das nächste Restaurant, tranken erst eine, dann eine zweite Flasche; und als er ihr zwei Stunden später in den Mantel half, sagte sie:
»Einen so netten Abend haben wir schon lange nicht mehr miteinander verlebt.«
»Das wird nun bald immer so sein,« erwiderte er.
Der Professor stülpte sich den Hut schief auf den Kopf, schob den Stock mit der Elfenbeinkrücke unter den Arm und ging in vergnügtester Stimmung auf einem Umweg seinem Hause zu.
Er liebte diese Art von Besuchen, nach denen er seine Freiheit um so wohltuender empfand. Und vor sich hin summte er:
Seu maestus omni tempore vixeris
Seu te in remoto gramine per dies
Festos reclinatum bearis
Interiore nota Falerni.
Zweites Kapitel
Die Neuf d'or
Schon am nächsten Morgen rief Katz bei Frau Ina an und fragte, wann er mit dem Verkäufer, »um den Kaufvertrag zu fertigen«, mit herankommen könne.
»Ja,