Artur Landsberger

Frau Dirne


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Ina übersah es und gab durch einen Blick, auf den hin Frau Löschner ein paar Schritte zurücktrat, zu verstehen, daß es mit Absicht geschah. Den Rittmeister berührte das peinlich.

      »Sie haben sich sehr dumm benommen vorhin«, fuhr sie die Alte an. »Es fehlte nur noch, daß Sie unsern Namen auf die Gasse schrien.«

      »Verzeihung«, flötete Frau Löschner, und ihr Mann, der eben mit einer Verbeugung ins Zimmer trat, machte gar nicht erst den Versuch, den Rücken wieder aufzurichten.

      »Ich dachte,« fuhr Frau Ina fort, »daß Diskretion und Takt gerade in Ihrem Gewerbe notwendige Eigenschaften sind.«

      »Sie können sich darauf verlassen – es war nur in der Erregung . . .«, stammelte die Alte.

      »Was hast du angestellt?« fragte Löschner und sah nicht eben freundlich seine Frau an.

      »Spiel' dich nicht auf«, fuhr die ihn an.

      Der Rittmeister sah den Alten teilnahmsvoll an und dachte: wie bei uns.

      »Bitte, in unserer Gegenwart keine Familienszenen«, forderte Frau Ina. »Das können Sie nachher abmachen. Wo ist Katz?«

      Das Ehepaar Löschner sah sich verdutzt an. So sprach die von dem Manne, der auf sie einen so gewaltigen Eindruck machte, der mit Hunderttausenden herumwarf und nach überall hin die besten Beziehungen unterhielt. Nicht einmal »Herr« sagte sie, wenn sie von ihm sprach.

      »Herr Katz wollte . . .« sagte Frau Löschner.

      »Um zwei hier sein«, fiel sie ihr ins Wort. »Er hatte von mir eine Vollmacht zum Ankauf dieses Unternehmens.«

      »Ich weiß«, sagten beide und verbeugten sich.

      »Sind Sie die rechtmäßigen Besitzer?«

      Sie bejahten.

      »Ist der Kaufakt aufgesetzt?«

      Der Alte ging zu einem Tisch, schloß einen Schub auf und entnahm ihm ein Kuvert.

      »Es ist alles vorbereitet.«

      »Setz dich, Mama«, sagte Frau Ina zu der Baronin. Der Rittmeister schob ein paar Sessel heran. Dann ließ sich Ina das Kuvert geben und las den Vertrag. Sie tat, als wüßte sie längst, was darin stand.

      »So war es mit diesem Katz besprochen«, sagte sie. »Das Haus gehört dem Unternehmer Schulz und ich trete in Ihren Vertrag, der noch fünf Jahre reicht, ein. Als Abstand zahle ich Ihnen zweimalhunderttausend Mark. – Was Katz da weiter mit Ihnen vereinbart hat hinsichtlich der Einrichtung, des Fundus und der Toiletten, die Sie mir leihweise überlassen wollten, paßt mir nicht.« – Sie sah sich im Zimmer um. »Dies minderwertige Zeug – und ich nehme an, daß die übrigen Räume und die Toiletten Ihrer Damen ebenso kitschig sind – muß heute noch aus dem Hause, Sie können damit ja irgendwo eine neue Giftbude errichten.«

      »Ja, aber . . . es war doch . . . vereinbart«, sagte Löschner ganz entsetzt.

      »Vereinbart war nichts, sondern nur besprochen.«

      »Erlauben Sie!« widersprach die Alte, die, wenn sie auch noch nicht wieder sie selbst war, so doch begann, wieder Boden unter den Füßen zu spüren.

      »Nein!« schnitt ihr Frau Ina das Wort ab. »Von diesem Leihvertrag kann gar keine Rede sein.«

      »Unter diesen Umständen müßten wir uns doch noch mal überlegen . . .«

      »Halt!« rief Frau Ina »Sie fordern als Leihgebühr jährlich zehntausend Mark. Sie sollen die Hälfte haben. Aber Bedingung ist, daß der Kram bis sechs Uhr nachmittags aus dem Hause ist.«

      »Sie wollen bezahlen, ohne es zu benutzen?« fragte die Alte und glaubte, falsch verstanden zu haben.

      »Es nicht benutzen zu müssen ist das Dreifache wert«, erwiderte die Baronin und lachte.

      »Sie haben die Möglichkeit, Ihre Sachen unterzubringen?« fragte Frau Ina.

      »Aber gewiß! Wir haben ja ein neues Haus.«

      »Gut! – das geht mich nichts an. – Haben Sie Telephon?« »Selbstredend! Wir haben ja so viel Bestellungen. Das Geschäft geht . . .«

      »Interessiert mich nicht. – Wieviel Räume haben Sie hier?«

      »Vierundzwanzig«, erwiderte die Alte. »Wenn ich sie Ihnen zeigen darf.«

      »Danke! – Vielleicht haben Sie einen Plan.«

      Der Alte holte aus der Kommode den Plan und breitete ihn vor Frau Ina aus.

      »Erläutern Sie!« befahl sie und zündete sich eine neue Zigarette an. Der alte Löschner, unterstützt von seiner Frau, beschrieb:

      »Dies ist der Flur, dies der Vorraum, mit Kasse, in dem meine Frau empfängt; diese drei die Gesellschaftsräume, hier ein Salon für Privatgesellschaften, die kleine Kammer mit zwei Ruhebetten gehört dazu; auch der Raum hier.«

      »Vermutlich ein Bad.«

      »Nein. Wir haben ihn in kleine Kojen geteilt. Mit Öffnungen in der Wand. Viele Herren, besonders ältere, lieben es . . .«

      »Ich weiß!« schnitt sie ihm die Rede ab und wies auf den Plan: »Was ist das?«

      »Unsere Wohnräume und die Wirtschaftsräume. Hier in der ersten Etage wohnen die Mädchen.«

      »Wieviel Zimmer liegen hier?«

      »Sechzehn.«

      »Bäder?«

      »Zwei.«

      »Sehr minderwertig.«

      »Unsere Mädchen baden täglich.«

      »Interessiert mich nicht. – Deine Füllfeder!« wandte sie sich an ihren Mann, schob den Plan beiseite und änderte den Vertrag. »Ich zahle morgen fünfzigtausend Mark an, das Übrige in monatlichen Raten von zwanzigtausend Mark. Einverstanden?«

      Löschners stimmten zu.

      Ina unterschrieb, schob ihnen das Papier hin und sagte:

      »Unterschreiben Sie!«

      Die Alte stieß ihren Mann an; der setzte seinen Namen unter den Vertrag.

      »Sie auch«, wandte sich Ina an Frau Löschner.

      Die zögerte und sagte:

      »Mir fällt das Schreiben schwer.«

      Ina stand auf, nahm das Papier und sagte:

      »Also zerreißen wir den Vertrag.«

      Beide stürmten auf sie ein:

      »Nein! nein! ich unterschreibe!«

      Ina hielt ihr den Bogen hin, wies mit der Hand auf die Stelle, an die die Unterschrift gehörte, und sagte:

      »Und recht deutlich, nicht wahr?« Frau Löschner schrieb ihren Namen. – »Sehen Sie nur, was für eine schöne Handschrift Sie haben!«

      Anton mit dem Kaiser-Wilhelmsbart trat ins Zimmer und meldete Herrn Katz.

      »Ah!« sagten Löschners und wandten sich zur Tür.

      »Sehr spät, Herr Katz,«' sagte Frau Ina, »und wenig höflich, wenn man mit Damen verabredet ist.«

      »Ich hatte eine dringende Abhaltung.«

      »Darf man wissen?«

      »Ein Mißverständnis. Ein Telephongespräch, auf das hin ich dringend zu einem Agenten nach Westend fuhr. Draußen stellte sich heraus, daß es ein Irrtum war. Es war wohl eine falsche Verbindung; außerdem muß ich den Namen falsch verstanden haben.«

      »Pech!« sagte Frau Ina, und wer genau hinsah, bemerkte einen spöttischen Zug um ihren Mund, von dem ein Argwöhnischer vielleicht abgelesen hätte, daß zwischen ihr und dem Telephongespräch irgendein Zusammenhang bestand. »Wirklich schade!« sagte sie. »Sie haben hier viel versäumt.«

      »Haben Sie etwa . . .?«

      »Was meinen Sie?«

      »Die Lokalitäten hier einer Besichtigung unterzogen?«

      »I Gott bewahre!