Artur Landsberger

Lache Bajazzo


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hast recht.« – Er nahm ihre Hand, sah sie an und sagte: »Also, Cläre, ich möchte, daß wir beide die besten Kameraden würden.«

      »Sind wir das nicht?« fragte sie, begriff aber, als sie es kaum ausgesprochen hatte, auch schon, was er meinte. —

      »Carl!«  rief sie und hielt sich die Hand vors Gesicht. »Das ist es?«

      Und Carl nickte mit dem Kopfe und sagte: »Ja!«

      »Erzähle!« drängte sie, ließ seine Hand los und senkte den Kopf.

      Und Carl entwarf ein Bild von Agnes, aus dem Cläre mehr eine Vorstellung von der Tiefe seiner Leidenschaft bekam als von der Frau, der diese Leidenschaft galt. – »Mir ist, als fühlte ich etwas, was ich bisher nicht kannte,« schloß er, »von dem ich nicht einmal wußte, daß es das gibt; und zwar mit einer Stärke, daß daneben das Gefühl für alles andere verschwindet. Selbst dieser Erfolg, der mich doch sonst aufs äußerste erschüttert hätte, erscheint mir im Vergleich dazu blaß, nebensächlich . . .«

      »Lieber Carl,« sagte Cläre, »du bist nach zwanzig Jahren zum ersten Male wieder verliebt.«

      Carl sah sie an.

      »Und was wird daraus?« fragte er.

      Cläre schüttelte den Kopf. »Wenn du anders wärst,« sagte sie, und ihre Stirn zog sich in Falten, »dann wüßt’ ich’s! Aber so, wie du bist, da weiß ich es nicht.«

      »Sprich bitte!« drängte Carl und nahm ihre Hand.

      »Was soll ich sagen?« Und nach einer Weile fuhr sie fort: »Was kann ich anderes wollen als dein Glück?«

      Carl nickte:

      »Ich weiß es,« sagte er. »Aber du . . .«

      »Ich bin es, wenn du es bist.«

      »Auch dann?«

      »Auch dann!« sagte sie bestimmt.

      »Wenn du das könntest!« rief er freudig. »Wenn zwischen uns beiden alles so bliebe!«

      »Aber es wird mit dir nicht alles so bleiben.«

      »Ich schwöre!« sagte er und wollte die Hand erheben. Sie hielt sie fest.

      »Laß!« sagte sie, »du hast mich nicht verstanden. Als wir vor zwanzig Jahren zusammen gingen, da fühltest du genau das, was du heute fühlst. Ich war, als Frau, reifer als du, und vor allem: ich war nüchterner. Du warst ein Dichter und daher ein Kind, und bist es heute noch. Ich sagte mir damals schon: es ist sein erster Rausch, aber es wird nicht sein letzter sein; es werden andere kommen. Aber ob die Gesinnung bleibt und sich festigt, darauf kommt es an!« Sie zog die Schultern hoch: »Nun, es kam in den ganzen Jahren kein zweiter Rausch. Vielleicht, weil die Gelegenheit fehlte und du immer hier in den Bergen saßt. Ich sollte mich darüber freuen, aber heute glaube ich fast, daß es am Ende gut gewesen wäre, wenn er hin und wieder gekommen wäre. Du würdest ihn dann richtig werten. Heute, nach zwanzig Jahren, überschätzt du ihn.«

      Carl sah sie erstaunt an.

      »Das ist deine Ansicht?« fragte er.

      »Durchaus! Keine Frau, am wenigsten aber die eines Dichters, hat das Recht, sich unter Berufung auf die Ehe gegen diese Gefühlsausbrüche aufzulehnen. Das käme mir vor, als wenn etwa ein Gelehrter gegen den Ausbruch eines Vulkans Protest erhebt, weil nach seiner Berechnung der Ausbruch erst in zehn Jahren hätte erfolgen dürfen.«

      »Da hast du recht,« sagte Carl, »das Gefühl, demgegenüber es nicht einmal einen freien Willen gibt, kann nicht durch Gesetze reguliert werden.«

      »Gewiß nicht!« erwiderte Cläre. »Das ist nicht der Sinn der Ehe, daß der Mann verurteilt wird, von nun an auf das höchste Glücksgefühl, den Rausch des Verliebtseins, zu verzichten.«

      »Du meinst, wenn nur die Gesinnung die gleiche bleibt, dann vermag ein Rausch auch nicht das Glück einer Ehe zu stören?«

      »Das ist meine Ansicht. Ehe ist Beständigkeit, Rausch Flüchtigkeit. Rausch schließt Bewußtsein aus, Ehe bedingt es. Rausch tangiert also nicht die Gesinnung. Aendert die sich, dann freilich hört es auf, ein Rausch zu sein – und damit wäre dann auch . . .« »Nie!« beteuerte Carl aus vollster Ueberzeugung und dachte nicht mehr an seine Gefühle während der Bahnfahrt. »Alles was du da sagst, das kann meine Gesinnung nur stärken und befestigen.«

      »Es wird sich zeigen,« sagte Cläre. »Und nun kein Wort mehr davon! Laß den Rausch vorübergehen, und erst wenn du den großen Kater spürst, komm zu mir und sage mir: es ist vorbei.«

      Carl strahlte.

      »Jetzt erst bin ich glücklich,« sagte er, »wo ich weiß, daß zwischen dir und mir alles unverändert bleibt.«

      Er lehnte seinen Kopf an Cläre, beugte sich zu ihr herab und küßte ihre Hände.

      Cläre fuhr ihm mit der Hand durchs Haar und sagte:

      »Du mein großes Kind!«

      Sie suchte zu lächeln, aber ihre Augen, um die die Jahre scharfe Falten gruben, standen voll Tränen.

      Viertes Kapitel

      Mein lieber, guter und besorgter Carli, deine Briefe und Telegramme sind sämtlich bei mir angekommen und wir haben uns sehr damit gefreut, indem nämlich auch Lori immer eine große Freude hat mit dem, was du schreibst, als sie damit dann bei Werner, weil der nicht so viel sich um sie kümmern kann, Vergleiche macht, wo du dann immer besonders gut abschneidest. Gestern war ich mit Lori nach dem Pferderennen, wofür uns Werner eine Loge gegeben und auch sein Auto überlassen hat. Die Pferde interessieren mich sehr – du! weißt du, der Duden is ne feine Sache! das Briefschreiben dauert zwar dadurch verflucht lange, aber man macht keine Fehler, lernt was und wird nicht ausgelacht – also die Pferde! ja, siehst du, da war unter den Offizieren, die Lori kannte, Mensch, kennt die eine Masse Männer! ein Graf Hech, nu denke dir, der will mir das reiten beibringen, du das kost nichts, nur so, weißt du, weils ihm Freude macht, sagt er. Morgen gehts an. Die Pforten ist tücksch auf mich, aber ich tu als wenn ichs garnicht merke, weil die Leute abends mehr zu mir als zu ihr hinsehen und dann habe ich gestern den reichen Peter, na du weißt doch, Werners Freund, der sie aushält und der das mit seinen Vater hat, wovon er in eine Tour reden tut, ich kenne das nun schon so auswendig wie als deine »Helena«, die ich schon souflieren könnte – also nicht wahr, wegen dem Reiten, ach nein, das war ja schon, also den reichen Peter habe ich doch so aus’m Handgelenk die Helena in der dritten Szene des zweiten Aktes vorgemacht, der Geheimrat war auch da, der ist überhaupt meist da, weil er sagt, daß ihn die Entwicklung einer jungen Künstlerin als Mäcen interessiert, dabei sieht er mehr auf meine Beine als er achtet, was ich sage, also der reiche Peter fand, daß bei geschlossenen Augen man nicht unterscheiden könne, ob die Estella oder ich das sei, das hat sie gefuchst, na, der hat nachher bekommen als ich mit dem alten Geheimrat auf der Treppe war, da hat’s was gesetzt. Wir haben natürlich auf der Flurtür gestanden und gehorcht: »die dumme Gans«, hat sie auf mir gescholten, »morgen setz ich sie an die Luft« – Aber sie braucht mich für ihre Toiletten, da ich dafür was weg habe, wie sie meint, so daß gestern beim Tee ins Esplanade von dem, der die Elegante Welt heraus gibt, einer zu uns an den Tisch kam und den Grafen bat, mich in dem neuen Frühjahrskostüm bei sich aufzunehmen, in dem Blatt natürlich, wozu der Graf denn auch ja gesagt hat. Wegen des Tanzabends in dem Beethovensaal zankt sich der alte Brand mit der Sello, und er sagt, daß sie mich nur um Reklame für ihre Schule jetzt schon herausstellen will, das wäre aber ein Fehler, da das noch nicht so weit sei! Weil du doch willst, daß ich dir über alles berichte, so mußt du die langen Seiten über dich ergehen lassen. Wegen Reitkleid und Massage und den Büchern für die deutsche Stunde und der Pariserin – also so ein Schwindel, denn die is übrigens garnicht aus Paris, was ich per Zufall rausgekriegt habe, sondern vielmehr aus einem Neste stammt, das Wimmereux heißt und ein Bad sein soll, wo am Meere ist, mußt du mir wieder was schicken, was du ja gern tust. Schreibe immer so zärtlich auch schon um Werner und Lori, ich bins dann auch. Aber denn mußt du kommen, ich hab immer so fieles vor und kann nicht so viel Zeit an dich denken. Du fragst, ob ich auch tue was du tust und die Tage bis daß du hier bist, zähle – ach Carl! das dumme zählen, ich kenne mich doch garnicht aus. Wenn ich nun schon Bühne und tanze und Reiten und das